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Interview: Finanzexperte: Für Anleger zählen jetzt Aktien und Immobilien

Interview

Finanzexperte: Für Anleger zählen jetzt Aktien und Immobilien

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    Der Finanzexperte Max Otte warnt davor, dass die Sparer schleichend enteignet werden. Die Negativzinsen seien nur das neuste Signal dafür.
    Der Finanzexperte Max Otte warnt davor, dass die Sparer schleichend enteignet werden. Die Negativzinsen seien nur das neuste Signal dafür. Foto: Fred Schöllhorn

    Herr Professor Otte, wird man eigentlich geliebt, wenn man eine Finanzkrise vorhersieht – wie Sie 2008?

    Max Otte: Liebe und Hass spielen da weniger eine Rolle. Die Kollegen ignorieren mich eher. Das hängt auch damit zusammen, wie ich mich selbst sehe. Ich habe mich eingehend mit Geschichte befasst und versuche, das Ganze zu sehen. Die modernen Volkswirte beschäftigen sich nur mit Zahlen. Mit Zahlen kommen Sie aber nicht an die Märkte ran. Dort geht es auch um Macht, Irrationalität, Gier, Furcht.

    "Euro-Rettung" rettet Europa nicht

    Haben wir die Krise eigentlich endlich hinter uns gelassen? In Deutschland hellt sich das Geschäftsklima ja gerade wieder auf.

    Otte: Was heißt aufhellen? In Spanien und Griechenland haben wir rund 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, eine großflächige Verarmung der Mittelschicht und Zustände wie zur Weltwirtschaftskrise 1929 – tiefste Depression. Nur kriegen wir in Deutschland nicht viel davon mit.

    Einige junge Leute aus den Krisenländern kommen nach Deutschland und finden hier Arbeit … Ist das nicht gut?

    Otte: Wenn junge Spanier hierherkommen müssen, weil sie zu Hause keine Perspektive haben, ist das schön für Deutschland. Aber so wollten wir Europa nicht bauen! Europa haben wir nicht gerettet, erst recht nicht mit der sogenannten „Euro-Rettung“. Damit haben wir nur die Banken, die Superreichen und Finanzdienstleister gerettet.

    Was halten Sie vom Versprechen von EZB-Chef Draghi, alles zu tun, um die Lage in den Griff zu bekommen – vor allem mit Blick auf den Euro?

    Otte: Draghi ist sicher ein hochintelligenter Mann. Ich habe ihn kürzlich bei einer Veranstaltung in der Alten Oper in Frankfurt gesehen. Aber es ist nicht der Job der EZB, alles in den Griff zu bekommen. Die Politik des billigen Geldes erzeugt extreme, schädliche Nebenwirkungen.

    Deflation als echte Gefahr - gerade bei der derzeitigen Staatsverschuldung

    Welche negativen Auswirkungen meinen Sie?

    Otte: Erst einmal, dass der klassische Sparer und Besitzer von Lebensversicherungen schleichend enteignet wird. Das kann man bei meiner Tante sehen. Sie ist 91, ihr Mann hat 50 Jahre an der Walze im Stahlwerk gestanden und 200 000 Euro zusammengespart. Viel Geld. Aber der jährliche Kaufkraftverlust auf dieses Vermögen beträgt 60 Prozent ihrer Rente. Das Ersparte schmilzt weg.

    Aber ist die Inflation nicht niedrig wie nie? Die EZB macht sich bereits Sorgen um Deflation, also den Verfall der Preise.

    Otte: Deflation ist eine echte Gefahr – hier sind sich die Notenbanken einig. Das gilt gerade bei der derzeitigen Staatsverschuldung. Denn bei Deflation steigt die Belastung weiter. Es ist aber nicht so einfach, gerade mit den Inflationszahlen …

    Inwiefern?

