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Allgäu: Woran erkennt man Salafisten? Prozess wirft Fragen auf

Allgäu

Woran erkennt man Salafisten? Prozess wirft Fragen auf

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    Ein Salafist verteilt kostenlose Koran-Exemplare an Passanten. Die islamistische Szene in Deutschland wächst kontinuierlich.
    Ein Salafist verteilt kostenlose Koran-Exemplare an Passanten. Die islamistische Szene in Deutschland wächst kontinuierlich. Foto: Britta Pedersen/Archiv (dpa)

    Ein beige-gemusterter Pullover, das mittelbraune Haar kurz geschnitten, der Bart gestutzt. Der 22-Jährige auf der Anklagebank hat äußerlich wenig gemein mit seinen Freunden, den Islamisten. Sie tragen gerne Schwarz. Bis vor Kurzem soll der 22-jährige Türke zur Islamistenzelle Kempten und Oberallgäu gehört haben, nun hat ihn das Amtsgericht Kempten verurteilt. Er hatte ein Foto mit einer Waffe im Internet veröffentlicht. Das Urteil: drei Tage gemeinnützige Arbeit. Wegen eines Videos läuft ein Verfahren wegen Volksverhetzung. Ein Prozess, der vom schwierigen Umgang mit Islamisten, Aussteigern und von der Arbeit der Polizei erzählt und eine Frage aufwirft: Woran erkennt man Salafisten?

    Salafist Erhan A. hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt

    Es ist der 28. Juli 2014, ein Montag. Zu dieser Zeit treffen sich die Islamisten Kemptens oft im Hofgarten. Vor der Kulisse des historischen Barockgartens verleugnen sie die Demokratie, preisen das islamische Rechtssystem der Scharia. Gut 25 Islamisten gibt es im Bereich des Polizeipräsidiums, vor allem in Neu-Ulm und Ulm, Kempten und dem Oberallgäu. Der 22-Jährige gehört damals zu ihnen, ist befreundet mit dem bundesweit bekannten Salafisten Erhan A., der sich nach der Ausweisung in die Türkei vermutlich nach Syrien abgesetzt hat. Mitte August hatte sich Erhan A. per Chat bei unserer Zeitung gemeldet.

    Die islamistische Szene in Deutschland

    Der Verfassungsschutz rechnet mehr als 43 000 Menschen zur islamistischen Szene in Deutschland.

    Diese ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen - vor allem durch den starken Zulauf bei der Gruppe der Salafisten, einer besonders konservativen Strömung innerhalb des Islam.

    Rund 7000 Leute werden inzwischen der Salafisten-Szene zugerechnet. 2011 waren es noch etwa halb so viel. Besonders stark sind die Salafisten in Nordrhein-Westfalen vernetzt.

    Dschihadisten: Mehr als 550 radikale Islamisten aus Deutschland sind bislang in das Kampfgebiet nach Syrien und in den Irak ausgereist.

    Die Zahl geht seit langem kontinuierlich nach oben. Viele haben sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Etwa 180 der Ausgereisten sind inzwischen wieder in Deutschland.

    Aber nur von einem kleinen Teil davon - etwa 30 Personen - ist bekannt, dass sie aktiv am bewaffneten Konflikt beteiligt waren. Rund 60 Islamisten aus Deutschland sind laut Verfassungsschutz in Syrien und dem Irak gestorben.

    Mindestens zehn sprengten sich bei Selbstmordanschlägen in die Luft. Dies sind aber nur die bekannten Fälle.

    Gefährliche Islamisten: Die Sicherheitsbehörden stufen viele Islamisten als gefährlich ein. Etwa 1000 Menschen in Deutschland werden dem «islamistisch-terroristischen» Spektrum zugeordnet.

    Darunter sind 260 sogenannte Gefährder, also Menschen, denen die Polizei zutraut, dass sie einen Terrorakt begehen könnten.

