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"Andere müssen bleiben"

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"Andere müssen bleiben"

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    Die Schriftstellerin Erika von Hornstein, eine verheiratete Bausch, hat ein ergreifendes Buch über die Geschichte der Unternehmerfamilie Bausch geschrieben.
    Die Schriftstellerin Erika von Hornstein, eine verheiratete Bausch, hat ein ergreifendes Buch über die Geschichte der Unternehmerfamilie Bausch geschrieben.

    Ihr Buch "Andere müssen bleiben", erschienen 1959 im Verlag Kiepenheuer & Witsch, dürfte wohl in einigen Regalen und Bücherschränken im Zusamtal stehen. Die Autorin hat es 1971, wohl bei der Eröffnung des Bausch-Werkes in Pfaffenhofen, den Honoratioren als Geschenk vermacht. Es ist heute so aktuell wie damals und liest sich, spannender als ein Krimi, als erschütterndes und erhellendes Werk, das dem Zeitgenossen die Geschichte aus der Sicht jener darstellt, die die letzten Kriegstage und die Nachkriegszeit unter russischer Besatzung erleben mussten.

    Neue Sichtweise auf die Jahre in der Ostzone

    Insofern eröffnet das Buch den im freien Westen aufgewachsenen Menschen eine ganz neue Sichtweise, ein Verständnis für die Entwicklung der DDR und ihrer Diktatur und des Lebens, das die Menschen darin erdulden mussten oder in dem sie sich, um zurecht zu kommen, häuslich einrichteten, so gut es ging. Das Buch ist aber auch die Geschichte jener Menschen, die in den Anfängen versuchten, in dem ihnen fremden System ihre Ideale weiter zu leben, dafür zu kämpfen, um dennoch aufgeben zu müssen.

    Dies ist die Geschichte der Familie Bausch, die bis ins Jahr 1872 zurück geht, in dem die Unternehmer Felix Schoeller und Theodor Bausch die erste Papierfabrik Mecklenburgs gründeten, die sich rasch zu einem führenden Unternehmen der Papierherstellung in Deutschland entwickelte. Unweit der Fabrik in Neu Kaliß lies

    Das Unglück begann über die erfolgreiche Unternehmerfamilie geschäftlich und privat in der Nazizeit hereinzubrechen. Viktor Bausch stand im Widerstand zum Nationalsozialismus und wurde 1934 inhaftiert, weil er jüdischen Mitbürgern falsche Papiere besorgt und sie in seinem Unternehmen beschäftigt hatte. Die schlimmste Zeit aber begann in Neu Kaliß am Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Rote Armee hatte

    Die Amerikaner, die in das Gebiet östlich der Elbe vorgestoßen waren, hatten sich zuerst hinter die Neue Elde und dann über die

    In Neu Kaliß schlug die Rote Armee wie an vielen anderen Orten tiefe Wunden. Die Zivilbevölkerung bekam den Hass zu spüren, den die Nazis gesät hatten und der bei vielen russischen Soldaten voll aufgegangen war. Plünderungen, Misshandlungen, Erschießungen, vor allem grauenhafte Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen waren alltägliches Leid. Die Papierfabrik mit ihren riesigen Maschinen wurde 1946 von den Sowjets demontiert.

    3000 Mann, zwei russische Strafbataillone mit Wachmannschaft und deutsche Arbeiter waren daran beteiligt. Panzer brachen Löcher in die Fabrikwände und zogen die Maschinen auf Kufen in den Park. Dort lagerten sie, bevor sie in 2000 Holzkisten, einige so groß wie Wochenendhäuser, auf 13 Güterzügen den Weg nach Russland antraten. Dort gelang es nach der brutalen und unsachgemäßen Demontage nicht mehr, die Fabrik wieder aufzubauen.

    Maschine aus Schrott gebaut

    Nach der Demontage wollte Viktor Bausch den traumatisierten Menschen in Neu-Kaliß, die von der Fabrik gelebt hatten, wieder eine Zukunft ermöglichen. Es kostete ihn und seiner gesamten Belegschaft unvorstellbare Mühe, aus alten Maschinen und Schrott eine funktionierende Papiermaschine wieder herzustellen. Auf das daran angebrachte Schild waren die Arbeiter stolz: "Diese Maschine wurde in den Jahren 1947 bis 1949 aus alten Maschinenteilen und Schrotteisen von der Belegschaft des Werkes Neu Kaliß selbst erstellt." Den neuen sozialistischen Machthabern, die Viktor Bausch schon 1948 enteignet, ihm das aber bis nach dem Wiederaufbau der Fabrik verschwiegen hatten, war das Schild peinlich. Sie warfen es in den Schrott.

    Viktor Bausch und seine Familie, immer stärkeren Repressalien ausgesetzt, verließen ihre Heimat und begannen nochmals von vorne - zunächst in West-Berlin, in den 70er Jahren dann auch in Pfaffenhofen. Die heutige BauschLinnemann AG, zum Surteco-Konzern gehörend, ist einer der führenden Arbeitgeber im Zusamtal und hat sich auf die Produktion von bedruckten Kantenstreifen für die Möbelindustrie spezialisiert.

    Das Buch "Andere müssen bleiben", erschienen 1959 bei Kiepenheuer & Witsch, ist eine Zusammenfassung aus zwei Büchern, die Erika von Hornstein einst zur Bausch-Geschichte geschrieben hat. Es ist im Handel nur noch antiquarisch erhältlich.

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