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FC Augsburg: Kleine Historie des Abstiegskampfs: Am Ende wird immer geweint

FC Augsburg

Kleine Historie des Abstiegskampfs: Am Ende wird immer geweint

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    Kleine Historie des Abstiegskampfs: Am Ende wird immer geweint
    Kleine Historie des Abstiegskampfs: Am Ende wird immer geweint

    1996: Der Mann mit dem Taschentuch

    Da rede noch einer von abgezockten Profis, von harten Typen, die nichts umwirft. Die ergreifendste aller Abstiegsszenen war am 18. Mai 1996 nach der Partie Leverkusen – Kaiserslautern beim TV-Sender Premiere zu sehen. Lautern musste gewinnen, Bayer genügte ein Remis zum Klassenerhalt. Die Pfälzer führten bis zur 82. Minute. Dann glich Markus Münch aus. Es blieb beim 1:1. Lautern war abgestiegen.

    Premiere zeigte die Reaktionen auf dem Rasen und den Rängen. Fassungslose FCK-Fans, feiernde Bayer-Anhänger. Dann Szenenwechsel. Ein provisorisches Studio im Stadion. Ein Bild des Leidens, wie gemalt. Leverkusens Rudi Völler, damals noch Spieler, steht da, mit Trainingsjacke, völlig abgekämpft, völlig freudlos. An seiner Schulter ruht der Kopf eines Mannes, dessen Gesicht meist von einem großen Taschentuch verdeckt wird.

    Andreas Brehme, der coole Kerl, der sechs Jahre zuvor Deutschland mit seinem Elfmeter zum Weltmeister gemacht hatte, er weint, er schluchzt, er schnäuzt. Dem Moderator ist sichtlich unwohl, aber dennoch, über Brehmes Kopf hinweg, befragt er Völler. Der spricht mit Grabesstimme. Sein Freund und Gegenspieler weint, schluchzt und schnäuzt weiter, immer weiter.

    Kaiserslauterns Abstieg 1996 war wohl der bitterste der Bundesliga-Geschichte. Die Mannschaft hatte nur zehn Spiele verloren – so viele wie Vizemeister Bayern München. Aber 18 Mal waren die Pfälzer nicht über ein Unentschieden hinausgekommen. 36 Punkte reichten nicht.

    Eine Woche nach dem Abstieg gewann Kaiserslautern das Pokalfinale gegen Karlsruhe 1:0. Der Zweitligist flog zwar in der ersten Runde aus dem Europapokal der Pokalsieger, schaffte aber den sofortigen Wiederaufstieg. Und war wieder ein Jahr später deutscher Meister. Das ist zuvor und danach keinem Klub gelungen. Andreas Brehme spielte in der Aufstiegs- und in der Meistersaison noch für Lautern. Dann beendete er seine Karriere.

    1994: Freiburger Finale furioso und ein Phantomtor

    „Uns war klar, dass wir abgestiegen sind.“ Ralf Kohl und seine Teamkollegen vom SC Freiburg lagen 1994 vor den letzten drei Spielen vier Punkte hinter dem rettenden viertletzten Platz. Den belegte der 1. FC Nürnberg. Vier Punkte waren damals mehr wert als heute. Es galt noch die Zwei-Punkte-Regel, drei Punkte für einen Sieg sollte es in der Bundesliga erst ab 1995 geben.

    Die Freiburger gewannen die letzten drei Partien. Warum? „Wir hatten nichts mehr zu verlieren. So kam die Spielfreude und Unbekümmertheit zurück“, so Ralf Kohl.

    Und der Club? Die Nürnberger verloren zunächst 1:2 beim FC Bayern. Aber sie erhielten eine zweite Chance. Eines der beiden Münchner Tore war keines gewesen. Der Ball war an Thomas Helmer und am Pfosten vorbei ins Aus getrudelt. Schiedsrichter Hans-Jürgen Osmers aber hatte auf (Phantom-)Tor entschieden. Die Sportrichter setzten eine Wiederholungspartie an. Nürnberg, das inzwischen 4:1 gegen Wattenscheid gewonnen hatte, verlor mit 0:5, verdarb sich die Tordifferenz. Im letzten Spiel unterlagen die Nürnberger 1:4 in Dortmund. Freiburg und der Club waren punktgleich, der SC blieb aufgrund der besseren Tordifferenz drin.

    1999: „Der Club is a Depp“

    Diese resignative Einsicht der Fans des 1. FC Nürnberg hat gute Gründe. Kein anderer Verein hat sich in Abstiegsangelegenheiten so blamiert – nicht nur wie gerade beschrieben im Jahr 1994.

