Nach langem Zögern vollzog Spanien am Wochenende die Kehrtwende und beantragt nun doch Finanzhilfen für seine angeschlagenen Banken aus den Euro-Rettungsfonds. Noch vor knapp zwei Wochen schlug Ministerpräsident Mariano Rajoy jede Hilfe von außen ab, nun will er selbst "Druck gemacht" haben, um ein "wichtiges Problem für uns" zu lösen.
Daraufhin war zwar zunächst ein allgemeines Aufatmen zu spüren; Experten aber bleiben skeptisch, ob die milliardenschwere Bankenhilfe Spanien und den Euro endgültig retten wird. Sie weisen auf weitere Großbaustellen Madrids hin, etwa das Staatsdefizit und die Arbeitslosigkeit.
Spanien wehrte sich lange gegen Finanzhilfe
Lange hat sich die viertgrößte Volkswirtschaft der EU dagegen gewehrt, neben Griechenland, Irland und Portugal Hilfen aus dem EU-Rettungsfonds beantragen zu müssen. Der Druck der Finanzmärkte und Europas sorgte aber nun für ein Umdenken bei Rajoys konservativer Regierung. Das Problem sollte vom Tisch, bevor die Wahl in Griechenland in einer Woche möglicherweise zu noch instabileren Verhältnissen in Athen führt. Zu groß wäre die Ansteckungsgefahr gewesen.
Auch wenn Wirtschaftsminister Luis de Guindos nicht müde wurde zu betonen, dass sein Land nicht vollständig unter den Euro-Rettungsschirm flüchtet, was mit strengen Auflagen und Einschnitten etwa bei Renten und Mindestlöhnen verbunden wäre, kann er einer Wahrheit nicht entkommen: Sein Land gehört nun offiziell zum Klub der Euro-Sorgenkinder. Doch eine andere Wahl hatte Madrid offenbar kaum noch: Hätte Spanien die Banken nicht selbst retten können, hätte es spätestens im Herbst komplett unter den Rettungsschirm schlüpfen müssen - und dann "rund 500 Milliarden Euro" gebraucht, weist Amador Ayora von "El Economista" hin.
Finanzhilfen: Noch ist der Antrag nicht gestellt
Noch ist der Antrag nicht gestellt und der Rettungsplan nicht ausgehandelt - "und der Teufel steckt ja bekanntlich im Detail", warnt Börsenmakler José Carlos Diez. Noch nicht einmal die genaue Kreditsumme ist bekannt: Sie soll erst in den kommenden Tagen festgelegt werden, sobald die Beratungsunternehmen Oliver Wyman und Roland Berger ihren Bericht über die Lage der spanischen Banken vorgelegt haben. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) brauchen die Banken mindestens 40 Milliarden Euro; einen Sicherheitspuffer eingerechnet, stellte die Euro-Gruppe Hilfen von bis zu 100 Milliarden Euro in Aussicht.
Viele Baustellen in Spanien offen
Rettungsschirme, EFSF und ESM
Griechenland-Pleite, Rettungsschirme, Eurobonds, EFSF, ESM: Beim Thema Euro-Krisen schwirren etliche Fachbegriffe herum. Lesen Sie hier in Kurzform, was Sie zum Thema Rettungsschirme wissen müssen.
EFSF steht für Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility) und ist eine Aktiengesellschaft, die notleidenden Euro-Staaten helfen soll. Sollte ein EU-Land in Not geraten, kann die im Juni 2010 gegründete EFSF Anleihen bis zu 440 Milliarden Euro ausgeben. Dafür haften die Euro-Länder.
Kritik am EFSF: Im Vertrag von Maastricht wurde eine so genannte Nichtbeistands-Klausel (No-bailout-Klausel) vereinbart, die die Haftung der Union oder einzelner Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten untersagt. Auf Druck des Nicht-Eurolandes Großbritannien wurde durchgesetzt, dass bei Krediten für Staaten, die Mitglieder der Eurozone sind, nur die übrigen Eurostaaten haften.
Der EFSF soll bis Juni 2013 aktiv bleiben und dann abgelöst werden, nämlich vom ESM.
ESM steht für Europäischer Stabilitäts-Mechanismus und ist der permanente Euro-Rettungsschirm. Seine wichtigsten Instrumente sind Notkredite und Bürgschaften für überschuldete EU-Staaten. Jedes Land, das Hilfe aus dem ESM erhält, muss im Gegenzug bestimmte wirtschaftliche Konsequenzen ziehen.
Kritiker sagen, dass Rettungsschirme und Bürgschaften es Ländern erleichtern, Schulden zu machen. Wenn es wirklich eng wird, treten schließlich die anderen EU-Länder ein und helfen.
Eurobonds: Darunter versteht man eine EU-Staatsanleihe. Das bedeutet, die Länder der EU würden gemeinsam Schulden aufnehmen - und auch gemeinsam für sie haften. Hinter der Idee steht die Hoffnung, dass die Kreditwürdigkeit der Eurozone als Ganzes von den Finanzmärkten und den Ratingagenturen höher eingeschätzt wird als die seiner einzelnen Mitgliedstaaten.
Die Befürworter dagegen erklären, dass notleidenden EU-Staaten geholfen werden muss. sie warnen vor einem Domino-Effekt. Heißt: Wenn ein Land tatsächlich pleite geht, reißt es andere Länder mit sich.
Und noch ist nicht klar, ob die nervösen Finanzmärkte angesichts der anderen Probleme des Landes tatsächlich zur Ruhe kommen. Dazu zählen nach Angaben des Wirtschaftsexperten Rafael Pampillon der Wohnungsmarkt, der auch vier Jahre nach dem Platzen der Immobilienblase nicht ins Lot kommen will, die hohe Arbeitslosigkeit von 24,4 Prozent im ersten Quartal und die hohe Staatsverschuldung: Wie Spanien das Defizit von 8,9 Prozent im vergangenen Jahr auf die zugesagten 5,3 Prozent in diesem Jahr herunterfahren will, ist unklar - zumal die 17 mächtigen Regionen für rund die Hälfte der Staatsausgaben stehen.
Die europäische Hilfe werde die "Spekulationen an den Finanzmärkten rasch verstärken, ob das Land nicht bald auch Hilfen für seine öffentlichen Finanzen beantragen muss", warnt Analyst Ralph Solveen von der Commerzbank. "Es bleibt noch schrecklich viel zu tun", meint auch sein Kollege Daniel Pingarron von IG Markets. Dennoch bezeichnet Pingarron die Bankenhilfe als "sehr gute Nachrichten für Spaniens Wirtschaft". afp