Ein Deutscher wechselt überraschend an die Spitze des Blackberry-Herstellers Research in Motion (RIM). Der bisher fürs Tagesgeschäft verantwortliche Thorsten Heins übernimmt mit sofortiger Wirkung die Führung in dem Unternehmen und löst das zuletzt viel kritisierte Führungsduo Mike Lazaridis und Jim Balsillie ab, wie das Unternehmen am Sonntag am Sitz im kanadischen Waterloo mitteilte.
Damit endet eine Ära: Lazaridis und Balsillie hatten nicht nur RIM groß gemacht, sie hatten auch maßgeblichen Anteil daran, dass das Smartphone als solches populär geworden ist. Die E-Mail-Maschine Blackberry wurde zum Statussymbol der Manager weltweit. Mit dem Siegeszug von Apples iPhone und später der Android-Smartphones sank der Stern jedoch.
Gewinnrückgang von über 70 Prozent
Die Marktanteile schrumpfen, vor allem in den USA, auf zuletzt nur noch gut 16 Prozent. Mit einem massiven Gewinnrückgang im vergangenen Quartal von über 70 Prozent begab sich auch der Aktienkurs auf Talfahrt. Deshalb pochten einflussreiche RIM-Aktionäre seit Monaten auf Veränderungen in der Führungsetage. "Wir haben aus den Herausforderungen gelernt", sagte Heins. Der 54-Jährige hat sein Handwerk in der früheren Kommunikationssparte von Siemens gelernt, bevor er 2007 zu RIM wechselte. Für Furore sorgte RIM zuletzt mit einem Netzwerkausfall, der in Europa bis zu drei Tage dauerte.
"Es gibt eine Zeit in der Entwicklung eines jeden Unternehmens, wo die Gründer die Notwendigkeit erkennen müssen, den Stab an eine neue Führung weiterzureichen", sagte Mitgründer Lazaridis. Er zieht sich auf den Posten des stellvertretenden Verwaltungsratschefs zurück. Balsillie, der später zu RIM dazugestoßen war, wird einfaches Mitglied des Kontrollgremiums.
Trend zu berührungsempfindlichen Bildschirmen verschlafen
Viele Investoren schoben Balsillie und Lazaridis persönlich die Verantwortung für die Pechsträhne zu. Die beiden fungierten gleichzeitig als Konzernchefs und waren als Vorsitzende des Verwaltungsrats ihre eigenen Kontrolleure. Großinvestoren forderten eine Trennung der Posten. Dass das Duo gleich ganz zurücktritt, kam allerdings unerwartet. Tatsächlich werden die Posten nun aber getrennt: Auf dem Stuhl des Verwaltungsratsvorsitzen sitzt fortan die Bankmanagerin Barbara Stymiest.
Die RIM-Spitze hatte den Trend hin zu berührungsempfindlichen Bildschirmen verschlafen; zudem stecken die Blackberrys in Sachen Multimedia gegenüber dem iPhone und den Android-Smartphones zurück. Zuletzt war der Umsatz um sechs Prozent zurückgegangen. Das erste Tablet Playbook wurde zum Ladenhüter und riss ein Loch von mehreren hundert Millionen Dollar in die Bilanz. Die Einführung eines neuen Betriebssystems, das die Geräte attraktiver machen soll, verzögert sich weiter. (dpa/AZ)