Tauziehen um Fluglotsenstreik bis zuletzt: Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um den für Donnerstagmorgen geplanten Ausstand auf allen deutschen Flughäfen gingen am Mittwoch bis in den späten Abend hinein. Das Frankfurter Arbeitsgericht verbot den Streik per einstweiliger Verfügung. Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) legte aber Berufung ein, sodass die endgültige Entscheidung beim Landesarbeitsgericht lag. Dieses wollte den Fall ab 21.30 Uhr neu verhandeln.
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hatte den Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt, nachdem die GdF einen sechsstündigen Streik auf sämtlichen Flughäfen angekündigt hatte. Das Arbeitsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass einzelne Forderungen der GdF in den laufenden Tarifverhandlungen gesetzlich unzulässig und die geplante Arbeitskampfmaßnahme damit rechtswidrig seien.
Die DFS sprach trotz der erstinstanzlichen Entscheidung von einem nicht mehr abzuwendenden wirtschaftlichen Schaden für Airlines und Flughäfen. Aufgrund der Rechtsunsicherheit seien viele Flieger bereits am Boden geblieben, sagte Personalchef Jens Bergmann.
Die Lufthansa geht nach eigenen Angaben allerdings davon aus, ihren Flugplan wie geplant einhalten zu können. Firmensprecher Patrick Meschenmoser sagte der Nachrichtenagentur dapd am Abend, die Fluggesellschaft habe lediglich den Start von zehn Langstreckenflügen um je eine halbe Stunde vorverlegt, um nicht in die ursprünglich geplante Streikzeit zu geraten. Ansonsten gebe es aber keine Änderung am Flugplan.
Auch der Dienstleiter am Frankfurter Flughafen sagte auf Anfrage, dort gebe es noch keine nennenswerten Änderungen am Flugplan. Dass es doch noch dazu komme, sei aber umso wahrscheinlicher, je länger sich die endgültige Gerichtsentscheidung über den Streik hinziehe. Schon vor der Verhandlung beim Arbeitsgericht hatten sich Flughäfen und Fluggesellschaften auf die möglichen Streiks vorbereitet. Am Frankfurter Flughafen wurden etwa das Personal aufgestockt und die Versorgung von Reisenden mit Essen und Trinken vorbereitet, wie ein Sprecher des Betreibers Fraport sagte.
In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht argumentierte die DFS, dass von der GdF angestrebte neue Einstufungsregelungen für Mitarbeiter ungekündigte Manteltarifvereinbarungen berührten. Der geplante Streik verletze Regelungen zur Friedenspflicht, die Arbeitskampfmaßnahmen nur bei gekündigten Tarifverträgen erlaube. Die Anwälte der Fluglotsen-Gewerkschaft räumten ein, dass neue Einstufungsregelungen den Manteltarifvertrag betreffen könnten. Für die DFS mache das wirtschaftlich aber keinen Unterschied, weil in Vertretungsfällen bereits jetzt nach fünf Wochen Ausgleichsgelder gezahlt würden und nach 24 Monaten eine Höhergruppierung erfolge. Falls im laufenden Entgeltstreit auch Punkte aus dem Manteltarifvertrag betroffen sein sollten, sei das letztlich unbedeutend.
Das Arbeitsgericht folgte allerdings der DSF. Das Gericht habe nicht darüber zu befinden, ob ein Streikziel wesentlich oder unwesentlich sei, sagte Richterin Renate Binding-Thiemann. Die Rechtswidrigkeit eines Punkts der gewerkschaftlichen Forderungen begründe auch eine Rechtswidrigkeit des geplanten Streiks insgesamt. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) begrüßte die Entscheidung. Das Urteil habe "den Weg für eine konstruktive Einigung im Sinne der Passagiere geebnet", sagte BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch. In dem Tarifkonflikt geht es nicht nur um die Vergütung. Beide Seiten ringen auch um Arbeitsbedingungen oder die Eingruppierung von Mitarbeitern. Die GdF fordert für ihre bundesweit rund 5.500 Mitarbeiter 6,5 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die DFS bietet nach eigenen Angaben ab 1. August 2011 eine Erhöhung um 3,2 Prozent sowie weitere 2,0 Prozent oder mindestens den Inflationsausgleich ab 1. November 2012. dapd/AZ