Die Kassiererin schaut fragend drein. „7,92 Euro. Sie haben es nicht zufällig passend?“ Ein Blick in das Portemonnaie. Während es an manchen Tagen vor Kleingeld überquillt, ist heute Fehlanzeige. Die Angestellte bringt das in Nöte. Auf die Schnelle muss sie noch eine Münzrolle besorgen. Erst dann kann sie acht Cent Wechselgeld herausgeben. Eine Szene, wie sie an deutschen Kassen jeden Tag vorkommt. Eine, die nach Meinung der EU-Kommission gar nicht vorkommen müsste. Sie möchte die Ein- und Zwei-Cent-Stücke am liebsten abschaffen und prüft derzeit, auf welchem Weg das möglich ist. Nicht nur, weil die Suche nach dem Kleingeld manchmal lästig ist, sondern weil dessen Produktion ein Verlustgeschäft sei.
Die Geschäfte geben mehr Münzen aus, als sie bekommen
Kupfer, woraus die Ein- und Zwei-Cent-Stücke hergestellt werden, hat sich enorm verteuert. Längst kostet die Produktion der Münzen mehr, als diese wert sind. Die EU-Kommission belegt das mit Zahlen: 46 Milliarden der Ein- und Zwei-Cent-Münzen wurden seit Einführung des Euro-Bargelds 2002 ausgegeben. Stellt man Nennwert und Produktions- sowie Ausgabekosten gegenüber, macht das geschätzt ein Minus von 1,4 Milliarden Euro.
Der Weg vom nationalen Geld zur gemeinsamen Währung in Europa
Seit 2002 ist der Euro offizielles Zahlungsmittel. In Deutschland hatte der Euro vom Start weg bei den Menschen einen schwierigen Stand, rasch machte das Wort «Teuro» die Runde. Die wichtigsten Etappen auf dem bisherigen Weg zum Euro als EU-Gemeinschaftswährung:
1. Juli 1987: Das Ziel Währungsunion wird im EG-Vertrag verankert.
7. Februar 1992: Unterzeichnung des EU-Vertrages von Maastricht, der die Währungsunion bis 1999 vorsieht und Beitrittskriterien festlegt.
1. November 1993: Ratifizierung des Maastricht-Vertrages. Aus den Europäischen Gemeinschaften (EG) wird die Europäische Union (EU).
Dezember 1995: Als Einheiten der neuen Währung werden Euro und Cent festgelegt.
16./17. Juni 1997: Verabschiedung des Stabilitäts- und Wachstumspakts in Amsterdam. Einigung auf die «europäische Seite» für die Münzen.
25. März 1998: Die EU-Kommission und das Europäische Währungsinstitut (EWI), Vorläufer der Europäischen Zentralbank (EZB) empfehlen elf Länder für den Start der Währungsunion. Außen vor bleiben aus freien Stücken Großbritannien, Dänemark, Schweden sowie Griechenland, das die Kriterien noch nicht erfüllt.
1. bis 3. Mai 1998: Ein Sondergipfel der EU-Gremien gibt in Brüssel grünes Licht für den Euro. Die Staats- und Regierungschefs bestimmen den 1. Januar 1999 als Start der Währungsunion.
31. Dezember 1998: Die Wirtschafts- und Finanzminister der EU legen den Umrechnungskurs des Euro zu den elf Teilnehmerwährungen endgültig fest. Danach ist ein Euro 1,95583 D-Mark wert.
1. Januar 1999: Der Euro wird gemeinsame Währung der elf Länder. In Euro bezahlt werden kann per Scheck, Kredit- oder EC-Karte. Das alte nationale Geld bleibt noch das allein gültige Zahlungsmittel.
4. Januar 1999: Die Finanzmärkte nehmen den Handel mit Euro auf.
Juli 1999: Die Herstellung des neuen Bargelds läuft an.
1. Januar 2001: Griechenland wird nach Erfüllung der Beitrittskriterien zwölftes Euroland-Mitglied - allerdings mit frisierten Haushaltszahlen, wie sich später herausstellt.
1. September 2001: Beginn der Ausgabe von Noten und Münzen an Banken und Handel.
1. Januar 2002: Der Euro wird gesetzliches Zahlungsmittel.
1. März 2002: Die D-Mark verliert ihre Gültigkeit, kann aber weiterhin gegen Euro eingetauscht werden.
1. Mai 2004: Zehn Länder in Mittel- und Osteuropa sowie im Mittelmeerraum werden neue EU-Mitglieder. Sie müssen die Gemeinschaftswährung übernehmen, sobald sie die Konvergenzkriterien erfüllen.
1. Januar 2007: Als erster der neuen EU-Staaten wird Slowenien 13. Mitgliedsland der Euro-Zone. Ein Beitrittsgesuch Litauens wird hingegen von der EU-Kommission wegen überhöhter Inflation abgelehnt.
