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WM 2014: Einfach schön: Ein Brief an die Fußball-WM

WM 2014

Einfach schön: Ein Brief an die Fußball-WM

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    Wir hätten da noch einen Wunsch, liebe WM...
    Wir hätten da noch einen Wunsch, liebe WM... Foto: Johannes Eisele, afp

    Liebe Fußball-WM,

    ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll. Es gibt so viel zu sagen. Du hast unser Leben verändert. 31 Tage lang haben wir fast nur über Dich geredet. Wir sind bis tief in die Nacht wach geblieben, nur um Dich zu sehen. Und manche haben von Dir geträumt, wenn draußen das Gehupe auf den Straßen verstummt war.

    Ein paar mal haben wir Dir sogar während der Arbeitszeit heimlich einen flüchtigen Blick zugeworfen. Wegen Dir lagen sich Menschen in den Armen, die sich im richtigen Leben nicht einmal einen guten Tag wünschen würden. Ganz schön schön war das. Und morgen soll alles schon wieder vorbei sein?

    Liebe WM, wir geben es zu: Wir waren am Anfang ein bisschen skeptisch. Nach all dem, was vorher gewesen ist. In den Nachrichten haben wir diese wütenden Menschen gesehen, die auf den Straßen Brasiliens protestiert haben. Sie wollten nicht hinnehmen, dass ihre Landsleute in den Favelas kein Dach über dem Kopf haben und der Staat gleichzeitig Milliarden in neue Stadien steckt. Sie wollten nicht hinnehmen, dass sich nur noch Besserverdiener Eintrittskarten für den vermeintlichen Volkssport leisten konnten. Sie wollten nicht hinnehmen, dass der Weltfußball-Verband Fifa in ihr Land kommt und seine eigenen Gesetze mitbringt.

    Party an der Copacabana statt brennender Barrikaden

    Als es dann losging, haben es uns die alten Herren von der Fifa leicht gemacht, Dich zu mögen. Die streng kontrollierten Fernsehbilder zeigten ein begeistertes Land in Gelb-Grün-Blau. Party an der Copacabana statt brennender Barrikaden. Wir haben das gerne geglaubt, auch wenn wir mehr als eine vage Ahnung haben, dass das nur die halbe Wahrheit war.

    Wir haben uns mitreißen lassen von leidenschaftlichen Südamerikanern, die den abgeklärten Europäern gezeigt haben, was ein Heimvorteil ist. Auch wenn mancher das mit dem Kratzen und Beißen etwas zu ernst genommen hat. Wir haben Teams ins Herz geschlossen und anderen ein schnelles Ausscheiden gewünscht. Wir haben geschmunzelt über die Auf-Knopfdruck-Ausflipper, die ihre Gesichter auf den Video-Leinwänden der Stadien entdeckten.

    Fünfte Final-Teilnahme für Argentinien bei Fußball-WM

    Zum fünften Mal hat Argentinien das Finale einer Fußball-WM erreicht. Bereits zum dritten Mal heißt am Sonntag in Rio de Janeiro der Gegner Deutschland - die Endspielbilanz gegen den DFB ist ausgeglichen.

    Die WM-Endspiele Argentiniens:

    30.07.1930 Montevideo: Uruguay -Argentinien 4:2 (1:2)

    25.06.1978 Buenos Aires: Argentinien - Niederlande 3:1 n.V. (1:1)

    29.06.1986 Mexiko-Stadt: Argentinien - Deutschland 3:2 (1:0)

    08.07.1990 Rom: Deutschland - Argentinien 1:0 (0:0)

    13.07.2014 Rio de Janeiro: Deutschland - Argentinien 22.00 MESZ

    Und natürlich haben wir mit der deutschen Mannschaft gefeiert, gezittert – und am Ende nur noch gestaunt. Wir konnten in der Kantine über nichts anderes mehr sprechen als über Dich. Wir haben unsere Fähnchen wieder herausgekramt. Und wir haben uns – bei allem Mitgefühl für weinende Kinder und Torhüter – selbst von moralinsauren Zeigefingerhebern kein schlechtes Gewissen machen lassen, nur weil wir den Gastgeber epochal geschlagen haben.

    Einen letzten Wunsch haben wir noch

    Auch unsere Politiker finden Dich super. Die Kanzlerin ist beliebt wie nie, weil sie auf der Tribüne immer so herrlich unbeholfen jubelt und anschließend mit Poldi und Schweini in der Kabine fototaugliche Scherze macht. Auch andere Volksvertreter haben das Volk übrigens gerne vertreten – auf den VIP-Plätzen.

    Der Verkehrsminister ist froh, dass sich keiner so richtig um seine Maut-Pläne kümmert, weil uns der Weg ins Finale momentan einfach näher liegt als irgendwelche Verkehrswege. Und der Bundesnachrichtendienst freut sich (heimlich, wie es sich für einen Geheimdienst gehört) darüber, dass die Spitzel in den eigenen Reihen ausgerechnet jetzt aufgeflogen sind. Es gibt schließlich gerade Wichtigeres als das deutsch-amerikanische Verhältnis.

    Liebe Fußball-WM, auch wenn wir natürlich wissen, dass das alles nur eine große Show war: Ohne Dich wären die vergangenen Wochen wohl recht fad gewesen. Am Sonntag schauen wir ein letztes Mal auf Dich. Deutschland steht im Finale. Und wenn wir uns zum Abschied noch etwas wünschen dürfen: Naja, Du weißt schon …

    Dein Michael Stifter

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