Es lief die erste Minute der Nachspielzeit in der Verlängerung des Viertelfinal-Spiels zwischen der Niederlande und Costa Rica, als der Schiedsrichter-Assistent plötzlich die Anzeigetafel zum Spielerwechsel in die Luft hob. Auf dem Display leuchteten die Ziffern 1 und 23 auf. Völlig verdutzt machte sich Stammtorhüter Jasper Cillessen auf den Weg zur Seitenlinie um der holländischen Nummer zwei, Tim Krul, Platz zu machen.
Bondscoach Louis van Gaal hatte sich vor dem Elfmeterschießen für die recht unorthodoxe Variante des Torwartwechsels entschieden. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Nach zwei gehaltenen Elfmetern des Newcastle-Torhüters zog die Niederlande ins Halbfinale der WM ein und Louis van Gaal durfte sich als großer Taktiker und Trainerfuchs feiern lassen.
Kein Torwartwechsel, kein Erfolg
Wenige Tage später hat sich die Stimmungslage aber rasch verändert. Nach 120 langweiligen und unspektakulären Minuten musste auch im Halbfinale gegen Argentinien der Sieger im Elfmeterschießen ermittelt werden. Van Gaal verzichtete diesmal auf den Torwartwechsel und vertraute auf Cillessen. Der Ajax-Schlussmann konnte jedoch keinen der vier argentinischen Elfmeter abwehren und die Holländer mussten nach der 2:4-Niederlage die Koffer packen.
Von begeisterter Offensive zur langweiligen Defensive
Warum van Gaal auf einen erneuten Torwartwechsel verzichtete, bleibt unklar. Dies dürfte ohnehin nicht das entscheidende Versäumnis des ehemaligen Bayern-Trainers gewesen sein. Vielmehr stellt sich die Frage, warum der Bondscoach seine Auswahl in der KO-Runde nicht mehr auf das Niveau der Vorrunde hieven konnte. Begeisterte der Vize-Weltmeister von 2010 in der Gruppenphase noch mit begeisternden Offensiv-Feuerwerken, so langweilten Robben, van Persie & Co. danach mit einer Defensiv-Taktik nach der nächsten. Sie haben während des Turniers ihre Art Fußball zu spielen verloren. Sie waren taktisch überladen, hatten pausenlos Angst den Ball nach vorne zu spielen", sagte Mehmet Scholl nach Partie.
Zu selbstsicher?
Bisher hat der künftige Manchester-Coach mit fast allen taktischen Schachzügen richtig gelegen. Im Duell gegen den amtierenden Weltmeister aus Spanien überraschte Van Gaal mit einem 5-3-2 System und schnellem Umschaltspiel. Gegen die leidenschaftlichen Chilenen glückte der Coup mit Dirk Kuyt als Linksverteidiger und im Achtelfinale bescherte der späte System- und Personalwechsel den glücklichen 2:1-Erfolg über Mexiko. Der Trainer van Gaal wurde teils überschwänglich gefeiert und von manchem sogar "als bester Bondscoach aller Zeiten" verehrt.
Ob diese Selbstsicherheit womöglich der Grund für das Aus in der Vorschlussrunde war, bleibt dahingestellt. ARD-Experte Scholl ist dennoch dieser Meinung: "Van Gaal wollte zeigen, dass er nicht nur den Fußball-Keks, sondern den allergrößten Fußball-Keks gegessen hat. Und dann kommt eben der Fußball-Gott oder die Argentinier und sagen: Ne, warte mal, bleib mal hier." AZ