Joachim Löw, wenn man das so sagen darf, hat Wort gehalten. Der Bundestrainer hatte Deutschland vor der Partie gegen Frankreich den Einzug ins WM-Halbfinale versprochen ("Wir kommen unter die letzten vier") - und seine Spieler haben ihn nicht enttäuscht. Der Weltranglisten-Zweite, der sich nach dem mühsam erkämpften 2:1-Sieg gegen Algerien noch reichlich Kritik hatte anhören müssen, steht nach einer deutlichen Leistungssteigerung verdient im Halbfinale.
Deutschland bezwang Frankreich durch ein Kopfballtor von Mats Hummels 1:0 (1:0) und trifft dort am Mittwoch in Belo Horizonte auf den Sieger der Partie Brasilien - Kolumbien. Ziemlich sicher hat das Maracana-Stadion, jener legendärste aller Fußball-Tempel, der für die WM modernisiert und von 200 000 auf 74000 Plätze geschrumpft worden war, schon hochwertigere Partien als die gestrige erlebt - aber der Mannschaft von Joachim Löw ist das nicht vorzuwerfen. Sie hat mehr für die Qualität des Spiels getan als Frankreich und deshalb auch hochverdient gewonnen.
Deutschland im Passmaschinenmodus
Die deutsche Mannschaft hatte in ihrem inzwischen berüchtigten Passmaschinenmodus begonnen, in dem der Ball wie an einem Magneten durch die Reihen der Weißen wandert. Im Achtelfinale gegen Algerien hatten sie es auf 793 Zuspiele gebracht, der höchste Wert seit 1966 damit begonnen wurde zu zählen. Das allein aber sagt noch nichts über Qualität aus. Wandert der Ball nur horizontal durch die Reihen, erstickt das Spiel an sich selbst.
Viel frischer Wind war deshalb in den Anfangsminuten nicht zu verspüren, was freilich auch damit zu tun hatte, dass die Franzosen respektvoll die deutsche Spielhälfte mieden. Trotzdem hatten Les Bleus die erste Torchance. Karim Benzema verpasste Frankreichs Führung nur um Zentimeter.
Deutschland erzielt den einzigen Treffer dieses Viertefinals
Den ersten und wie sich am Ende herausstellte einzigen Treffer allerdings erzielte Deutschland. Ein Freistoß von Toni Kroos fand den Weg auf die Stirn von Mats Hummels und der Dortmunder, der gegen Algerien noch wegen einer Grippe gefehlt hatte, köpfte den Ball lehrbuchmäßig zum 1:0 (13.) unter den Querbalken - bereits sein zweites Kopfballtor bei dieser WM. Die Franzosen benötigten beinahe eine halbe Stunde, um sich von diesem Treffer zu erholen. Die Mannschaft von Didier Deschamps, der als Kapitän mit der equipe tricolore Welt- und Europameister geworden war, wirkten ratlos. Die neu formierte deutsche Elf kontrollierte Ball und Gegner.
Joachim Löw hatte seine Mannschaft gegenüber dem hart erkämpften2:1-Sieg gegen Algerien kräftig umgebaut
In der Viererkette musste Per Mertesacker weichen, Philipp Lahm rückte auf den Außenposten, wodurch Platz geschaffen war für das Mittelfeld-Duo Bastian Schweinstiger und Semi Khedira. Auch für den Angriff hatte sich der Bundestrainer zu einem Wechsel durchgerungen. Ganz vorne stürmte erstmals von Beginn an Miroslav Klose. Damit hatte Löw im Wesentlichen jene Wechsel vollzogen, die sich viele der 80 Millionen Bundestrainer im Land gewünscht hatten. Der Kanzlerin wiederum war es egal, in welcher Aufstellung Deutschland ins Halbfinale einzöge. Gewinnen, "egal wie", hatte die Kanzlerin den Regierungssprecher ausrichten lassen. Damit, das war klar zu erkennen, wollten sich Lahm&Co. gestern nicht zufrieden geben, was die Fans der deutschen Mannschaft deutlich vernehmbar honorierten. Andererseits war auch die Equipe tricolore, wie es Per Mertesacker gesagt hätte, "keine Karnevalstruppe".
Die Franzosen kamen wieder auf die Beine, und waren kurz vor der Pause dem Ausgleich nahe, lediglich getrennt durch eine glänzende Parade von Manuel Neuer, der offenbar wieder einmal daran erinnern wollte, dass er nicht nur ein überdurchschnittlicher Feldspieler ist. Frankreich erhöhte den Druck. Die deutsche Viererkette stand, als hätte es nie einen Zweifel an ihrer Stabilität gegeben, was viel mit Lahms Rückkehr in Abwehr, aber auch mit Höwedes` bestem WM-Auftitt zu tun hatte.
Deutschland wackelte zwar ein wenig, aber es fiel nicht. Stattdessen verfehlte Thomas Müller nur knapp das 2:0. Als die Franzosen alles auf eine Karte setzten, durfte sich der bislang so treffsichere Münchner noch einmal versuchen, scheiterte aber genauso, wie der inzwischen für den ausgepumpten Miroslav Klose eingewechselte Andre Schürrle beim Nachschuss. Bis in die vierminütige Nachspielzeit hinein war Deutschland dem zweiten Treffer näher als Frankreich dem Ausgleich. Ganz zum Schluss allerdings musste doch noch einmal Neuer gegen Benzema den Sieg sicher. Für die Franzosen ist die WM nun zu Ende, für die Deutschen hat sie offenbar erst richtig begonnen.