Beim Augsburger Buchhandelsunternehmen Weltbild laufen die Geschäfte anscheinend wieder besser. Das wichtige Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür. Deutlich kritischer sieht es für das Logistikzentrum aus: Im Stadtteil Lechhausen werden zwar noch immer hauptsächlich Pakete für Weltbild gepackt, die Logistik ist aber ein eigenes Unternehmen, gehört heute zum Logistikspezialisten Also – und ist insolvent. Jetzt droht der „Also Logistics Services GmbH“ mit rund 500 Beschäftigten die Abwicklung.
Gespräche zwischen der Insolvenzverwaltung und dem Betriebsrat um eine zukunftsfähige Lösung für die Logistik sind am Donnerstag vorerst gescheitert. Das geht aus einem Betriebsrats-Schreiben an die Mitarbeiter hervor. Die Arbeitnehmervertreter haben vorgeschlagen, dass Weltbild die Logistik-Beschäftigten zurück in das frühere Mutterhaus holt. Schließlich brauche Weltbild eine leistungsfähige Logistik. Die räumliche Nähe biete zudem Kostenvorteile, heißt es im Papier, das unserer Zeitung vorliegt. Doch in den Gesprächen gab es keine Fortschritte. Im Gegenteil. „Leider ist der Insolvenzverwalter unseren Sachargumenten nicht zugänglich und beharrt auf einer Schließung zum 30. Juni 2016.“
Die Insolvenzverwaltung will „die letzten 4,5 Millionen Euro Kirchengeld komplett für die Abwicklung der Also-Logistik einsetzen“, kritisiert der Betriebsrat. Für einen ebenfalls geplanten Personalabbau bei Weltbild bleibe dann nichts übrig. „Unter diesen Voraussetzungen können wir nicht sinnvoll mit dem Arbeitgeber sprechen“, argumentieren die Betriebsräte.
Was wird aus den Beschäftigten?
Insolvenzverwalter Frank Kebekus zeigte sich gestern im Gespräch mit unserer Zeitung „verwundert“ über den Abbruch der Gespräche. Aus seiner Sicht gebe es derzeit keine andere Option, als sich Gedanken über die Zukunft der Beschäftigten nach dem 30. Juni 2016 zu machen. Schließlich gebe es derzeit nur eine Vereinbarung zwischen ihm und Weltbild, die die Fortführung der Logistik bis zu diesem Datum vorsieht. In dieser Zeit springt Weltbild für die Verluste in der Logistik ein, um überhaupt einen Dienstleister für den Versand zu haben. „Weltbild zahlt nur bis zum 30. Juni für die Logistik“, beschreibt Kebekus die Lage.
Und eine andere Perspektive gebe es aktuell nicht, sagt Kebekus. „Die Re-Integration der Logistik in das eigene Unternehmen will Weltbild derzeit nicht – und wir haben keinen anderen Interessenten.“ Rund 80 mögliche Investoren für die Logistik habe sein Team angesprochen. „Das fatale Ergebnis: null“, sagt Kebekus, dessen Kanzlei in Düsseldorf sitzt. Als Hauptproblem der Logistik gilt die geringe Auslastung. Das Logistikzentrum sei zu groß, es gebe zu viel Personal. Die Anlage habe eine Kapazität von rund 100 Millionen Stück pro Jahr, derzeit fallen durch Weltbild aber weniger als 20 Millionen an.
Jetzt müsse man realistisch sein und eine Lösung für die Beschäftigten nach der Entlassung finden, argumentiert der Insolvenzverwalter. Für eine Transfergesellschaft könnten 4,5 Millionen Euro aus den Geldern zur Verfügung stehen, die die Kirche 2014 für Weltbild bereitgestellt hat. Auch die Also-Muttergesellschaft könnte sich beteiligen. Mit am Ende 6,5 bis 7 Millionen Euro könnte eine Beschäftigungsgesellschaft für acht bis neun Monate aufgestellt werden. Nötig sei aber eine Einigung mit den Betriebsräten unter anderem über einen Sozialplan. Doch danach sieht es im Moment nicht aus.
Das Unternehmen Weltbild
Zahlen und Fakten zur Augsburger Weltbild-Gruppe:
Weltbild beschäftigte einst insgesamt rund 6800 Mitarbeiter, davon 2200 am Standort Augsburg.
