Die Medienbranche hinkt einer Untersuchung zufolge dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum hinterher. Hauptgrund ist der drastische Einbruch der Werbeeinnahmen. Dennoch mussten die Verlage in Deutschland kaum Gewinneinbußen hinnehmen, wie eine Studie des Kommunikationswissenschaftlers Wolfgang Seufert von der Jenaer Universität zeigt. Seufert analysierte anhand der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von 1991 bis 2011 die Bilanzen der Medienwirtschaft. Über seine Erkenntnisse sprach der 57-Jährige im Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Frage: Wie rentabel sind die Verlage heute noch?
Antwort: Das ist das überraschendste Ergebnis der Analyse. Die Verlage haben es durch Kosteneinsparungen geschafft, sich trotz gesättigter Nachfrage zu stabilisieren. In den vergangenen fünf Jahren büßten sie kaum Gewinne ein. Das geht unter anderem auf moderate Lohnanstiege, das Auslagern von Produktionsprozessen und einen deutlichen Beschäftigungsabbau zurück.
Frage: Wie groß war der Personalabbau in den Redaktionen?
Antwort: Die Zahl der Mitarbeiter im Verlagswesen ist seit 1991 um 85 000 auf 265 000 gesunken. Das ist ein Rückgang von 24 Prozent. Dieser personelle Aderlass ist aber nicht unproblematisch. Durch den Verzicht auf feste Mitarbeiter und Tendenzen, Leser als "Hilfsjournalisten" einzuspannen, geht journalistische Qualität verloren. In der Werbebranche hingegen hat sich die Zahl der Erwerbstätigen durch zahlreiche Selbstständige auf 275 000 erhöht und damit mehr als verdoppelt.
Frage: Wie groß ist die Krise in der Medienwirtschaft?
Antwort: Das ist differenziert zu betrachten. Fakt ist, dass die Wirtschaft nicht mehr in dem Umfang wie früher Werbung in den klassischen Medien schaltet. Seit 2001 sind die Werbeeinnahmen der Massenmedien in Deutschland um 2,5 Milliarden Euro geschrumpft. Am stärksten gebeutelt sind Zeitungen und Zeitschriften, aber auch das Fernsehen blieb davon nicht verschont. Das Problem ist, dass durch Internetwerbung dieser Rückgang nicht ausgeglichen werden konnte. Bei den Printmedien kommt noch eine Abwanderung der Leser hinzu.
Frage: Wie können die Blätter dieser Abwanderung begegnen?
Antwort: Die Lokalzeitungen stecken da besonders in der Klemme. Sie können naturgemäß den Leserkreis außerhalb ihres Einzugsgebietes kaum erhöhen und digitale Angebote scheitern bislang zumeist an der Gratis-Kultur im Netz. Die junge Generation ist nicht mit der Zeitung in der Hand groß geworden, sondern mit dem Internet. Das macht die Situation so anders. Die Verlage können nicht darauf vertrauen, dass junge Leute irgendwann von allein ihr Nutzungsverhalten ändern. Sie müssen daher Jugendliche als Neukunden verstehen; sie gezielt mit Werbekampagnen ansprechen. Da sehe ich derzeit noch Defizite. Vor allem aber müssen die Zeitungshäuser vermitteln, dass Informationen aus der Region ihren Wert haben.
Frage: Die Regionalzeitungen stehen enorm unter Druck. Wird es künftig noch die klassischen Lokalblätter geben?
Antwort: Ja, die Regionalzeitungen werden nicht aussterben. Allerdings wird es künftig noch mehr Gebiete ohne regionale Informationsangebote geben. Seit 1991 sind bereits rund 100 Lokalausgaben eingestellt worden und ihre Zahl wird künftig noch weiter sinken. Am stärksten ist diese Tendenz derzeit in Nordrhein-Westfalen sichtbar, aber auch im Osten wie in Mecklenburg-Vorpommern hat die Zahl der Lokalausgaben schon stark abgenommen. In größeren Berichterstattungsgebieten können jedoch lokale Ereignisse nur noch bruchteilhaft abgebildet werden.
ZUR PERSON: Wolfgang Seufert hat seit 2003 eine Professur für Kommunikationswissenschaften an der Jenaer Universität in Thüringen. Sein Schwerpunkt liegt auf der Ökonomie und Organisation der Medien. Zuvor arbeitete der Diplomvolkswirt jahrelang als wissenschaftlicher Referent am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.