Der Verkaufsraum der Metzgerei Ihle im Mayerweg in Bobingen ist voll. Sechs Kundinnen warten auf eine der drei Bedienungen, die von einem Ende der Theke zum anderen eilen, Salami abwiegen und Schweinekoteletts einpacken. Wieder geht die Tür auf, eine weißhaarige, kleine Dame tritt ein, grüßt nickend nach allen Seiten und reiht sich geduldig am Ende der Schlange ein. „Das Geschäft läuft gut, ich kann mich nicht beschweren“, sagt Eigentümer Stefan Ihle. Doch damit gehört er zu den wenigen Glücklichen seiner Zunft.
Metzgereien kämpfen mit einem schlechten Image
Viele kleine und mittelständische Metzgereien müssen schließen. Eine Tendenz, die sich schon seit Jahren abzeichnet, wie Hans-Peter Rauch, Vizepräsident der Handwerkskammer (HWK) für Schwaben, bestätigt: „Dieser Trend ist nichts ganz Neues, aber bestimmte Einflüsse von außen forcieren diese Entwicklung.“
Einflüsse von außen – damit meint Rauch die Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter, aber auch Auflagen der EU. Seit 2010 müssen Metzgereien, die selbst schlachten wollen, bestimmte Kriterien erfüllen. Für die Betriebe ist das oft mit hohen Investitionen verbunden. „Wer keinen Nachfolger hat, wird diese Investition drei Mal hinterfragen“, sagt Rauch. Viele Metzger haben seither das Schlachten aufgegeben. Ein weiteres Problem ist der Nachwuchs. Denn den Metzgern geht es wie zahlreichen anderen Handwerkszweigen: Sie suchen dringend nach Auszubildenden.
Harald Münzinger, 35, Obermeister der Fleischerinnung Nordschwaben und Chef der gleichnamigen Metzgerei in Harburg (Kreis Donau-Ries), ist die schlechte Situation seines Handwerks bewusst: „Azubis sind dünn gesät.“ Er befürchtet, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Berufsschule in Donauwörth schließt. Für ihn und seine Kollegen wäre das eine denkbar schlechte Entwicklung.
Vor allem aber hat das Metzgerhandwerk mit einem schlechten Image zu kämpfen. Doch Münzinger weiß: Schweißtreibende Knochenarbeit und durchweg Hände voller Blut sind Vorurteile. „In einer 40-Stunden-Woche wird zwei Stunden geschlachtet.“ Zudem erleichtern seit vielen Jahren Theken, die in Höhe und Tiefe angepasst sind, die Arbeit der Verkäuferinnen. Dank Stechschutzschürzen, die nur noch zwei Kilo schwer seien, sei das Schlachten zu einer Arbeit geworden, die auch Frauen gut ausüben könnten.
Supermärkte sind eine große Konkurrenz
Doch der fehlende Nachwuchs ist nicht das einzige Problem. „Der Einzelhandel nimmt uns viel Geschäft weg.“ Seit Supermärkte bis 1200 Quadratmeter überall „auf der grünen Wiese gebaut werden dürfen“, habe sich die Konkurrenzsituation verschärft. Vor allem, weil die Handwerksbetriebe mit Großunternehmen nicht mithalten können. Ein Beispiel: Das Fleischwerk Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, das für Aldi & Co. täglich 360 000 Packungen Fleisch und Wurst herstellt, schlachtet 20 000 Schweine am Tag. „So viel werden in Nordschwaben nicht in einem Monat geschlachtet“, sagt Münzinger.
Der Vorteil kleiner Metzgereien sei dagegen ihre Regionalität. Doch damit alleine werden die Betriebe ihre Kunden nicht halten können. Schon deswegen nicht, weil sie gegenüber den Großen finanzielle Nachteile haben. Deutlich wird das etwa an der Fleischbeschauung, die es vor jeder Schlachtung gibt. Ein Beschauer prüft, ob das Tier nicht krank ist. Dafür verlangt er pro Schwein zwischen 13 und 20 Euro, wie Münzinger erklärt. Bei einem Großbetrieb liege diese Gebühr bei lediglich vier Euro. „So können wir nicht konkurrenzfähig bleiben.“
Hinzu kommt der Wettbewerb mit den Metzgereiketten. Der Trend zur Filialisierung ist groß, wie es beim Fleischerverband Bayern heißt. Allein Vinzenzmurr hat bundesweit über 270 Filialen, meist in großen Einkaufszentren. Ein Erfolgsrezept, bestätigt HWK-Vizepräsident Rauch: „Das waren unsere besten Filialen.“ Doch seit Supermärkte selbst Frischfleisch anbieten, mussten diese lukrativen Standorte aufgegeben werden.
Viele Betriebe bieten inzwischen einen Partyservice an
Viele Metzgereien suchen nach neuen Einnahmequellen. Ein Partyservice etwa oder eine warme Theke. „Das sind Sachen, an die wir früher nie gedacht haben, aber die Bäckereien machen es uns ja vor“, sagt Rauch. Für manchen älteren Metzger sei so etwas aber undenkbar.
Auch Stefan Ihle setzt auf den Service für Kommunionen und Geburtstage. Darauf angewiesen ist er nicht, sagt er. Auch um einen Nachfolger macht sich der 49-Jährige keine Gedanken. Sein Sohn legt in diesem Jahr die Gesellenprüfung ab. Würde er das Geschäft übernehmen, wäre er bereits die fünfte Generation. „Aber momentan will er Musiker werden“, fügt Ihle mit einem Grinsen hinzu. Dann zuckt er mit den Schultern: „Ich habe ihm gesagt, wenn ich 55 bin, soll er mir sagen, ob er das Geschäft weiterführen will.“ Und wenn nicht? „Dann machen wir zu“, sagt Ihle. Er glaubt ohnehin, dass es vielen kleinen Metzgereien so gehen wird: „Die Betriebe verschwinden, glaube ich.“