    Otte: Die Inflationszahlen sind manipuliert. Das liegt an der Methodik der Ämter. Ein Beispiel: Sie kaufen heute einen Computer. Und in drei Jahren wieder. Dieser Computer kostet dasselbe, hat aber die doppelte Rechnerleistung. Dann geht dieser Computer nur mit der Hälfte in den Index ein. Das ist Quatsch. In den für die Sparer relevanten Dimensionen Gesundheit, Energie, Dienstleistungen, Freizeit, Miete haben wir eine Inflation, die weit über dem liegt, was uns die Statistik anzeigt. Das merkt jeder Bürger. So kommt es zur schleichenden Enteignung des Sparers.

    Holt uns die Politik des billigen Geldes ein?

    Otte: Natürlich. Die Geldpolitik der Notenbanken, das billige Geld ist bald am Ende.

    "Es sieht nicht schön aus": Die Euro-Krise ist zurück

    Sehen Sie eine neue Krise?

    Otte: Nach der Finanzkrise 2008 habe ich lange Zeit gesagt, dass der Zusammenbruch nicht kommt und die Notenbanken uns Zeit kaufen. Vor einem Monat habe ich meine Meinung geändert. Denn es sieht nicht schön aus.

    Warum sind Sie skeptisch?

    Otte: Die Euro-Krise ist zurück. Die Preise für Anleihen der südeuropäischen Staaten steigen wieder. Dann haben wir immer härtere staatliche Zwangsmaßnahmen. Wir sind nicht mehr in der Marktwirtschaft. Strafzinsen stellen eine staatliche Steuerung dar, das gab es in der DDR auch – und das geht nicht ewig gut. Nun droht die Konjunktur in Deutschland einzubrechen. Und die Schulden in Europa steigen weiter. Dazu kommen die Konflikte um Europa herum. In Syrien, in den Ländern des Arabischen Frühlings, in der Ukraine.

    Kommt eine Krisensituation zurück, wie wir sie 2008 hatten?

    Otte: Es ist anders als 2008. Damals hatten wir eine Finanzpanik. Die Notenbanken mussten Wiederbelebungsmaßnahmen ergreifen. Für einen kurzen Moment war die Lage sehr gefährlich. Der „Geldschock“ damals war richtig. Aber die Zeit dazwischen ist nicht genutzt worden. Heute haben wir viele, viele kleine, aber hartnäckige Krankheiten, die zusammenkommen. Deswegen ist die Lage heute für mich gefährlicher als 2008.

    Anleger sollen in Sachwerte investieren

    Sie sprachen von der schleichenden Enteignung der Sparer. Erreichen die Negativzinsen, die einige Institute erheben, bald den normalen Sparer?

    Otte: Egal ob Negativzinsen bei vielen Instituten kommen oder nicht, wenn man 0,5 Prozent Zinsen hat und 3 bis 4 Prozent echte Inflation, dann verliert man Vermögen. Das ist seit etlichen Jahren so. Jetzt wird noch einmal geklingelt: Aufwachen! Nehmt das Geld weg vom Konto! Da wird es euch weggenommen! Ein Beispiel: Ich habe auf der Fahrt einen Müsliriegel und einen Latte Macchiato gekauft. Für 6 Euro. Das waren 12 Mark! Die Deutschen lieben ihre Sparkonten. Wenn 10 000 darauf steht, bekommen sie auch 10 000 Euro zurück. Dass die Summe aber langsam weniger wert wird, sehen die meisten nicht.

    Wo soll der Anleger hin mit seinem Geld?

    Otte: In Sachwerte. Immobilien, zu einem kleinen Anteil Edelmetalle. Und dann natürlich Aktien, also Beteiligungen an Unternehmen. Die Deutschen haben leider einen absoluten Horror vor Aktien. Nach dem Platzen der Blase im Jahr 2000 und dem Kursabsturz der Telekom-Aktie ist eine verlorene Generation für Aktien entstanden.

