Ingolstadt Martin Lettenmeier erläutert seine Geschäftsidee mit missionarischem Eifer. Kein Wunder, denn der 49-Jährige ist von Haus aus Theologe, hat sich aber inzwischen der Marktwirtschaft verschrieben.
Friendly Service heißt sein Unternehmen, und was der Ingolstädter ersonnen hat, ist in Deutschland bislang wohl einmalig: Lettenmeier vermittelt Schüler und Studenten an Supermärkte. Sie stehen hinter den Kassen und helfen Kunden auf Wunsch beim Einpacken der Einkäufe. Lettenmeier zahlt ihnen kein Gehalt; ihr Lohn sind ausschließlich Trinkgelder.
Der Unternehmer hatte den Einpackservice arbeitsrechtlich prüfen lassen, bevor er 2006 ins Geschäft einstieg. Zu seinen Kunden gehört die Edeka-Gruppe mit ihren Supermärkten und Marktkauf-SB-Warenhäusern. Allein in Schwaben und im Raum Ingolstadt-Neuburg sind die Einpacker in 16 Märkten zu finden.
Drei Jahre liefen die Geschäfte gut, bis jetzt eine Fachzeitschrift unter dem Titel "Die Geburt der Null-Euro-Jobber" kritisch über Friendly Service berichtete. Eine norddeutsche Drogeriekette hat daraufhin die Zusammenarbeit aufgekündigt. Edeka Südbayern stellt die weitere Zusammenarbeit infrage. "Das Geschäftsmodell wird überprüft", bestätigt ein Sprecher.
Martin Lettenmeier kann die Aufregung nicht verstehen. Er hat viele Jahre in den USA gelebt und dort ähnliche Dienstleistungen kennengelernt. "Es gibt bei Friendly Service nur Gewinner: die Kunden, die Schüler und Studenten, den Markt und das Unternehmen", sagt er.
Entwickelt hat Lettenmeier sein Geschäftsmodell aus einem Dienstleistungstraining für schwer vermittelbare Jugendliche. Dabei bemerkte er, dass freundliche Servicekräfte wesentlich mehr Trinkgeld erhalten und Gymnasiasten und Studenten aufgeschlossener sind als Jugendliche aus dem Hartz-IV-Bereich.
"Wir haben einen Mikrokosmos geschaffen, der allen Beteiligten Vorteile bringt", sagt Lettenmeier. Das sehen offenbar auch Mitarbeiter so, die in Internetforen die Idee verteidigen. "Ich und einige meiner Freunde sind bei Friendly Service dabei. Wir sind nicht der Meinung, dass von Ausbeutung die Rede sein kann", heißt es zum Beispiel.
Schlagendes Argument für die Jugendlichen sind die Verdienstmöglichkeiten, die nur wenige andere Aushilfsjobs bieten. Auf sieben bis 14 Euro kommen die Einpackhilfen im Schnitt, berichtet Martin Lettenmeier. Von "Jobben für null Euro" könne also keine Rede sein.
Zwei Anwaltskanzleien überprüfen jetzt erneut das System. "Man schläft unruhig", gibt Martin Lettenmeier zu. Doch er ist von seiner Idee nach wie vor überzeugt. "Ethische und wirtschaftliche Überlegungen passen durchaus zusammen. Es ist ein flexibles System, das intelligent und fair ist und niemanden benachteiligt." Von Norbert Eibel