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Breno-Prozess: Wunderland ist abgebrannt

Breno-Prozess

Wunderland ist abgebrannt

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    Der Bayern-Spieler Breno kommt in München zum Prozessauftakt in den Verhandlungssaal im Landgericht I. Der brasilianische Fußball-Profi muss sich wegen schwerer Brandstiftung vor Gericht verantworten.
    Der Bayern-Spieler Breno kommt in München zum Prozessauftakt in den Verhandlungssaal im Landgericht I. Der brasilianische Fußball-Profi muss sich wegen schwerer Brandstiftung vor Gericht verantworten. Foto: dpa/lby

    Giovane Elber gilt noch heute als einer der großen Stars des Fußballklubs Bayern München. Als Mittelstürmer schoss er in der Bundesliga in den Jahren zwischen 1997 und 2005 über 130 Tore und war immer für einen Spaß mit den Medien gut. Elber ist noch heute beliebt wie nur wenige andere. Denn er lieferte das, was zählt, in einer Branche, die seit Jahren wirtschaftlich boomt: Höchstleistung.

    Seit dem Ende seiner Karriere arbeitet der inzwischen 39-Jährige unter anderen als Spielervermittler, der brasilianische Fußballer gegen Entgelt nach Deutschland lotst. Im weitesten Sinne in dieser Funktion sitzt er an diesem trüben Mittwochmorgen im Schwurgerichtssaal des Landgerichts München I.

    Dort hat es einen auf die Anklagebank verschlagen, der den gleichen Weg gehen wollte wie Elber, einer, den er selbst dem Münchner Klub als eines der größten Talente des brasilianischen Fußballs empfohlen hatte – Vinicius Rodrigues Borges, besser bekannt als Breno.

    Die Staatsanwaltschaft wirft Breno vor, im September 2011 seine gemietete Villa in Grünwald aus Frust im Suff angezündet zu haben. 1,6 Promille wurden bei ihm später festgestellt. Breno droht bei einem Schuldspruch wegen schwerer Brandstiftung mindestens ein Jahr Haft, schlimmstenfalls könnten es 15 Jahre werden.

    Probleme tauchen erst auf, wenn die Profis nicht spielen

    Der in vielerlei Hinsicht ungewöhnliche Strafprozess gibt Einblick in eine ansonsten verschlossene Welt der jungen ausländischen Fußballprofis. Elber sagt, es sei ein „Schweinegeschäft, schwieriger, als sich das die meisten vorstellen“, gerade ohne Deutschkenntnisse sei das Leben in der Fremde eine Art goldener Käfig, ein Pendeln zwischen Fußballplatz und Villa. Das reicht den meisten. Probleme tauchen auf, wenn die Profis nicht spielen, wegen Verletzungen beispielsweise.

    Brenos Karriere scheint vorgezeichnet: Erst Stammspieler bei Bayern, bald soll er den Sprung in die Nationalmannschaft schaffen. Er ist dem Traum eines jeden Fußballerprofis nah: Meisterschaft, Champions League, vielleicht sogar einmal Weltmeister werden. Noch immer hat der 22-Jährige dazu alle Chancen. Zwar läuft sein Vertrag bei den Bayern Ende Juni aus, doch der AS Rom hat Interesse an den Fußballkünsten Brenos signalisiert. Ob der aber jemals für die Römer auflaufen wird, steht bislang noch in den Sternen. Denn vorerst ist die Traumkarriere des Sportlers erst einmal von einem Albtraum, seinem Prozess, unterbrochen.

    Der Fall Breno in der Chronologie

    Neun Monate nach dem Feuer in seiner Villa muss sich Bayern-Profi Breno von Mitte Juni an in München vor Gericht verantworten. Die Anklage lautet auf schwere Brandstiftung. Die Nachrichtenagentur dpa dokumentiert den Fall.

    20.09.2011: Kurz nach Mitternacht brennt die von Breno angemietete Villa in Grünwald aus. Es entsteht ein Schaden in Millionenhöhe.

