Das Thema berührt ihn. Wenn man Jan-Ingwer Callsen-Bracker darauf anspricht, wie und wer ihn nach seiner Verletzung alles unterstützt hat, glänzen seine Augen. "Ich habe sehr viele Genesungswünsche bekommen. Das hat mir im ersten Augenblick sehr geholfen. Das war unglaublich", erzählt der 31-jährige Verteidiger des FC Augsburg und lächelt. Man kann ihn getrost als den Pechvogel des Jahres beim Fußball-Bundesligisten bezeichnen.
Der Abend des 11. Dezember 2015, als der FCA in der Europa League mit einem 3:1-Erfolg bei Partizan Belgrad ein Fußballwunder feierte, wurde für ihn zum Albtraum. Callsen-Bracker erinnert sich noch gut an diesen Augenblick in der 36. Minute, als der Serbe Nikola Ninkovic mit gestrecktem Bein in den Zweikampf rauschte. "Ich habe ihn aus den Augenwinkeln gesehen und mir noch gedacht: Bitte, brich mir nicht das Bein", erzählt Callsen-Bracker. Sein Wunsch blieb unerfüllt. Wadenbeinbruch und zweifacher Bänderriss lautete die schockierende Diagnose.
Knapp drei Wochen später humpelt der Innenverteidiger immer noch auf Krücken ins Therapiezentrum der Hessingpark-Clinic. Mit der Frage, wann er wieder ins Training einsteigen kann, beschäftigt er sich noch nicht. "Vielleicht in vier Monaten, vielleicht erst in fünf. Das hängt vom Heilungsverlauf ab", sagt er mit einem Schulterzucken. Ungeduld hilft ihm nicht weiter. Auch der Ärger über das Foul von Ninkovic ist verraucht: "Bis zur Diagnose war ich schon sehr frustriert, aber nach der Operation blickt man schon wieder nach vorne und plant sein Comeback. Ich will so schnell wie möglich wieder fit werden und arbeite hart dafür."
Callsen-Bracker sieht 2015 nicht als Unglücksjahr
Dass er ein Kämpfer ist, hat er schon zur Genüge bewiesen. Seine letzte schwere Verletzung ist noch nicht allzu lange her. Im März 2015 hatte er sich bei einem Punktspiel in Freiburg einen Teilabriss des Innenbandes zugezogen. Erst in der Vorbereitung zur Saison 2015/16 konnte er wieder ins Training einsteigen. Zu diesem Zeitpunkt wurde ihm auf der rechten Innenverteidigerposition aber der Südkoreaner Jeong-Ho Hong vor die Nase gesetzt. Schon zu dieser Zeit musste der gebürtige Schleswiger auf seine Chance warten. Die er bekam und auch nutzte. Zuletzt saß er wieder "fest im Sattel". Energisch schüttelt er denn auch den Kopf, wenn man von einem üblen Jahr für ihn redet: "Das kann ich nicht behaupten. In diesem Jahr bin ich nach längeren Verletzungen stark zurückgekommen, habe international und in der Bundesliga gespielt und der Mannschaft geholfen. Wir haben bis Weihnachten die Defensive wieder stabilisiert.“"
Dabei lief es für den FCA am Anfang dieser Spielzeit eher schleppend. Nach zwölf Spieltagen stand das Team mit mickrigen sechs Punkten ganz unten im Keller. Doch dann folgte beim VfB Stuttgart der überragende 4:0-Sieg, und auch aus den nächsten vier Partien sicherte sich der Klub weitere zehn Zähler vor der Winterpause. "Es war eine schwierige Situation, denn uns haben die Erfolgserlebnisse gefehlt. Aber wir haben immer die Ruhe bewahrt", nennt Callsen-Bracker einen Grund für den Aufwärtstrend. "Natürlich standen wir vor allem in Stuttgart gewaltig unter Druck. Aber da haben wir nicht durch Glück gewonnen. Da steckte viel Arbeit dahinter. Vor diesem Spiel war Länderspielpause und wir haben uns in dieser Zeit auf die Defensivarbeit konzentriert. Das hat sich dann positiv niedergeschlagen", so Callsen-Bracker weiter.
Callsen-Bracker hat bereits gegen Liverpool gespielt
Wenn seine Verletzung überhaupt etwas Gutes hat, dann ist es der Umstand, dass er nun wesentlich mehr Zeit für seinen Sohn Lasse Erik hat, der im Oktober 2014 auf die Welt kam. Vor wenigen Tagen feierten seine Frau und er das zweite Weihnachten mit dem kleinen Mann. "Die Familie ist das Wichtigste und ein Kind verändert alles", sagt Callsen-Bracker. Das Weihnachtsfest hat die Familie zu Hause in Augsburg gefeiert. Das wäre auch ohne Verletzung so gekommen. "Den Reisestress wollten wir sowieso nicht", meint der Innenverteidiger. Seine Eltern haben ihn und seine Familie über Silvester besucht. Seine Wünsche für das kommende Jahr sind bescheiden: "Ich will so schnell wie möglich gesund werden und möchte, dass wir mit dem FCA den Klassenerhalt schaffen." Während die Mannschaft am 9. Januar 2016 nach Spanien ins Trainingslager fliegt, wird er weiter in der Hessingpark-Clinic an seinem Comeback arbeiten. Sportlich wird er allerdings einiges versäumen. Vor allem die beiden Highlights zu Beginn des Jahres 2016, wenn der FCA in der Europa League am 18. und am 25. Februar gegen den FC Liverpool spielt. Doch das kommentiert Callsen-Bracker mit einem Lächeln: "Ich habe schon zu Tobi (Tobias Werner) scherzhaft gesagt, dass dieses verpasste Highlight für mich nicht so tragisch ist. Ich habe ja schon als 20-Jähriger mit Bayer 04 an der Anfield Road gespielt."
2005 war Callsen-Bracker für Leverkusen in der Champions League sowohl im Hin- wie auch im Rückspiel gegen Liverpool im Einsatz. Leverkusen unterlag zweimal 1:3. Doch das Resultat ist für Callsen-Bracker heute nicht mehr wichtig: "Das war ein Riesenerlebnis und ich freue mich für die Jungs, die dann dort spielen werden."