1. Januar 2008: Malta und die Republik Zypern führen den Euro ein.
1. Januar 2009: Die Slowakei führt den Euro ein.
Frühjahr 2010: Griechenland kommt in immer größere Finanznöte und muss als erstes Euroland Milliardenhilfen beantragen. Damit nimmt eine Schuldenkrise ihren Lauf, die sich trotz neuer Milliarden-Hilfspakete auch für Irland und Portugal bis Ende 2011 dramatisch verschärft.
1. Januar 2011: Zum Auftakt des schlimmsten Krisenjahres führt Estland den Euro ein - als erste frühere Sowjetrepublik. Damit leben gut 330 Millionen Menschen im Euro-Raum mit 17 Mitgliedsländern.
In Deutschland ist die Bundesbank für die Verteilung der Münzen an den Einzelhandel zuständig. Um Kosten zu sparen, hat die Bank nach und nach ihr Filialnetz verkleinert. Für die Bundesbank ist das Münzsystem teuer, für den Einzelhandel ebenfalls. „Es kostet den Handel Geld, diese kleinen Münzen auf Vorrat in der Kasse zu haben“, sagt Kai Falk, Geschäftsführer des Handelsverbands Deutschland. Das Problem: Die Geschäfte geben deutlich mehr Kupfermünzen aus, als sie zurückbekommen. Immer wieder machten Meldungen die Runde, das Wechselgeld werde knapp, weil viele die Cent-Stücke horten. Zugleich koste es Arbeitszeit, wenn die Kassiererin nach Wechselgeld auf den Cent genau herausgeben müsse.
Aufrundungen als versteckte Preiserhöhungen?
Wäre es also besser, die Kleinstmünzen abzuschaffen und künftig an der Kasse auf- oder abzurunden? Davon hält der Handelsverband wenig. Auf die krummen Preise will man im hart umkämpften Lebensmittelhandel nicht verzichten. „Sie bieten eine Möglichkeit der Preisdifferenzierung“, sagt Falk. Zudem seien die Kunden daran gewöhnt. „Aufrundungen wären Preiserhöhungen, die viele Kunden nicht akzeptieren würden.“ 1,99 Euro hört sich eben günstiger an als zwei Euro.
Das sieht Frank-Christian Pauli, Finanzexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, anders. Die krummen Beträge empfänden viele als störend. Eine Reform aber könnte der Handel zu verdeckten Preiserhöhungen nutzen, fürchtet er. Andererseits weiß er, dass das Kleingeld im Portemonnaie vielen lästig ist. Davon wiederum leben Hilfsorganisationen. Das Deutsche Kinderhilfswerk hat 50000 Spendenboxen an Supermarktkassen und beim Bäcker platziert. „Uns ist auch das Kleingeld wichtig“, sagt Geschäftsführer Holger Hofmann. 1,2 Millionen Euro sammelt das Hilfswerk jedes Jahr mit der Box, etwa ein Viertel kommt durch Ein- und Zwei-Cent-Stücke zustande. Würden sie abgeschafft, könnten hunderte Projekte nicht mehr finanziert werden.
In den Niederlanden ist das Kupfergeld faktische abgeschafft
In Brüssel verweist man auf andere Länder. In den Niederlanden etwa ist das Kupfergeld faktisch abgeschafft. Seit 2004 runden die Geschäfte an der Kasse auf Fünf-Cent-Beträge. Finnland hat von vorneherein auf die Einführung der kleinen Geldstücke verzichtet. In Deutschland, dem Land der Pfennigfuchser, scheint das undenkbar. Die Bürger sind an centgenaue Beträge gewöhnt, vor allem aber hängen sie am Kleingeld: Mehr als 80 Prozent nutzen Ein- und Zwei-Cent-Stücke regelmäßig zum Zahlen. Das geht aus einer Umfrage der Bundesbank hervor. Nur 39 Prozent sind dafür, sie abzuschaffen. Hierzulande gilt Hartgeld durchaus als wertvoll. Psychologen vermuten darin eine Folge des Fünf-Mark-Stücks: Man war früh an Münzen gewohnt, die einen Wert hatten.
56 Prozent aller Zahlungen erfolgen noch immer bar
Seit Jahren versuchen Kreditkartenfirmen, den Deutschen das Plastikgeld nahezubringen. Im Schnitt koste das Bargeldsystem im Jahr rund 150 Euro pro Bürger, wie eine Studie der Steinbeis-Hochschule Berlin im Auftrag von Mastercard jüngst ermittelte. Erfolg hatte die Industrie damit kaum. Die Mehrheit zahlt nach wie vor bar. Immerhin 56 Prozent aller Umsätze im deutschen Einzelhandel wurden mit Münzen und Scheinen beglichen, hat das Handelsforschungsinstitut EHI ermittelt. Ob passend oder nicht, ist allerdings nicht bekannt.