    23.09.2011: Die Staatsanwaltschaft München I leitet Ermittlungen gegen den Fußball-Profi wegen schwerer Brandstiftung ein.

    24.09.2011: Breno muss in Untersuchungshaft. Wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr erlässt das Amtsgericht München Haftbefehl.

    29.09.2011: Nach der mündlichen Haftprüfung muss Breno in Untersuchungshaft bleiben.

    06.10.2011: Breno kommt gegen Kaution unter strengen Auflagen auf freien Fuß.

    02.01.2012: Nach Verhandlungen darf der 22-Jährige mit dem Club ins Trainingslager nach Katar reisen.

    11.04.2012: Die Staatsanwaltschaft München I erhebt Anklage gegen den brasilianischen Innenverteidiger.

    07.05.2012: Die 12. Strafkammer des Landgerichts München I lässt die Anklage der Staatsanwaltschaft unverändert zur Hauptverhandlung zu. Prozessauftakt soll am 13. Juni sein.

    Vor Gericht erscheint Breno als Musterknabe. Dunkelblauer Anzug, weißes Hemd, das dunkle Haar akkurat geschnitten. „Er ist ein braver Junge, ich will ihm helfen“, diktiert Elber in einer Verhandlungspause den Reportern in die Blöcke. Er hofft auf ein mildes Urteil und betont: Sein Schützling habe es schwer in Deutschland gehabt. Näheres zur Brandnacht will dieser nicht sagen.

    Elber versucht, Verständnis für Breno zu wecken. Mit 18 sei der ins völlig fremde Deutschland gekommen, die Integration bei den Bayern sei schwierig gewesen. Der Verein sei nicht Bayer Leverkusen, sagt Elber vorwurfsvoll und meint: Beim Werksklub werde sich intensiver um die Integration der Neuprofis aus Übersee gekümmert. Da höre die Betreuung nicht an der Haustüre auf. Breno, weiß Elber, hat es bei Bayern nicht immer leicht gehabt.

    Die Sätze des Angeklagten, der auch nach viereinhalb Jahren nur gebrochen Deutsch spricht, werden von einer Dolmetscherin übersetzt. Die Vorsitzende Richterin Rosi Datzmann lässt ihn zum Prozessauftakt sein Leben erzählen.

    Mit leiser, aber fester Stimme kommt der Fußballprofi der Aufforderung nach. Seine Schilderung dauert nicht lange. „Mein Vater war Glaser, meine Mutter Reinigungskraft.“ Er selbst habe sein Elternhaus gleich nach der Kindheit mit zwölf Jahren verlassen müssen. Es ging ihm wie vielen talentierten Buben in Brasilien. Er kam ins Fußballinternat, 200 Kilometer von seiner Heimatstadt Cruzero entfernt. Die Eltern habe er nur alle zwei Monate gesehen. Fußballscouts hatten früh erkannt, dass der kleine Vinicius zum Ball eine außergewöhnlich gute Beziehung hat.

    Alles läuft wie am Schnürchen. Mit 17 spielt Breno für den großen FC São Paulo, wird auf Anhieb brasilianischer Meister. Ein Jahr später ist er beim FC Bayern. „Das ist mein Leben“, schließt er seine Ausführungen. Was er nicht sagt: Als Bürde hatte man ihm damals eine Ablösesumme von 12,3 Millionen Euro aufgepackt. Unter solchen Lasten sind schon manche großen Talente zusammengebrochen, wenn sie nicht sofort Leistung brachten.

    Auch bei Breno klappt es in der Folge nicht so, wie sich das der heutige Präsident Uli Hoeneß vorgestellt hatte. Seine ersten Spiele in der Profimannschaft entsprechen nicht den Erwartungen der Verantwortlichen. Der junge Brasilianer landet auf der Ersatzbank. Nach zwei durchwachsenen Spielzeiten leiht man ihn zum 1. FC Nürnberg aus. Alles scheint gut zu werden. Breno wird Stammspieler, die Presse lobt ihn als umsichtigen Abwehrchef. Doch das Glück findet ein schnelles Ende, als ihn, wie er sagt, ein gegnerischer Spieler umgrätscht – alle Kreuzbänder sind gerissen. Die Folge: sechs Monate Pause. Für einen jungen Fußballer eine Katastrophe.