    Die Zahl ist so hoch wie nie zuvor. Zum Teil sind auch Rückkehrer aus Dschihad-Gebieten darunter. Diese machen den Sicherheitsbehörden große Sorgen, weil sie oft radikalisiert zurückkommen - und zum Teil kampferprobt. (dpa)

    Die Gruppe, es geht um etwa ein Dutzend junger Männer, wird im Sommer 2014 beobachtet. Der Verfassungsschutz liest die Interneteinträge mit und gibt am 28. Juli 2014 einen Hinweis an die Polizei weiter: Der damals 21 Jahre alte Oberallgäuer hat ein Foto veröffentlicht, das ihn mit Waffe zeigt. Am 30. Juli beantragt die Polizei eine Durchsuchung für den Tag darauf. Die Waffe finden die Beamten bei ihm nicht, sie gehört einem Freund des damals 21-Jährigen. Er gilt ebenfalls als Salafist. „Er zeigte mir die Waffe, ich nahm sie und machte ein Foto. Dann habe ich sie weggelegt“, sagt der 22-Jährige, der beteuert: Mit der Terrororganisation Islamischer Staat oder Islamisten habe er nie etwas zu tun gehabt. „Er hatte sich eindeutig auf diese Seite geschlagen“, sagt der zuständige Polizist aus. Außerdem ist es nicht das erste Mal, dass der 22-Jährige auffällt: Wegen Körperverletzung ist er verurteilt worden und vorsätzlichen Besitzes und Führens einer Waffe (40 Tagessätze zu je 15 Euro).

    Die Allgäuer Salafisten: Wer sie sind und was sie wollen

    Salafismus ist eine radikale politische Strömung im Islam. Salafisten lehnen Demokratie und Menschenrechte ab, legen den Koran wörtlich aus und sprechen sich für das Rechtssystem der Scharia aus.

    Nach Polizeiangaben sind im Bereich des Präsidiums (es ist zuständig für das südliche Schwaben von Oberstdorf und Lindau bis Ulm) 25 Islamisten unter Beobachtung.

    Konkret tauchen sie in den Großräumen Ulm/Neu-Ulm sowie Kempten auf. Von diesen 25 Islamisten ist eine „niedrige einstellige Zahl“ als Gefährder eingestuft.

    Dabei handelt es sich um Personen, die „erhebliche Straftaten begehen könnten“ – wozu auch die Terrorunterstützung oder geplante Anschläge zählen. Der Kemptener Erhan A. war als Gefährder eingestuft, konkrete Planungen soll es jedoch nicht gegeben haben.

    Laut Polizei war David G. bisher der einzige im Präsidiumsbereich, der tatsächlich nach Syrien gereist ist. In der Region gebe es keine Rückkehrer.

    Generell fällt laut Polizei auf, dass Islamisten nach dem Übertritt zum Islam kaum noch Straftaten begehen. Davor hätten viele eine kriminelle Karriere hinter sich, etwa mit Körperverletzungen, Betäubungsmitteldelikten oder Diebstählen.

    Die Allgäuer Salafisten trugen bis vor kurzem Kleidung, auf der die Symbole der Terrororganisation Islamischer Staat zu sehen waren (das Siegel des Propheten und das islamische Glaubensbekenntnis). Dies ist seit Mitte September verboten.

    Wer erwischt wird, wird angezeigt, Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr sind möglich.

    Ist der 22-Jährige nun Ex-Salafist, Aussteiger, Noch-Sympathisant? Eindeutige Antworten sind schwer zu finden. Aber: Ähnlich wie Rechts- und Linksextreme haben Salafisten Erkennungszeichen, sagt Dr. Ali Hedayat (34) vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften. Etwa bei der Musik, in der Szene-Sprache „Nasheeds“ genannt, den religiös kommentierten Liedern. Sie sind oft mit Hip-Hop vermischt und ähneln der Wirkung der völkischer Liedern der rechten Szene. Schwarze Kleidung gilt als weiterer „Szene-Code“ der Salafisten, ebenso wie das mittlerweile verbotene Abzeichen mit dem weißen Mohammed-Siegel auf schwarzem Grund. Was hilft gegen Islamisten und ihre Propaganda? Nötig sei etwa ist die „Gegenansprache“, sagt Hedayat und meint: Menschverachtende, diskriminierende Haltung darf nicht unwidersprochen stehen bleiben – auch nicht im Netz.

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