    Auch 1969 waren die Franken abgestiegen – nachdem sie ein Jahr zuvor Meister geworden waren. So tief ist kein anderer Bundesliga-Verein gefallen. 30 Jahre später war die Fallhöhe für die Franken weniger hoch, der Absturz dennoch schmerzhafter. Die Feier war vorbereitet, im Stadionheft bereits Anträge für Dauerkarten der nächsten Bundesliga-Saison zu finden. Der fränkische Optimismus vor dem letzten Spiel gegen Freiburg – nachvollziehbar. Zwölfter, drei Punkte und fünf Tore Vorsprung auf Abstiegsrang 16 – was sollte da noch schief gehen? Alles!

    In der turbulentesten Schlussviertelstunde der Bundesliga-Geschichte erzielte Rostock die Tore zum rettenden 3:2-Sieg in Bochum. Konkurrent Frankfurt lag zwar 4:1 gegen Kaiserslautern vorn. Da der Club aber in der 85. Minute das Anschlusstor zum 1:2 gegen Freiburg geschafft hatte, wäre es beinahe noch mal gut gegangen.

    Aber eben nur beinahe. Denn dann spielten sich fast zeitgleich zwei legendäre Szenen ab.

    In Frankfurt steht der Norweger Jan-Aage Fjörtoft vor Kaiserslauterns Torwart Andreas Reinke, macht einen Übersteiger (in der Situation!), trickst Reinke aus – 5:1.

    In Nürnberg erzielt Frank Baumann nicht das 2:2. Nürnbergs Nikl hatte den Pfosten getroffen. Der Abpraller landet vor den Füßen des Club-Abwehrspielers. Der schiebt aus sechs Metern den Ball in die Arme von Freiburgs Torhüter Richard Golz.

    Frankfurt siegte 5:1, war gerettet. Fjörtoft lobte seinen Trainer Jörg Berger: „Er hätte auch die Titanic gerettet.“ Nürnberg verlor 1:2. Der Club war der Depp.

    2011: Favres Feiertage mit der Borussia

    Die Entlassung von Trainer Michael Frontzeck am 13. Februar 2011 wurde nur noch als Verzweiflungstat gesehen. Die Experten hatten Borussia Mönchengladbach längst abgeschrieben. Zur Saisonhalbzeit hatte der Altmeister zehn Punkte, 16 waren es nach dem 22. Spieltag, als Frontzeck gehen musste.

    Unter Nachfolger Lucien Favre holte die Borussia in den nächsten acht Partien zwar zehn Punkte. Vier Spieltage vor Schluss stand das Team aber immer noch auf dem letzten Platz. Dann das Unglaubliche: Die Borussen gewannen dreimal in Folge, verpassten den direkten Klassenerhalt nur durch ein 1:1 im letzten Punktspiel beim HSV. In der Relegation gegen den VfL Bochum setzten sich die Gladbacher knapp mit 1:0 und 1:1 durch.

    Und Trainer Lucien Favre flog. In die Luft geworfen von seinen überglücklichen Spielern.

    2000: Der Anfang des Ulmer Niedergangs

    Manchmal wandelt sich ein Traum zum Albtraum. 1998 stieg der SSV Ulm 1846 von der Regionalliga in die zweite Liga auf. 1999 war die Bundesliga erreicht. Dann ging es rasant abwärts. Ulm stieg ab, verpasste in der nächsten Saison auch in der zweiten Liga das Klassenziel. Zudem wurde aus finanziellen Gründen die Lizenz für die Regionalliga verweigert. Die „Spatzen“ landeten in der vierten Liga.

    Die Umstände des Ulmer Bundesliga-Abstiegs 2000 waren einigermaßen tragisch. Nach 24 Spieltagen lag das Team auf Rang zwölf, hatte 30 Punkte und war den internationalen Plätzen näher als der Abstiegszone. Aber am 18. März 2000 setzte es eine verheerende 1:9-Heimniederlage gegen Bayer Leverkusen. Davon erholten sich die Ulmer nicht mehr. In den folgenden zehn Partien kamen nur noch fünf Punkte dazu.

    Am letzten Spieltag hätte sich Ulm dennoch mit einem Sieg beim direkten Konkurrenten Eintracht Frankfurt retten können. In der 90. Minute stand es 1:1. Ein Tor, nur ein Tor – und die Geschichte des Vereins wäre in andere Bahnen gelenkt worden. Das Tor fiel. Allerdings für Frankfurt. Ein Elfmeter, den Horst Heldt verwandelte, besiegelte den Anfang vom Niedergang.

    2013: Düsseldorf, Augsburg oder Hoffenheim?

    Kann Augsburg die punktgleichen Düsseldorfer überholen und sich direkt retten? Oder muss der FCA in die Relegation gegen den 1. FC Kaiserslautern? Oder schafft Hoffenheim das scheinbar unmögliche, springt mit einem Sieg (ausgerechnet in Dortmund!) noch an Augsburg und Düsseldorf vorbei auf den rettenden 15. Platz? Oder rettet sich Düsseldorf doch noch ins Ziel?

    Antworten gibt es heute bis kurz vor halb sechs. Sicher ist nur eins. Irgendwo wird wieder jemand weinen.

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