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Konjunktur: Die totgeschwiegene Krise

Konjunktur

Die totgeschwiegene Krise

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    Er glaubt, dass die Bundesregierung die Krise totschweigt: Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn.
    Er glaubt, dass die Bundesregierung die Krise totschweigt: Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn. Foto: dpa

    Eine „sozialistische Marktwirtschaft“, genau das sei es, wohin Europa steuere, warnte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, gestern in Augsburg. Auf einer Bildmontage seiner Präsentation drückte er Europas Entscheidungsträgern gleich eine kommunistische Flagge mit Hammer und Sichel in die Hand. Sinn räumte später ein, dass er Polemik betreibe. Diese ist seiner Ansicht nach aber nötig, um zu erkennen, dass die Euro-Krise längst nicht gelöst ist. Und dass

    Hans-Werner Sinn befürchtet Enteignung der Sparer

    Dabei startete das 39. Augsburger Konjunkturgespräch im Gebäude der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK) noch sehr optimistisch: Die Unternehmer der Region haben gute Erwartungen an die Konjunktur der kommenden Monate, machte IHK-Präsident Andreas Kopton vor rund 250 Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik deutlich: „Wir sind auf einem hohen Plateau. Das heißt nicht, dass es weiter ansteigt, aber es heißt auch nicht, dass wir runterfallen.“

    Kopton kritisierte allein das Verhalten der Politik im Hinblick auf die näher rückende Bundestags- und Landtagswahl. Der Wahlkampf beschere ein „kaum nachvollziehbares Ränkespiel“, sagte er. Ein Problem für die heimische Region seien auch die Bedenken gegen das Bauprojekt Stuttgart 21. Kopton sprach gar von einem „Guerillakrieg“ gegen die Infrastruktur. „Das tut uns weh“, fügte er an.

    Doch spätestens Hans-Werner Sinn machte deutlich, dass Risiken noch an ganz anderer Stelle lauern: Sinn hatte kürzlich mit seinem Buch „Die Target-Falle“ die Euro-Krisenpolitik scharf kritisiert. Das Kernproblem sei, sagte Sinn, dass die Länder in Südeuropa nicht wettbewerbsfähig sind. Griechenland sei noch immer 61 Prozent teurer als die Türkei, Portugal 43 Prozent. Die Ankündigung von Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, aus dem letzten Jahr, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenstaaten zu kaufen, habe zwar die Finanzmärkte beruhigt, nicht jedoch die realwirtschaftlichen Probleme gelöst. „Die EZB hat sich eine Lösung mit der Druckerpresse erlaubt“, erklärte Sinn. Die Sparer dagegen würden durch die Politik des billigen Geldes enteignet.

    Sinn: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das Geld wiederbekommen"

    Sinn stellte – wie in seinem Buch – zudem das Problem heraus, dass ein großer Teil der deutschen Exportüberschüsse am Ende in den Büchern der Bundesbank als Forderungen gegenüber den Krisenländern auftauchen. Diese sogenannten Target-Kredite summierten sich auf hunderte Milliarden Euro. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir dieses Geld vollständig wiederbekommen“, sagte er. „Und die Bundesregierung schweigt das tot.“

    Der Forscher plädierte dafür, die „Spirale“ immer neuer Rettungsaktionen für den Euro zu unterbrechen. Bisher gebe es bereits die Stützungen der EZB, dann kamen die Rettungsschirme, jetzt werde eine Bankenunion geplant. „Der nächste Schritt werden Eurobonds sein“, warnte Sinn. „Wir kommen schleichend in ein neues Regime hinein!“, sagte er.

    Der Weg zu den "Vereinigten Staaten von Europa"

    Um den Teufelskreis der Geldschwemme zu durchbrechen, forderte Sinn den zeitweisen Austritt der Krisenländer aus dem Euro. „Im Euro-Raum hat die griechische Bevölkerung keine Perspektive; das ist eine Katastrophe.“ Doch während sich dem Zuhörer der Eindruck aufdrängte, Deutschland befinde sich angesichts seiner guten konjunkturellen Daten bloß im Auge eines Wirbelsturms, kam Sinn zu einem überraschenden Schluss: Langfristig, sagte er, müsse trotz allem der Weg hinführen zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ – mit einer europäischen Regierung und einem demokratischen Parlament.

    Ein Umdenken bei den Banken mahnte dagegen der Bankenexperte Thomas Gehrig an. Er ist Professor an der Universität Wien. „Die Eigenkapitalrendite ist als Führungsinstrument unbrauchbar!“, sagte er. Damit hätte Gehrig weniger europäische Spitzenpolitiker geärgert, stattdessen aber Personen wie Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der einmal für sein Institut eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent gefordert hatte.

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