    Breno landet wieder in München, scheint nun auch Anschluss an die Mannschaft zu finden, bis sich neue Knieprobleme bemerkbar machen. Diesmal zwickt der Meniskus. Wieder OP. Doch das Knie macht weiter Probleme. Breno berichtet gestern vor Gericht, dass es sich immer wieder mit Wasser gefüllt habe. Die Ungewissheit, die Angst vor dem Karriereende – das alles führt offenbar zu Frust beim Profifußballer, der Medienberichten zufolge bei Bayern mit einer Million Euro entsoldet worden sein soll.

    Zur Katastrophennacht vom 19. auf den 20. September 2011 muss Breno gestern noch nichts aussagen. Vorerst will er sich dazu auch nicht äußern. Am Nachmittag werden erst einmal fünf Zeugen, alles Nachbarn, befragt. Breno verfolgt die Verhandlung, die ihm die Dolmetscherin übersetzt, mit angespanntem Interesse. Weiter lässt er sich in seine Seele nicht blicken.

    Laut Staatsanwaltschaft belegen die Indizien erdrückend, dass Breno die Villa angezündet hat. Auch das 35-seitige Brandgutachten schließt Berichten zufolge aus, dass ein technischer Defekt oder eine weggeworfene Zigarette das Feuer verursacht haben können. Tatsache ist: Das Haus ist bis auf die Grundmauern abgebrannt. Der Schaden beläuft sich auf rund eine Million Euro.

    Als die Feuerwehr ankam, stand das Haus in Flammen

    Die Zeugen können am ersten Tag zur Aufklärung noch nicht allzu viel beitragen. Sie waren es aber, die die Feuerwehr gerufen hatten. Detailgenau fragen Richter, Gutachter und Staatsanwälte nach. Einer von ihnen berichtet von einem „riesigen Feuerball“ und „gigantischen Explosionen“. Er habe schon geschlafen, als es nach Mitternacht bei ihm klingelte. „Brauche Hilfe, Feuer, es brennt“, habe ein dunkelhäutiger Mann gerufen, der dann barfuß weggerannt sei. Doch als die Feuerwehr ankam, stand das Haus schon „lichterloh in Flammen“, wie es ein anderer Zeuge schilderte.

    Breno soll an diesem Tag nach einem heftigen Streit mit seiner zehn Jahre älteren Frau Renata zu viel Bier und zu viel Portwein getrunken haben. Die Frau und die drei Kinder hätten das Haus fluchtartig verlassen, heißt es. Der Alkohol habe den dauerverletzten Fußballprofi enthemmt, vermutet die Staatsanwaltschaft, die Sachzerstörungswut oder einen Selbstmordversuch als mögliches Motiv des Brandstifters nennt. Breno jedenfalls hatte beim Eintreffen der Polizei drei Feuerzeuge in seiner Tasche. Trotzdem sagte er zunächst aus, seine Frau habe das Feuer gelegt. Inzwischen hat er das widerrufen.

    Der 22-Jährige selbst bleibt trotz der heftigen Vorwürfe optimistisch. Fast schon naiv mutet allerdings die vom ihm geäußerte Hoffnung an, das Gericht werde die Dinge „schon in seinem Sinne regeln“.

    Giovane Elber hofft das auch. Breno sei ein „braver Junge“, wiederholt er fast mantraartig, er trinke heute nicht mehr, das Knie sei wieder heil. Elber kann sich wie kein anderer in die Gefühlswelt des Vinicius Rodrigues Borges hineinversetzen. Auch er schmorte am Anfang seiner Karriere in Europa beim AC Mailand ein Jahr lang auf der Ersatzbank, bevor er über die Schweiz nach Stuttgart und München verkauft und dort zum Star wurde. Der 39-Jährige kennt die Stimmungsschwankungen, die durch langwierige Verletzungen, Angst um die Karriere und Heimweh entstehen.

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