Weltbild gehörte den zwölf katholischen Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.
Weltbild startete 1948 als Winfried-Werk in Augsburg. Der Verlag gab katholische Zeitschriften heraus. Als zusätzlichen Service gab es einen Bücherdienst.
In den 1980er Jahren blühte das Unternehmen auf, es kaufte Verlage und Zeitschriften dazu. 1994 eröffnete man die ersten Filialen.
Seit 1997 gibt es den Onlinehandel. Während das Buchgeschäft floriert, kränkelte das Zeitschriftengeschäft. 2008 stieß Weltbild den kompletten Bereich ab.
Unter dem Dach der Holding DBH waren die Buchhandlungen Hugendubel, Weltbild und Jokers gebündelt. Zum Konzern gehörten auch die Vertriebsmarken Weltbild, Jokers, Kidoh und buecher.de.
2012 verkündete die Verlagsgruppe 1,59 Milliarden Euro Umsatz.
In den vergangenen Jahren geriet das Unternehmen unter Druck - die Konkurrenz von Amazon und anderen machte Weltbild zu schaffen.
Im Januar 2014 meldete Weltbild Insolvenz an.
In den folgenden Monaten bekamen hunderte Beschäftigte die Kündigung ausgesprochen.
Im Mai kündigte Investor Paragon an, Weltbild zu übernehmen.
Wenig später stieg Paragon wieder aus. Anfang August übernahm dann die Beratungs- und Investmentgruppe Droege die Mehrheit an Weltbild.
Der Online-Medienhändler bücher.de gehört ab August 2014 vollständig zur Weltbild-Gruppe.
September 2014: Nach der Mehrheitsübernahme durch den Düsseldorfer Investor Droege gibt es eine neue Geschäftsführung: Gerd Robertz, Patrick Hofmann und Sikko Böhm.
Nach nur sieben Wochen tritt Gerd Robertz ab und widmet sich wieder nur dem Onlinegeschäft bücher.de.
Im November kündigt die Geschäftsführung von Weltbild an, in der Verwaltung rund 200 Arbeitsplätze zu streichen.
2015: Weltbild verkauft 67 Filialen an die kleine Kette "Lesenswert".
Juli 2015: Rund ein halbes Jahr nach der Übernahme der 67 Filialen ist der Käufer pleite.
Juli 2015: Knapp ein Jahr nach der Übernahme des Weltbild-Konzerns durch den Düsseldorfer Investor Droege muss der Logistikbereich von Weltbild erneut Insolvenz anmelden.
Denn ein Aus für die rund 500 Beschäftigten wollen Betriebsrat und Gewerkschaft nicht hinnehmen. „Wir lassen uns nicht erpressen“, sagte Betriebsrat Timm Boßmann kürzlich. Und kann man sich Weltbild ohne eine Logistik vor Ort überhaupt vorstellen?
Bei Weltbild selbst berichtet die Geschäftsführung, „eine leistungsfähige Logistik mit wettbewerbsfähigen Preisen“ sei „absolut zentral“ für Weltbild als zweitgrößtem Onlinehändler im Buchgeschäft. Deshalb habe man das Logistikzentrum in Lechhausen gestützt – um den Versand für das Weihnachtsgeschäft und die Zeit darüber hinaus zu sichern. Doch die Geschäftsführer schließen nicht aus, dass irgendwann ein Drittanbieter an einem anderen Standort zum Zuge kommt: „Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation schauen wir uns nach Alternativen um.“
Handelsexperten halten dagegen, dass ein großer Händler ohne eigenen Versand unvorstellbar sei. „Weltbild mit einem Logistikzentrum in Grenznähe zu Tschechien – das funktioniert nicht“, lautet ein Argument. Findet sich also noch eine Lösung?
Auch wenn die Beschäftigten ihre Arbeit verlieren sollten, bleibt das Gebäude und die Versandtechnik in Lechhausen. Was passiert damit? Während die rund 500 Versandmitarbeiter zur insolventen „Also Logistics Services GmbH“ gehören, ist das Logistikzentrum selbst im Besitz der separaten „Also Mobility Services GmbH“. Diese ist nicht insolvent.
Sowohl Weltbild als auch „Also“ gehören übrigens zum Konzern von Weltbild-Investor Walter Droege aus Düsseldorf.