Sie absolvieren am Samstag Ihr 34. Bundesliga-Spiel in dieser Saison. Allerdings hing diese bemerkenswerte Leistung am seidenen Faden. Sie gingen in das Spiel gegen Braunschweig mit vier Gelben Karten. Eine Verwarnung und sie wären gesperrt gewesen.
Baier: Stimmt, da habe ich etwas aufpassen müssen.
Gab es eine Situation, in der Sie daran gedacht haben?
Baier: Nein, wenn ich ins Spiel gehe, gebe ich 100 Prozent, ohne Rücksicht. Natürlich passt man auf, dass man keine unnötigen Fouls macht oder dass man den Ball wegschlägt. Aber im Zweikampfverhalten bin ich reingegangen wie immer.
Es ist am Samstag auch Ihr 100. Bundesligaspiel für den FCA. Haben Sie solche Daten eigentlich im Kopf?
Baier: Ich wusste schon am Anfang der Saison, dass, wenn ich 34 Spiele mache, das letzte Spiel auch das 100. ist. Von daher war es schon ein Ziel für mich, alle Spiele zu machen. Und was besonders ist, bisher habe ich ja noch keine Sekunde gefehlt. Da gibt es in der Bundesliga als Feldspieler nur Ricardo Rodriguez von Wolfsburg. Das ist schon etwas Besonderes und Außergewöhnliches. Und dass es am letzten Spieltag auch mein 100. Bundesligaspiel ist, ist auch etwas Besonderes in dieser kurzen Zeit. Ich bin der erste FCA-Spieler, der diese Marke erreicht. Da bin ich schon ein wenig stolz drauf.
Woher kommt diese Zuverlässigkeit? Sie sind kaum verletzt. In den beiden Spielen, in denen Sie in drei Jahren gefehlt haben, waren sie gelbgesperrt.
Baier: Ich bin froh, dass es so ist. Vor dem Gladbach-Spiel stand mein Einsatz kurz auf der Kippe, weil ich mit dem Knie Probleme hatte. Es kann schnell etwas passieren. Ich lasse mich oft bei unserem Physiotherapeuten Markus Zayer behandeln. Wir beugen viel vor. Ich habe manchmal Probleme, wenn mein Becken nach langem Sitzen oder einer langen Reise etwas schief steht.
Das Spiel gegen Frankfurt ist ein Finale . . .
Baier: Das zeigt, wie außergewöhnlich diese Saison ist. Jetzt haben wir die Chance, um Europa zu spielen. Wir müssen unser Spiel gewinnen. Das wollen wir auch, egal wie es in den anderen Stadien ausgeht. So haben wir uns vorbereitet. Alles andere werden wir nach dem Spiel sehen.
Sie haben gesagt, Sie würden sich gerne zwei Träume verwirklichen: einmal im Pokalendspiel stehen und einmal international spielen. Letzteres könnte am Samstag in Erfüllung gehen.
Baier: Ich habe eher damit gerechnet, dass wir uns vielleicht durch das Endspiel für das internationale Geschäft qualifizieren. Jetzt müssen wir es eben auf dem anderen Weg machen.
Nach der Heimniederlage am 27. Spieltag gegen Leverkusen waren sie richtig sauer. Mit einem Sieg wären sie an Mainz vorbeigezogen.
Baier: Damals war ich sauer, weil wir die Heimspiele gegen Schalke und Leverkusen - beides sind Champions-League-Teilnehmer - nicht hätten verlieren müssen. Da sieht man, was für ein Moral und Ehrgeiz die Mannschaft hat. Vor zwei, drei Jahren waren wir froh, dass wir gegen Schalke und Leverkusen spielen durften. Jetzt ist unser Anspruch zu Hause zu gewinnen.
Hätten Sie gedacht, dass Sie mit dem FCA um Platz sieben kämpfen?
Baier: Natürlich nicht. Wir sind nur mit dem Ziel in die Saison gestartet, in der Liga zu bleiben. Aber ich habe schon gewusst, dass es schwer ist, gegen uns zu spielen.
Warum ist das so schwer?
Baier: Weil jeder Spieler weiß, was er zu tun hat. Jeder Spieler weiß, dass er 100 Prozent geben muss, wenn wir Spiele gewinnen wollen. Und – wir sind mit unserem System ein unangenehmer Gegner.
Warum ist das so?
Baier: Wir richten uns immer neu auf den Gegner aus. Wir haben verschiedene Ansätze. Ob wir direkt drauf gehen oder uns zurückfallen lassen. Wir gehen auf die Stärken des Gegners ein. Aber wir haben auch Qualität in der Mannschaft, da kann man durch alle Mannschaftsteile gehen. Wir haben zum Beispiel drei Spieler vorne mit Altintop, Werner und Hahn, die jeweils zehn Tore geschossen haben. Das ist für Mittelfeldspieler schon außergewöhnlich.
