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Kuka: Augsburg wird seine "Heuschrecke" vermissen

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Augsburg wird seine "Heuschrecke" vermissen

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    Großaktionär Guy Wyser-Pratte (links) mit Kuka-Vorstandsvorsitzender Till Reuter 2010 auf einer Messe in München.
    Großaktionär Guy Wyser-Pratte (links) mit Kuka-Vorstandsvorsitzender Till Reuter 2010 auf einer Messe in München. Foto: Fred Schöllhorn /Archiv

    Der Zwei-Meter-Mann lächelt gönnerhaft vom Podium herab. Mit Wohlwollen betrachtet Guy Wyser-Pratte die Aktionäre der Augsburger Kuka AG, als wären sie Teil der Großfamilie des Patriarchen. Viele Anteilseigner erwidern die ihnen zugedachten Freundlichkeiten mit ebenso von Zuneigung durchdrungenen Blicken. Es ist ein besonderer Tag für den Amerikaner, der 2003 bei dem Unternehmen in rein kriegerischer und gewinnmaximierender Absicht eingestiegen war und sich auf wundersame Weise zum immer friedvolleren Kuka-Fan gewandelt hatte. Was für eine kapitalistische Metamorphose: Aus einer „Heuschrecke“, wie der frühere SPD-Chef Franz Müntefering solche auf schnelle Rendite bedachten Investoren gegeißelt hatte, wurde eine Stütze des Roboterbauers.

    Doch mit dem gestrigen Mittwoch ist Guy Wyser-Pratte aus dem Aufsichtsrat des Konzerns ausgeschieden. Es blieb zuletzt offen, ob er noch Aktien des Unternehmens besitzt. Sollte Wyser-Pratte nach wie vor an der Kuka AG beteiligt sein, hält der Anlage-Profi weniger als drei Prozent. Ab diesem Wert müssen Beteiligungen gemeldet werden. Einst besaß der heute 74-Jährige mit dem wellig zurückgekämmten grauen Haar lange knapp zehn Prozent an dem Konzern. Das reichte aus, um das Management massiv zu ärgern. Auf alle Fälle ist es ihm nicht zu verdenken, dass er Kasse gemacht hat. Die Kuka-Aktie gilt als Superstar im deutschen Börsengeschehen. Von gut 16 Euro im Herbst 2013 ist der Wert auf zuletzt etwa 74 Euro gestiegen – und trotzdem haben etwa die Analysten der Schweizer Bank UBS das Kursziel auf 80 Euro angehoben.

    Es muss wirklich Liebe sein, was Wyser-Pratte mit den Augsburgern verbindet

    Wyser-Pratte sieht seine Kuka-Mission allerdings als erfüllt an und ruft den Aktionären auf Deutsch zu: „Guten Morgen, grüß Gott!“ Wie die Vorstände trägt er eine Krawatte in Kuka-Orange und ergänzt den Mannesschmuck um ein Einstecktuch in der gleichen Signalfarbe. Es muss wirklich Liebe sein, was ihn mit den Augsburgern verbindet, hat der Mann doch das Pferd seiner Frau „Kuka“ getauft. Nun setzt er seine Abschiedsrede in Englisch fort und sagt wie ein Cowboy: „Das war ein langer Ritt für mich.“ Dazu lächelt der Investor süffisant, denn er hat gegen die Gesetze seiner Finanz-Heuschrecken-Zunft verstoßen, in dem er Kuka so lange treu blieb.

    Branchenkonform wäre es gewesen, schon nach zwei, drei Jahren auszusteigen, wenn der Börsenkurs nach allerlei von ihm als Großanteilseigner erzeugten Drucks zugelegt hätte. So läuft das Geschäft der Firmen-Jäger: Sie suchen sich Opfer wie das Vorgänger-Unternehmen der Kuka AG, die Karlsruher IWKA AG, aus, um die Manager dieser margenschwachen Gemischtwarenläden mit vielen Geschäftssparten zum Umdenken zu bewegen. Nach dem Einstieg bei der IWKA AG sorgte Wyser-Pratte für entsprechende Unruhe und forderte die Konzentration des Unternehmens auf die in Augsburg sitzenden Geschäftsbereiche, den Roboter- und Anlagenbau. Als er das erreicht hatte und diverse Führungsfiguren den Konzern verlassen mussten, stieg der frühere Offizier des U. S. Marine Corps nicht aus, sondern blieb an Bord, kam regelmäßig nach Augsburg und hatte sich in die Firma samt deren Technologie verknallt. In der Friedensstadt wurde die „Heuschrecke“ zum väterlichen Freund der Kukaner, wie sich die Mitarbeiter nennen.

    Kapitalismus kann so heimelig-friedlich sein

    Dabei hatte Wyser-Pratte bei Aktionärstreffen anderer Unternehmen Vorständen schon mal gedroht: „Wacht auf und riecht das Napalm!“ Darauf verzichtete er in Augsburg, so dass Michael Leppek, stellvertretender Aufsichtsrats-Chef der Kuka AG und Gewerkschafter der IG Metall, dem Amerikaner eingestanden hat: „Sie sind die süßeste Heuschrecke, die ich je getroffen habe.“ Auch die Kuka-Manager lassen ihre „Heuschrecke“ spüren, wie gern sie sie haben: „Lieber Guy“, sagt Aufsichtsrats-Vorsitzender Bernd Minning. Auch Kuka-Chef Till Reuter, den die Anteilseigner nach einem weiteren Rekordjahr feiern, kümmert sich rührend um den Mann, der frühere Manager des Konzerns in Angst und Schrecken versetzt hat. „Auf Wiedersehen“, ruft Wyser-Pratte auf Deutsch.

    Kapitalismus kann so heimelig-friedlich sein, zumindest in diesem besonderen Augsburger Fall.

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