Die deutsche Wirtschaft stemmt sich weiter gegen die Euro-Schuldenkrise. Ihr geht jedoch selbst der Schwung aus. Nach dem starken Jahresauftakt drosselte Europas Konjunkturlokomotive im zweiten Quartal das Tempo. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg gegenüber dem Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte. Zu Jahresbeginn hatte die Wirtschaft noch um 0,5 Prozent zugelegt.
In der Eurozone ist die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal geschrumpft. Nach einer Stagnation in den ersten drei Monaten 2012 sackte das Bruttoinlandsprodukt in den 17 Ländern mit der Gemeinschaftswährung um 0,2 Prozent ab. Das teilte die europäische Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg mit.
Konjunktur etwas besser als erwartet
Das zweite Quartal fiel allerdings etwas besser aus als von Ökonomen erwartet. Sie hatten mit einem Plus von 0,2 Prozent gerechnet. Noch skeptischer sind sie für das laufende Quartal.
Positive Impulse kamen von April bis Juni vom Außenhandel und vom Konsum. Nach vorläufigen Berechnungen stiegen die Exporte stärker als die Importe. Vor allem in Ländern außerhalb der Euro-Zone liefen die Geschäfte deutscher Exportunternehmen weiter rund.
Unternehmen scheuen Investitionen
Die Europäische Zentralbank
Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt ist die Notenbank für die gemeinsame europäische Währung, den Euro.
Sie soll vor allem Preisstabilität im gemeinsamen Währungsgebiet der 17 Eurostaaten wahren.
Zudem soll sie auch die Wirtschaftspolitik unterstützen, soweit das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird.
Um die Inflation im Zaum zu halten, legt die EZB Leitzinsen fest. Über die Zinsen entscheidet der Zentralbankrat.
Ihm gehören neben den sechs Direktoriumsmitgliedern der EZB auch die Präsidenten der 17 nationalen Zentralbanken an.
EZB-Präsident ist seit November 2011 der Italiener Mario Draghi. dpa
Auch der Binnenkonsum lag über dem Niveau des Vorquartals. "Der starke deutsche Arbeitsmarkt in Verbindung mit niedrigeren Inflationsraten stützt den Binnenkonsum", erklärte Christian Schulz, Volkswirt bei der Berenberg-Bank. Die deutschen Unternehmen hielten sich wegen der Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Staatsschuldenkrise dagegen mit Investitionen zurück.
Im Vergleich zum zweiten Quartal 2011 legte das BIP in Deutschland unter Berücksichtigung der Inflation um 0,5 Prozent zu. Allerdings gab es in diesem Jahr einen Arbeitstag weniger: Ohne diesen Effekt lag der Zuwachs bei 1,0 Prozent.
Deutschland steht damit deutlich besser da als viele andere Länder der Euro-Zone. Unicredit-Chefvolkswirt Andreas Rees sprach von einer eindrucksvollen Entwicklung. Erneut sei es der deutschen Wirtschaft gelungen, sich von dem negativen Trend in der Eurozone abzukoppeln und besser abzuschneiden als andere Ländern im gemeinsamen Währungsraum.
Frankreich steckt in der Stagnation
So ist die zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft Frankreich im dritten Quartal in Folge nicht gewachsen. Das Statistikamt Insee registrierte auch für die Monate April bis Juni eine Stagnation im Vergleich zum Vorquartal. Bereits im Schlussquartal 2011 sowie im ersten Quartal war die Wirtschaft nicht gewachsen. Am Mittag wollten die EU-Statistiker in Brüssel die Daten zum gesamten Euroraum vorlegen.
Auswirkungen der Krise erwarten Ökonomen in den nächsten Monaten auch in Deutschland . Die Commerzbank rechnet damit, dass die Wirtschaft im dritten Quartal um 0,1 Prozent schrumpfen wird. "Die eigentlich wettbewerbsstarke deutsche Wirtschaft leidet unter den von der Staatsschuldenkrise ausgehenden Unsicherheiten und dem geringen Wachstum der Weltwirtschaft", erklärte Chefvolkswirt Jörg Krämer. Sein Kollege Schulz erwartet, dass die Wirtschaft von Juli bis September stagniert, bevor es zum Jahresende wieder aufwärts gehen soll. dpa/AZ