Im Rückblick wird die Vergangenheit oft verklärt. Als die letzte Partie gespielt war, warfen die Münchner ihren Trainer in die Höhe, als habe es davor keinerlei Reibereien gegeben. Selbst Thomas Müller strahlte, dabei hatte der seinen Platz in den wirklich wichtigen Partien meistens auf der Bank. Das letzte Spiel Pep Guardiolas bescherte dem FC Bayern im Mai 2016 den DFB-Pokal. Einzig Franck Ribéry sandte dem Spanier einige unfreundliche Worte nach. Guardiola sei noch jung und müsse viel lernen, sagte der Franzose. Guardiola hatte Ribéry mit seinen taktischen Vorgaben genervt, bisweilen auch überfordert.
Ancelotti musste gehen - Ribéry ist glücklich
16 Monate später sind die Bayern ihren nächsten Trainer los. Ribéry ist abermals glücklich über die Trennung. Carlo Ancelotti hatte ihn wahlweise nicht aufgestellt oder – ein Akt liederlicher Selbstüberschätzung – vorzeitig vom Feld genommen. Doch auch der Rest der Mannschaft verpasste die Möglichkeit, Ancelotti zum Adieu hochleben zu lassen. Der Großteil begrüßt das Aus des Coaches.
Der Italiener hatte den letzten Rest Rückhalt in der Mannschaft verloren, als er sein Team mit einer recht eigenwilligen Aufstellung in die Partie in Paris schickte. 90 Minuten und drei Gegentore später war das Kapitel Ancelotti beim FC Bayern beendet. Das Scheitern des Trainers ist aber nicht nur das Scheitern eines Einzelnen, sondern auch das der kompletten Führungsebene der Münchner.
Die Zahl unglücklicher personeller Entscheidungen häuft sich, seit Uli Hoeneß im vergangenen Jahr nach seiner Haft zum FC Bayern zurückgekehrt ist.
Die Aufgaben des Sportdirektors Matthias Sammer blieben der Öffentlichkeit bis zum heutigen Tag verborgen. Möglicherweise erging es Hoeneß ähnlich. Jedenfalls kümmerte es ihn kaum, dass der Posten eine Saison lang vakant war. Die Verpflichtung von Philipp Lahm scheiterte, weil dieser weitreichende Kompetenzen einforderte. Stattdessen fungiert nun Hasan Salihamidzic als ein Bindeglied zwischen Mannschaft und Bossen.
Der ehemalige Bayern-Spieler konnte die immer mieser werdende Stimmung ebenso wenig drehen wie der vor der Saison verpflichtete Co-Trainer Willy Sagnol. Beides ehemalige Publikumslieblinge der Münchner Fans. „Stallgeruch“ wird ein derartiges Vorleben in Sportkreisen genannt. Passabler Stallgeruch kann auch mal Lücken im Lebenslauf übertünchen.
Abträglich auf die Strategie künftiger Transfers könnte sich zudem der Abschied von Kaderplaner Michael Reschke auswirken, der kurz vor der Saison als Sportvorstand zum VfB Stuttgart wechselte. Sammer und Reschke waren es auch, die mit ihren Transfers eine Mannschaft zusammenstellten, die unter der Leitung Guardiolas in Deutschland für Langeweile aufgrund ihrer Übermacht sorgte. Vergangenheit.
Der kommende Trainer hat nun die Aufgabe, ein verunsichertes Team wieder zu beruhigen. Überraschenderweise erfuhr ausgerechnet Guardiola, wem diese schwierige Aufgabe zuteilwird. Der Katalane traf sich am Dienstag mit Hoeneß zum freundschaftlichen Austausch in einer Münchner L’Osteria. „Ich habe ihm auch gesagt, wen wir in den nächsten Tagen präsentieren – und da war er einverstanden“, teilte der Präsident der Abendzeitung mit.
Verkünden wollte man die Entscheidung der Öffentlichkeit aber noch nicht. Sie muss weiter warten, bis weißer Rauch über der Säbener Straße aufsteigt. Aus Sicht der Führungsfigur kann man sich einer Berufung zum Bayern-Coach ja auch ebenso wenig entziehen wie der Wahl zum Papst.
Neuer Bayern-Trainer: Thomas Tuchel bleibt Favorit
Favorisierter Kandidat bleibt Thomas Tuchel, der in seinem Habitus am ehesten Guardiola gleicht. Dem aber seit seinem Aus in Dortmund der Ruf nachhängt, seine zwischenmenschlichen Qualitäten könnten mit den fachlichen nicht Schritt halten. Verteidiger Mats Hummels ist von den Bayernchefs Hoeneß und Rummenigge zu seinem früheren Trainer Thomas Tuchel jedenfalls schon befragt worden. „Sie haben mit mir gesprochen und mich etwas gefragt. Ich habe meine Meinung gesagt“, berichtete der Nationalspieler gestern vor dem Länderspiel in Belfast.
Der Hoffenheimer Julian Nagelsmann hat in Uli Hoeneß einen großen Fan, wird allerdings unter der Saison seinen derzeitigen Job nicht einfach hinwerfen. Und wer bitte sollte diesen Haufen aufgeschreckter Ich-AGs bis zum Ende dieser Spielzeit betreuen?
Außenseiterchancen werden Luis Enrique eingeräumt, der nach der vergangenen Saison den FC Barcelona verließ. Guardiola dürfte mit jedem der Kandidaten einverstanden sein.
Viel mehr als auf den künftigen Trainer kommt es aber auf die Strategie der Bosse an.