Der neue Mann verkörpert seine Tugenden von Anfang an. Das Sakko hat er gar nicht erst an, die Ärmel des weißen Hemdes sind bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt. Hasan Salihamidzic ist keiner, der sich Gedanken darüber macht, was sich zu bestimmten Anlässen gehören könnte oder nicht. Auch wenn sich seine Chefs links und rechts von ihm im feinen Zwirn zeigen, um ihn, den neuen Sportdirektor, zu präsentieren – Salihamidzic hängt sein Sakko erst mal auf seine Stuhllehne und grinst frech in die Runde.
So kennen sie ihn beim FC Bayern. Der Bosnier spielte fast zehn Jahre beim Rekordmeister, hat hier zwischen 1998 und 2007 so ziemlich alle emotionalen Ausnahmesituationen durchlebt, die ein Verein haben kann: das verlorene Champions-League-Finale 1999, der Titel 2001, dazu die Last-Minute-Meisterschaft im selben Jahr. Salihamidzic war kein Edeltechniker, aber einer, der sich für den Verein aufgearbeitet hat. „Hasan ist ein fleißiger und loyaler Mitarbeiter“, sagt Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. „Er hat sich in der Fußballwelt ein großes Netzwerk aufgebaut und spricht fünf Sprachen.“
Sportdirektor beim FC Bayern: Hasan Salihamidzic eine Notlösung
Trotzdem: Dass am Nachmittag ausgerechnet der Bosnier zwischen Rummenigge und Uli Hoeneß im Presseraum an der Säbener Straße Platz nahm, war eine Überraschung. Ging es um den Posten des Sportdirektors, fielen im Umfeld der Bayern zuletzt ganz andere Namen: Philipp Lahm, Max Eberl, Mark van Bommel. Doch die Bayern-Bosse haben sich anders entschieden. Oder besser gesagt: Sie mussten sich anders entscheiden. Mit Lahm hatte der bevorzugte Kandidat dem Rekordmeister bereits vor Monaten eine Absage erteilt. Ist Salihamidzic jetzt also die Notlösung kurz vor dem Start der neuen Saison? „So fühle ich mich nicht“, sagt der Bosnier. „Ich kenne den Verein mit all seinen Strukturen und identifiziere mich zu 100 Prozent damit.“ Für Manager Uli Hoeneß soll Salihamidzic, der den Bayern-Tross bereits auf der Asien-Tour begleitet hatte, stellvertretend für eine nachhaltige Vereinspolitik stehen. „Wir müssen wegkommen von den 100-Millionen-Transfers, zurück zu den Wurzeln, zum Nachwuchs, zu den Fans.“
Der Bosnier, der sich als Kind alleine ohne Eltern in Deutschland durchgeschlagen und nach oben gearbeitet habe, als Gegensatz zu den Auswüchsen des modernen Fußballs. „Er ist genau das, was wir brauchen.“
Seitdem Matthias Sammer im vergangenen Sommer seinen Posten geräumt hatte, blieb die Stelle des Sportdirektors bei den Bayern unbesetzt. „In den letzten Monaten ist uns klar geworden, dass wir diese Position dringend neu besetzen müssen“, sagt Hoeneß.
Vertrag bis 2020 für Hasan Salihamidzic
Salihamidzic bekommt einen Vertrag bis 2020, das Papier dazu soll erst heute unterschrieben werden. Seine Hauptaufgabengebiete sind laut Rummenigge der Nachwuchs und das Scouting. „Er wird bei allen Transfergesprächen dabei sein.“ Ob dieses „dabei sein“ auch heißt, dass der an sich ruhige Salihamidzic Entscheidungsbefugnisse bekommt, wird sich zeigen. „Er wird eine wichtige Rolle im Verein spielen“, beteuert Rummenigge.
Davon ist offenbar nicht jeder im Klub begeistert. Trainer Carlo Ancelotti reagierte, angesprochen auf die neuen Verhältnisse, etwas gereizt. „Wir haben in der letzten Saison alle gute Arbeit gemacht. Ein Sportdirektor hat nicht gefehlt“, sagte der Italiener, der deutlich machte, dass es der Verein war, der in diesem Punkt eine andere Auffassung vertrat. „Hasan ist kein Aufpasser für den Trainer“, spricht Rummenigge den Eindruck an, der bei so manchem Beobachter entsteht. Ein Bindeglied soll er stattdessen werden, zwischen Verein, Mannschaft und Trainer. Salihamidzics erster Auftritt in neuer Funktion ist Dienstagabend. Beim Spiel gegen den FC Liverpool wird er bereits auf der Bank sitzen. Wahrscheinlich wieder ohne Sakko.