Nach wochenlangen Protesten von Bürgern und Kommunen hat EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier gestern seine umstrittenen Pläne zur Privatisierung der kommunalen Trinkwasserversorgung nachgebessert. Ausdrücklich soll im EU-Gesetz vermerkt werden, dass „Wasser ein öffentliches Gut“ und die Privatisierung der Versorgung nicht das Ziel ist. Allerdings will Barnier die öffentliche Trinkwasser-Versorgung nicht aus der umstrittenen Richtlinie zur Vergabe von Konzessionen komplett heraustrennen.
Deutsche Stadtwerke kommen glimpflich davon
Die deutschen Bedenken gegen die EU-weite Ausschreibung von Konzessionen sollen berücksichtigt werden. Bei sogenannten Mehrsparten-Unternehmen soll die Wasserversorgung getrennt beurteilt werden. Der kleine Eingriff hat eine große Wirkung: Bisher sollten teilprivatisierte Stadtwerke, die mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes außerhalb der eigenen Kommune erbringen, Dienstleistungen für Bewerber aus allen EU-Mitgliedstaaten ausschreiben müssen. Nun wären nur noch solche kommunalen Unternehmen betroffen, die mehr als ein Fünftel ihrer Wasser-Sparte außerhalb des Kerngebietes betreiben.
In Brüssel hieß es gestern dazu, dies sei „ein Bestandsschutz für deutsche Stadtwerke“, für die sich somit nichts ändern würde. Die Korrektur hat nämlich gravierende Auswirkungen: Stadtwerke dürfen als Verkehrsbetriebe oder Energieversorger außerhalb der eigenen Grenzen tätig sein. Wenn sie die Trinkwasser-Versorgung aber auf das Stadtgebiet begrenzen, sind weder eine EU-weite Ausschreibung noch eine Abtrennung der Wasser-Sparte nötig. Außerdem sollen bestehende Konzessionen von der Gültigkeit der Richtlinie ausgenommen werden. Hundertprozentige städtische Tochterunternehmen sowie regionale Zweckverbände werden ebenfalls verschont.
Brüssel greif Einwände von Kommunen und Bürgern auf
Damit hat Brüssel nahezu alle Einwände von Kommunen und Bürgern aufgegriffen. „Das ist ein sehr guter Vorschlag“, sagte CDU-Europa-Politiker Andreas Schwab. In den folgenden Verhandlungen zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission müsse man nun darauf achten, dass kein Bürokratie-Monster durch die „Spartentrennung“ entstehe.
Wäre der bisherige Vorschlag umgesetzt worden, hätten überregional tätige und teilprivatisierte Stadtwerke die Ausschreibungspflicht nur dann umgehen können, wenn sie die öffentliche Wasserversorgung in einen eigenen Betrieb überführt hätten.
EU-weite Ausschreibungen für Rettungsdienste
„Wir haben damit klargestellt, dass Trinkwasser eine besondere Rolle spielt“, sagte ein Mitarbeiter Barniers unserer Zeitung. „Die neue Richtlinie wurde auf die deutschen Gegebenheiten abgestimmt.“ Die SPD-Europa-Abgeordnete Evelyne Gebhardt rügte jedoch den Versuch, „ein Vorhaben von solcher Tragweite im Hauruck-Verfahren durchzupeitschen“. Das Wasser solle vollständig aus der Konzessionsrichtlinie genommen werden.
Diese bietet weitere Streitpunkte: Neben dem Wasser drohte auch bei den Rettungsdiensten eine weitgehende Privatisierung. Und die sind in der neuen Fassung nach wie vor als ein Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge genannt, für den eine EU-weite Ausschreibung nötig ist.