Die Risikoprämien für Staatskredite explodieren, die Menschen heben ihr Geld ab, das Misstrauen hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit Spaniens wächst. Vor allem weil das hoch verschuldete Spanien nicht weiß, woher es jene 19 Milliarden Euro nehmen soll, mit denen die wankende Großbank Bankia gerettet werden soll. Und auch, weil weitere Banken in Schwierigkeiten sind und neue Hilfsmilliarden verschlingen könnten. Der Zinssatz für langfristige spanische Staatsanleihen klettert an den Finanzmärkten in Richtung der kritischen Sieben-Prozent-Marke.
Spanien läuft ernsthaft Gefahr, sich an den Märkten nicht mehr finanzieren zu können
Die amtierende spanische Regierung beobachtet mit großer Nervosität den Anstieg der Zinskurve, mit dem es immer schwieriger wird, die gigantischen Schuldenberge zu finanzieren und abzubauen. „Langfristig ist dies nicht tragbar“, warnte Wirtschaftsminister Luis de Guindos mit zitternder Stimme. Regierungschef Mariano Rajoy bekannte in einer seiner wenigen Erklärungen: „Wir laufen ernsthaft Gefahr, dass wir uns nicht mehr an den Märkten finanzieren können.“
Nach einem Bericht der Zentralbank zogen im März einheimische und ausländische Investoren 66,2 Milliarden Euro aus Spanien ab. Dies war die größte Kapitalflucht in einem Monat seit Beginn der Erhebungen 1990. Spanische Unternehmen und Privathaushalte hoben im April unter dem Strich 31,5 Milliarden Euro von ihren Konten ab, sodass die Bankeinlagen auf 1,625 Billionen Euro zurückgingen.
Tägliche Hilferufe aus Madrid
Hinter den Kulissen wird derweil hektisch verhandelt. Täglich werden aus Madrid diskrete Hilferufe abgesetzt: an die EU, die Europäische Zentralbank (EZB), an das mächtige Deutschland, an den Internationalen Währungsfonds (IWF) – in der Hoffnung, irgendwie das Geld für Bankia und weitere drohende Zusammenbrüche von Geldhäusern zusammenkratzen zu können. Doch EZB-Chef Mario Draghi erteilte Spaniens Wunsch nach einer direkten Milliardenspritze eine Abfuhr: Die spanische Regierung sei die Bankenkrise auf „schlechtmöglichste“ Weise angegangen, und sie habe die Finanzprobleme der Geldhäuser „unterschätzt“, rügte er.
Auch die EU-Kommission stellte klar, dass es nach den bisherigen Regeln „keine direkte Hilfe“ des europäischen Rettungsfonds oder der EZB für marode Banken geben könne. Notkredite könnten nur nach einem formellen Rettungsantrag einer Regierung vergeben werden, was aber wie im Falle Griechenlands, Irlands und Portugals mit harten Auflagen verbunden sei, die dann von Brüssel und vom IWF diktiert werden. Diese offizielle Intervention versucht Spaniens Regierung um jeden Preis zu vermeiden. Es wäre „katastrophal“ für die stolze Nation, heißt es, und vor allem wäre es das Eingeständnis des eigenen Scheiterns.
Rettung der Großbank Bankia stürzt Spanien weiter in die Krise
Auslöser des neuen Zinsdrucks der Finanzmärkte auf Spanien sind die Zweifel über die Rettung der spanischen Großbank Bankia, die ohne staatliche Milliardenhilfen vor der Zahlungsunfähigkeit steht. Das viertgrößte Geldhaus des Landes, das sich wie andere Institute mit Immobilien verspekulierte, braucht insgesamt 23,5 Milliarden Euro, um zu überleben: 4,5 Milliarden wurden bereits über Aktienerwerb des Staates zugeschossen.
Den Rest, rund 19 Milliarden Euro, muss Spanien wohl am Kapitalmarkt aufnehmen. Dies dürfte teuer werden und das Stopfen des abgrundtiefen Haushaltslochs, welches 2011 bei 8,9 Prozent des Bruttoinlandproduktes lag, weiter erschweren.
Spanien braucht dringend Reformen und Steuererhöhungen
Immerhin kam eine leicht positive Nachricht aus Brüssel, wo die EU-Kommission Spanien ein Jahr Aufschub gewähren will, um wieder die Euro-Stabilitätsgrenze von drei Prozent beim Etatdefizit zu erreichen. Bis 2014, so der Vorschlag, wolle man Spanien Zeit geben, um die Finanzen zu sanieren. Gleichzeitig wurden neue Hausaufgaben aufgegeben: Die Reformen müssten auf allen Feldern vorangetrieben und auch neue Sparpakete sowie Steuererhöhungen beschlossen werden. Doch dagegen gab es bereits gestern Widerstand: Rund 8000 Bergarbeiter haben vor dem Industrieministerium in Madrid gegen die Kürzungen demonstriert. mit afp