In den 60er Jahren, da wurde der Großteil der Tiere in kleinen Herden und auf kleinen Höfen gehalten. Dieses idyllische Bild zeichnen Umwelt- und Naturschützer gerne. Die Tiere bekamen selbst gemähtes Heu, der Bauer trieb sie auf die Weide. Heute stünden sie „eher in Fabriken als in Bauernhöfen“ und liefern „riesige Mengen Fleisch für die globale Mittel- und Oberschicht“. Im „Fleischatlas 2014“ haben der Bund für Umwelt- und Naturschutz in Deutschland, kurz BUND, die Heinrich-Böll-Stiftung und die Zeitung Le Monde diplomatique neue Fakten zur globalen Fleischproduktion vorgelegt.
Verbände warnen vor Folgen für Mensch und Natur
Die Verbände warnen dabei vor den Folgen des Fleischkonsums für Mensch und Natur. 70 Prozent aller Agrarflächen der Erde würden inzwischen für die Tierfütterung beansprucht, Böden und Gewässer mit Pestiziden belastet, hieß es. Barbara Unmüßig, Chefin der Heinrich-Böll-Stiftung, kritisiert die Industrialisierung der Fleischerzeugung. „Moderne Schlachtanlagen in Europa und den USA nehmen immer absurdere Dimensionen an“, sagte sie. „Während wir hierzulande 735 Millionen Tiere pro Jahr töten, schlachtet allein die US-Gesellschaft Tyson Foods mehr als 42 Millionen Tiere pro Woche. Dahinter kann kein gesundes Agrarsystem stehen.“
Bei der Schweineschlachtung steht Deutschland europaweit auf Platz eins
Der Hunger auf Fleisch steigt vor allem in Asien, heißt es in der Studie. Bis Mitte des Jahrhunderts würden weltweit jährlich fast 470 Millionen Tonnen Fleisch produziert – ein Drittel mehr als heute. Deutschland stehe bei der Schweineschlachtung mit über 58 Millionen getöteten Tieren pro Jahr auf Platz eins der europäischen Produzenten, beim Rindfleisch auf Platz zwei hinter Frankreich. Im ersten Halbjahr 2013 hat Deutschland laut Statistischem Bundesamt Ernährungsgüter im Wert von 31,6 Milliarden Euro ins Ausland verkauft, 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr.
Deutschland ist "Exportland für Billigfleisch"
Deutschland habe sich zum „Exportland für Billigfleisch“ entwickelt, schreibt auch Professor Bernhard Hörning im „Kritischen Agrarbericht 2014“, der kommenden Donnerstag auf der Branchenmesse, der Grünen Woche, vorgestellt wird. Die Tierbestände wachsen, die Transportwege nehmen zu. „Die Intensivierung der Tierhaltung geht – jedenfalls im Schnitt betrachtet – auf Kosten von Tierwohl und Tiergesundheit“, schreibt Hörning. Auf Höfen mit weniger als 50 Schweinen leben 64 Prozent auf Stroheinstreu, bei Betrieben über 5000 Schweinen seien es nur noch ein Prozent. Milchkühe geben immer mehr Leistung. Macht dies die Kühe krank? „Nicht zwangsläufig, aber es belastet die Tiere sicherlich“, schreibt Hörning. „Tiere können auch bei einem hohen Leistungsniveau gesund erhalten bleiben – dies aber erfordert einen höheren Managementaufwand, der oft den Zusatz von Hilfsmitteln beinhaltet, zum Beispiel Futterzusätze oder Fruchtbarkeitshormone.“ Das hohe Krankheitsniveau in der Praxis zeige jedoch, dass es dem durchschnittlichen Betrieb offensichtlich nicht mehr gelingt, die Tiere gesund zu halten.
Nicht die Stallgröße ist ausschlaggebend, sondern die Futterqualität
Der Bauernverband wies die Kritik auf Nachfrage unserer Zeitung zurück. Süddeutschland sei im Bundesschnitt in der Landwirtschaft kleinstrukturiert. Die Höfe würden allerdings größer, sagt Isabella Timm-Guri, Direktorin des Fachbereichs Erzeugung und Vermarktung beim Bayerischen Bauernverband. „Es besteht aber kein Zusammenhang zwischen der Größe der Betriebe und wie es dem Tier geht“, betont sie. Nicht die Größe sei ausschlaggebend, sondern die Futterqualität und ein gutes Umfeld für die Tiere. Moderne Ställe böten außerdem mehr Platz, Licht und ein besseres Klima.