    Ich merke, Sie lieben Aktien. Was aber, wenn die Kurse fallen? Und Aktien in zehn Jahren plötzlich weniger wert sind?

    Otte: Nein, in zehn Jahren sind Aktien nicht weniger wert. Seit Wiederaufnahme des deutschen Börsenhandels in der Nachkriegszeit gab es überhaupt nur zehn oder elf Verlustjahre. Dass man keine Aktien kauft, wenn alle Aktien wollen, ist eine Grundregel. Aber selbst, wenn man im Boom im Jahr 2000 Aktien gekauft hat, hat man sein Geld heute inzwischen wieder. Normalerweise sollte ein Aktien-Käufer sein Geld drei Jahre nicht benötigen, am besten fünf Jahre. Zehn Jahre sind gar kein Problem.

    "Die deutschen Unternehmen schütten Dividenden aus wie noch nie"

    Wer sagt, dass wir heute nicht längst eine neue Aktienblase haben?

    Otte: Nein, wir haben keine Aktienblase. Lassen Sie mich das erklären: Ein Haus kann ich nach zwei Maßstäben bewerten. Was kostet es, das Haus zu bauen, also die Substanz? Oder: Was ist der Ertrag, was bekomme ich an Miete? Bei Häusern erwartet man sich als Preis das 15-, 16-, 17-Fache des jährlichen Mietertrags. In München wird bereits teilweise das 25- bis 30-Fache bezahlt. Dort gibt es schon eine Blase. Demgegenüber kriegen Sie viele Aktien zum 10-Fachen des Gewinns, die Allianz bekommen Sie bereits für das 8- bis 9-Fache. Das sind einfache Indikatoren, dass wir weit weg sind von einer Aktienblase.

    In welche Aktien kann denn der Anleger guten Gewissens investieren?

    Otte: Ich kann Beispiele nennen. Kaufen Sie keine Versicherung der Allianz, kaufen Sie lieber die Aktie. Sie bekommen 4,5 Prozent Dividende, bei BMW-Vorzugsaktien sind es über 5 Prozent. Die deutschen Unternehmen schütten Dividenden aus wie noch nie.

    Dann haben wir noch Luft nach oben, wo der Dax die 10 000 Punkte fast wieder erreicht hat?

    Otte: Ja, haben wir auch.

    Anleger sollen sich an Aktien-Fonds halten

    Was ist mit Fonds?

    Otte: Die schwankenden Kurse zehren an den Nerven vieler Anleger. Dann ist es besser, sich an Aktien-Fonds zu halten. Und zwar an Fondshäuser, die schon seit Jahren am Markt sind und gezeigt haben, dass sie es können. Kaufen Sie Mischfonds mit einer breiten Streuung, aber bitte keinen Themenfonds wie Biotech oder erneuerbare Energien. Diese werden nur verkauft, wenn das Thema in aller Munde ist.

    Und Gold? Der Preis fällt.

    Otte: Das ist doch gut, da bekommen Sie’s billiger. Die Nachfrage in Indien und China ist ungebrochen, der Goldpreis liegt unter den Erschließungskosten neuer Vorkommen. Gold stellt Sicherheit dar. Als Beimischung ist Gold in der Vermögensanlage gut – aber nicht als Hauptteil, da es keine laufende Rendite bringt.

    Professor Max Otte, 50, erwarb Bekanntheit durch seine Vorhersage der Finanzkrise 2008 („Der Crash kommt“). Heute hat er eine Professur in Graz. Sein Institut für Vermögensentwicklung berät Anleger, Otte berät den Fonds „PI Global Value“. Sein Team betreut rund 500 Millionen Euro. Otte hat zwei Kinder. Wir haben ihn bei einem Vortrag in Augsburg getroffen. Eingeladen hatten Martin Eberhard Investment Services, die BB-Wertpapier-Verwaltungsgesellschaft und das Vermögens- und Investmentcenter Fonds & More.

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