Sie spielen da sehr variabel. Manchmal im 4-2-3-1, manchmal im 4-1-4-1….
Baier: Wir richten uns immer neu auf den Gegner aus. Wir haben auch verschiedene Ansätze, ob wir direkt drauf gehen oder uns zurückfallen lassen. Wir gehen auf die Stärken des Gegners ein. Aber wir haben auch Qualität in der Mannschaft, da kann man durch alle Mannschaftsteile gehen. Wir haben zum Beispiel drei Spieler vorne mit Altintop, Werner, Hahn, die jeweils zehn Tore geschossen haben. Das ist für Mittelfeldspieler schon außergewöhnlich.
Waren Sie nach dem Sensationssieg gegen die Bayern so schlecht auf die Medien zu sprechen, weil es hieß, das war ein C-Team der Bayern?
Baier: Das war damals respektlos. Wenn Bayern mit einer C-Elf spielte, mit was haben wir dann gespielt? Wir hatten sechs Verletzte. Bei Bayern waren Spieler dabei, die haben alleine einen Marktwert, der höher ist als der gesamte des FC Augsburg. Und wenn man dann unsere Leistung nicht respektiert, kann ich es nicht verstehen.
Sie meiden die mediale Öffentlichkeit. Ihr Privatleben ist tabu. Warum?
Baier: Ich habe mit 18 bei 1860 München in der Bundesliga gespielt, da warst du an einem Tag in drei Tageszeitungen. Da habe ich alles mitgemacht, was die Medien wollten. Tattoos zeigen, mich mit meiner Freundin zeigen. Das würde ich heute alles nicht mehr machen.
Warum?
Baier: Ich bin Fußballer und kein Popstar. Ich will jeden Samstag auf dem Platz zeigen, was ich kann. Danach sollen sie mich beurteilen. Ich will für meinen Trainer, meinen Verein und meine Mannschaft das Beste rausholen. Und das hat nichts damit zu tun, ob ich jeden Tag in der Presse stehe.
Was sind die Gründe für den Höhenflug des FC Augsburg?
Baier: Andere Vereine arbeiten hart, wir arbeiten hart. Aber wir wissen ganz genau, was wir wollen, wo wir herkommen und dass wir 100 Prozent geben müssen, um erfolgreich zu sein. Da tanzt keiner aus der Reihe. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Die Jungs, die nicht spielen, sind natürlich enttäuscht. Aber da hörst du nichts. Und das ist so wichtig für die Mannschaft. Das fängt aber schon oben an. Da hört man nichts von Herrn Seinsch, Herrn Bircks – egal, ob es gut oder schlecht läuft. Es geht weiter bei Manager Reuter und Trainer Weinzierl. Die geben den Weg vor und die Mannschaft folgt. Das ist für mich der Hauptgrund, warum es so gut läuft.
Wie groß ist der Anteil des Trainers?
Baier: Er hat den größten Anteil. Er gibt die Richtung vor, er hat sich das System ausgedacht, er lässt die Spieler spielen, die er für richtig hält.
Wie ist Markus Weinzierl als Trainer?
Baier: Für mich ist er mein wichtigster und bester Trainer. Ich habe ein super Verhältnis zu ihm. Wir reden viel darüber, wie ich die Dinge sehe. Er gibt mir das Vertrauen, das ich brauche. Und ich sehe, wie er Tag für Tag arbeitet und was er für Ideen und Vorstellungen hat. Das trainieren wir dann auch jeden Tag. Es ist ja kein Zufall, was für eine Systematik und was für Abläufe wir im Spiel zeigen. Das wird tagtäglich vorgegeben und trainiert.
Sie hatten drei Trainer in ihrer Laufbahn, die sie geprägt haben: Felix Magath in Wolfsburg, Jos Luhukay und Markus Weinzierl beim FCA. Was waren die Unterschiede?
Baier: Ich würde nicht sagen, dass mich Felix Magath geprägt hat. Es waren aber wichtige Erfahrungen.
Was waren das für Erfahrungen?
Baier: Ich habe die andere Seite erlebt. Bis dahin habe ich immer gespielt, dann habe ich nicht gespielt. Ich habe erfahren, was es heißt, in jedem Training 100 Prozent zu geben. Und ich habe mal die harte Seite erlebt. Da gab es nix Menschliches.
Wie war es dann mit Jos Luhukay?
Baier: Am Anfang war es eine super Zeit. