Die Frage nach seiner Motivation nervt Christoph Janker. Der Innenverteidiger des FC Augsburg verzieht ein wenig den Mundwinkel, lacht und antwortet erst mit einer Gegenfrage: Wie man sich denn selbst in seinem Beruf motiviere.
Dabei liegt es durchaus auf der Hand, sich dafür zu interessieren, wie ein Fußball-Profi jeden Tag im Training sein Bestes gibt, wenn er am Wochenende selten spielt. Christoph Janker hat seit seinem Wechsel im Januar 2015 von Hertha BSC zum FC Augsburg gerade einmal drei von 58 Bundesligaspiele für den FCA komplett absolviert.
Das dürfte denn 31-Jährigen nicht verwundern, denn genau dafür wurde er Ende Januar 2015 geholt. Als Teilzeitarbeiter, als Ergänzungsspieler, wie es im Fußball-Neudeutsch heißt, als einer der eigentlich nur spielt, wenn einer der Stammspieler fehlt oder geschont wird. Damals war Jeong-Ho Hong mit einem Knochenödem länger ausgefallen. Manager Stefan Reuter und Chef-Scout Stefan Schwarz kannten Janker aus ihrer gemeinsamen Zeit bei 1860 und in Hoffenheim, erinnerten sich und holten ihn aus Berlin nach Augsburg.
Christoph Janker war lange Innenverteidiger Nummer vier beim FC Augsburg
Der gebürtige Chamer kam, spielte sofort gegen Dortmund, sah dort beim sensationellen 1:0-Sieg die Rote Karte und schlüpfte nach seiner Zwangspause dann wieder in seine Rolle als Wartender. Hong, Ragnar Klavan und Jan-Ingwer Callsen-Bracker standen von nun an in der Hierarchie vor ihm.
Vor dieser Saison schien sich das Blatt zu wenden. Hong und Klavan wurden verkauft, Callsen-Bracker ist immer noch verletzt, Neuzugang Marvin Friedrich nicht einsatzfähig. Der Platz neben Jeffrey Gouweleeuw schien frei. Janker spielte gegen Wolfsburg, doch dann holte der FCA Martin Hinteregger. Das Duo Hinteregger/Gouweleeuw war gesetzt. Janker wieder draußen.
Doch das Unglück des Niederländers, der nach einem Lungenkollaps noch Monate fehlen wird, war das Glück von Janker. Gegen Schalke stand er wieder in der Startelf. Und überzeugte beim 1:1 nicht nur Trainer Dirk Schuster. Der sagt: „Er hat nach der Pause, als er sich in die Rolle als dritter Mann hinter Gouweleeuw und Hinteregger nahtlos eingefügt hat, gezeigt, dass er jederzeit in der Lage ist, Bundesliga zu spielen.“ Und das quasi aus dem Stand. Ohne viel Wettkampfpraxis.
„Einfach war es nicht. Aber es gibt nichts zu jammern. Ich freue mich einfach, dass ich spielen kann“, sagt er bescheiden. Dass es gegen Schalke läuft, hat er schnell gemerkt. „Die ersten Aktionen wie Pässe und Zweikämpfe sind wichtig, dass man ein gutes Gefühl bekommt. Aber so geht es auch den Jungs, die jede Woche auf dem Platz stehen“, sagt er in seinem sympathischen Oberpfälzer Dialekt.
Im Jahr 2010 wäre Janker beinahe ein Bein amputiert worden
Den hat er auch in fünf Jahren Berlin nicht verloren. Dort hat er einiges mitgemacht. 2010 wäre ihm wegen eines Kompartmentsyndroms (Durchblutungsstörung im Gewebe) beinahe ein Bein amputiert worden, eine 35 Zentimeter lange Narbe erinnert ihn daran. Er brach sich das Jochbein, es folgte ein Leistenbruch, eine unendliche Verletzungsodyssee. Janker hat nicht viel gespielt, aber viel gelernt. Zweimal ist er mit Hertha auf- und zweimal abgestiegen. Ein richtiges Mannschaftsgefühl hat er nie gespürt.
Beim FCA ist das anders. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Nummer eins und Nummer 18. Janker: „Der Zusammenhalt ist etwas Besonderes. Wir haben hier Jungs mit Paul und Daniel, die schon sieben, acht Jahre hier spielen. Das ist nicht selbstverständlich in einer Bundesligamannschaft. Wir haben eine Hierarchie, jeder weiß was gefordert und gefragt wird. Keiner nimmt sich zu wichtig. Das ist für mich der Schlüssel für den Erfolg.“
Janker handelt danach. Er ist loyal und er ist einer, der auch, wenn er nicht viel spielt, respektiert wird. Er hat Abitur, das große Latinum, ein abgeschlossenes Fernstudium in Betriebswirtschaftslehre. Sein Wort hat Gewicht, er ist im Mannschaftsrat. Da hat er sich um Georg Teigl gekümmert. Janker: „Wir als Mannschaft stehen zu ihm, da gibt es nichts zu deuteln. Wir sind auf ihn zugegangen und haben gesagt, wir gehen da zusammen durch.“
Zusammenhalt, Teamgeist – Werte, die Janker vorlebt. Das macht ihn, aber auch Halil Altintop, 32, und Markus Feulner, 34, so wichtig. Nicht wenige sagen, sie seien zu alt. Doch die unterschätzen den Wert solcher Spieler. Der FCA ist als Bundesligist insgesamt und auch in dieser Saisonphase noch nicht so weit, nur auf junge Ersatzspieler bauen zu können. Er braucht die Erfahrung eines Jankers, eines Altintops, ihre Zuverlässigkeit, auf den Punkt Leistung zu bringen und ihren gelassenen Umgang mit ihrer Rolle auf der Bank. Junge Profis mit dieser Qualität würden wohl quengeln, nicht ruhig auf ihre Chance warten.
Unter Dirk Schuster hat sich Christoph Janker einen Stammplatz erkämpft
Janker hat sich erst mal seinen Stammplatz als Innenverteidiger erobert. Trainer Schuster sagt: „Mit dieser Leistung hat er alle Rechte in Freiburg wieder aufzulaufen.“ Beim Sportklub gastiert der FCA am Samstag (15.30 Uhr). Es könnten noch ein paar Spiele mehr werden. Callsen-Bracker und Friedrich sind noch immer nur in Laufschuhen unterwegs, Tim Rieder scheint keine wirkliche Option zu sein.
In der Winterpause wird sich der FCA wohl nach einen neuen Innenverteidiger umschauen. Schon jetzt hatte man den Markt sondiert. Doch einen vertragslosen Profi ohne Spielpraxis wollte man nicht. Schuster sagt: „Wir haben uns schon umgeschaut. Und wir werden die Augen und Ohren weiter offen halten.“
Ob dann ein Spieler ausgeliehen oder gekauft wird, lässt Schuster offen. Vielleicht reagiert der FCA nicht, das ist aber unwahrscheinlich.
Egal, was der Verein tun wird, Janker, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, wird sich damit arrangieren. Er sieht sich als ein Teil des Ganzen. Daraus, und damit beantwortet er die Eingangsfrage, zieht er seine Motivation: „Ich trainiere jeden Tag und mache das gerne. Wenn ich ein Einzelsportler wäre, müsste ich Tennis spielen oder zum Golfen gehen. Das bin ich aber nicht. Für uns ist es wichtig, dass wir als Mannschaft die Punkte holen und unsere Ziele erreichen.“