Dass fast 600 Mitarbeiter am Hauptsitz von Weltbild in Augsburg gehen mussten, hat das Unternehmen vor kurzer Zeit wie ein Schock getroffen. In den nächsten Tagen wird aber der nächste herbe Einschnitt erwartet: Dann muss entschieden werden, wieviele der derzeit noch rund 220 Weltbild-Plus-Filialen mit ihren rund 1400 Beschäftigten geschlossen werden sollen.
Ende April läuft für Weltbild-Plus das Insolvenzgeld aus. Dann muss ein Sanierungsplan stehen. Im Drama um den insolventen Augsburger Weltbild-Konzern zeichnet sich dabei aber eine positive Wendung ab. Nach Informationen der Augsburger Allgemeinen sind nicht so viele Filialen von der Schließung bedroht, wie ursprünglich befürchtet wurde.
Demnach würden weniger als die in den vergangenen Wochen immer wieder von Insidern genannten rund 100 Buchläden geschlossen. Wie unserer Zeitung aus Unternehmenskreisen erfuhr, ist die Zahl der bedrohten Filialen auf alle Fälle nur zweistellig und liegt deutlich unter 100. Ein optimistischer Gewährsmann glaubt gar: „Nur rund 50 unrentable Filialen sollen dichtgemacht werden.“ Das würde heißen, dass Gewerkschaft und Betriebsrat gut verhandelt hätten.
Neue Spekulationen über Investor für Weltbild
Neue Spekulationen gibt es auch darüber, wer als Investor für den Weltbild-Konzern in Frage kommt. Bekannt ist bereits, dass der 81-jährige österreichische Investor Josef Taus und seine MTH-Gruppe (Mäc Geiz, Libro) Interesse an Weltbild hatte. Bei Weltbild selbst wird auf den Fluren in letzter Zeit auch über den Einstieg eines Finanzinvestors spekuliert.
Der Niedergang von Weltbild
Mit Pornoliteratur fing vor knapp zweieinhalb Jahren der Niedergang des Weltbild-Verlages an.
Dass ausgerechnet ein von der katholischen Kirche getragenes Medienunternehmen Geld mit Erotikangeboten oder Esoterikbüchern macht, sorgte für Schlagzeilen und stürzte die Augsburger Verlagsgruppe in die Krise.
Seitdem hat sich Weltbild nicht mehr erholt. Der Insolvenzantrag ist der vorläufige traurige Höhepunkt der Entwicklung bei dem Konzern mit mehr als 6000 Beschäftigten und etwa eineinhalb Milliarden Euro Umsatz.
Als im Oktober 2011 das Erotikangebot bei Weltbild bekannt wurde, trat zunächst der von der Kirche entsandte Aufsichtsratsvorsitzende zurück. Dann preschte der Kölner Kardinal Joachim Meisner vor und verlangte eine Trennung von Weltbild.
Seitdem wurde breit darüber diskutiert, wie sich die Diözesen von Weltbild trennen können. Eine Stiftung war im Gespräch, eine Lösung gab es nicht. Die Beschäftigten appellierten dabei immer wieder an die soziale Verantwortung der Bischöfe.
Doch nicht nur der Wirbel um Buchtitel wie "Zur Sünde verführt" oder "Das neue Kamasutra" setzte dem Unternehmen zu. Im Wettbewerb mit Online-Gigant Amazon hatten es die Augsburger zunehmend schwer mit ihrem eher klassischen Katalog-Versandhandel.
Seinen stationären Buchhandel hatte Weltbild im Jahr 2007 mit der Familie Hugendubel zusammengelegt. Das damals gegründete Gemeinschaftsunternehmen betreibt seitdem die Filialen unter etlichen Markennamen wie "Hugendubel", "Weltbild plus", "Jokers" sowie die Karstadt-Buchabteilungen.
Dass die angeschlagene Verlagsgruppe zuletzt ihre zweiköpfige Geschäftsführung extra um den Sanierungsexperten Josef Schultheis erweiterte, konnte Weltbild nicht mehr retten. Er sollte den Umbau des Hauses in Richtung digitalem Handel beschleunigen.
Möglicherweise kam dieser Schritt zu spät: Obwohl Weltbild im Weihnachtsgeschäft sogar etwas über dem Plan lag, musste das Unternehmen im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (30. Juni) Einbußen bei Umsatz und Ergebnis verbuchen.
"Das auch für die nächsten drei Jahre erwartete geringere Umsatzniveau verdoppelt den Finanzierungsbedarf bis zur Sanierung", begründete das Unternehmen den Insolvenzantrag.
Die Gewerkschaft Verdi warf der Kirche umgehend vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen.
Erst im Oktober wurde bekannt, dass Weltbild in Augsburg ihren Kundendienst auslagern will - 140 Mitarbeiter sind davon betroffen. Doch weitere konkrete Zahlen und detaillierte Planungen zur Sanierung waren seit jeher von Weltbild kaum zu erfahren. Denn was Transparenz anging, operierte das Unternehmen ähnlich verschwiegen wie der große Konkurrent Amazon.
Auch über einen Interessenten aus der skandinavischen Verlagsbranche gab es Gerüchte. Die schwedische Bonnier-Gruppe führt nach Informationen unserer Zeitung derzeit allerdings keine Gespräche, wie eine Sprecherin unserer Zeitung sagte.