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Bundespräsident: Porträt: Joachim Gauck

Bundespräsident

Porträt: Joachim Gauck

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    Joachim Gauck spricht im Herbst 1989 während einer Fürbittandacht in der Marienkirche in Rostock.  Foto: Siegfried Wittenburg / Archiv dpa
    Joachim Gauck spricht im Herbst 1989 während einer Fürbittandacht in der Marienkirche in Rostock. Foto: Siegfried Wittenburg / Archiv dpa

    Nun ist der Ostdeutsche nach dem Rücktritt des von Merkel 2010 durchgesetzten Bundespräsidenten Christian Wulff im zweiten Anlauf auf dem Weg ins Schloss Bellevue. Dass die Kanzlerin Gaucks Nominierung nur unter massivem Druck zustimmte, darauf reagiert er beim ersten gemeinsamen Auftritt diplomatisch: "Und das Wichtige daran ist, dass Sie mir Vertrauen entgegengebracht haben." Er sei verwirrt und überwältigt.

    Er sei ein Liebhaber der Freiheit, unterstreicht der aus Rostock stammende Theologe in seinem neuen Buch, das passend vorgezogen an diesem Montag erscheint. Es ist sein großes Thema - gespeist aus dem Erleben der Unfreiheit. Fast prophetisch umreißt Gauck in "Freiheit" die Aufgaben der Zukunft: "Freiheit, Verantwortung, Toleranz" - dies mache die Gesellschaft aus. Bei seiner Vorstellung betonte der 72-Jährige am Sonntag an der Seite von Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel: "Es ist mir am Wichtigsten, dass die Menschen in diesem Land wieder lernen, dass sie in einem guten Land leben, das sie lieben können."

    Schon 2010, als Gauck gegen Wulff im dritten Wahlgang unterlag, wurde er als "Präsident der Herzen" gefeiert. Auch jetzt zeigen Umfragen, dass der frühere Bürgerrechtler große Sympathie genießt. Damals wunderte sich der parteilose Gauck, dass ihm die Kandidatur nicht von der Union, sondern von SPD und Grünen angetragen wurde. Nun hat er eine breite Mehrheit - auch wenn die Union ihren Widerstand gegen den einstigen Kandidaten von SPD und Grünen am Sonntag erst nach einem heftigen Streit mit der FDP aufgab.

    Gauck prägte nach der Wiedervereinigung als erster Leiter die Stasi-Unterlagen-Behörde - sie ging als Gauck-Behörde in die Annalen ein. Er habe nicht geahnt, welche Erblast der Diktatur der Demokratiebewegung in die Hände gefallen sei, sagte er im Rückblick. Gauck sah und sieht sich nicht als Großinquisitor, was ihm Linken-Politiker vorgeworfen hatten.

    Gauck kam 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater verschwand für Jahre in einem Gulag in Sibirien. Nach einem Studium der Theologie baute der evangelische Pfarrer in einem Rostocker Neubaugebiet eine Kirchengemeinde auf, die junge Leute anzog. Werbeversuche der Stasi wehrten sie gemeinsam ab. Wir sind die Anständigen, in diesem Bewusstsein habe er gelebt. Er selbst sei von der Stasi unter dem operativen Vorgang "Larve" beobachtet worden, so Gauck. Als sich 1989 Widerstand gegen die SED-Herrschaft formierte, führte er als Sprecher des Neuen Forums in Rostock Demonstrationen an.

    Gauck wird oft pathetisch, er spricht auch in der dritten Person von sich. Er erntet Beifall und provoziert Buhrufe - wie jüngst bei einer Diskussion zum Umgang mit früheren Stasi-Leuten. Gauck ist für Verhältnismäßigkeit. Wer dem Rechtsstaat dient, solle eine Chance haben. Die Berliner "Tageszeitung" (taz) kritisierte, in Protesten gegen Hartz IV erkenne Gauck nur den Ruf nach einem fürsorglichen Staat, und die Occupy-Bewegung sei für ihn albern. Der "Tagesspiegel" kommentierte, Gauck werde der konservativste Bundespräsident, den Deutschland je hatte.

    In seiner Biografie schrieb Gauck, er habe auch bittere Momente hinnehmen müssen: Drei seiner vier Kinder reisten zu DDR-Zeiten in den Westen aus. Er blieb. Er sei traurig gewesen, dass seine Kinder den Aufbruch nur aus der Ferne erleben konnten. Nach dem Mauerfall trennte sich der Theologe von seiner Frau und fand eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen. (dpa)

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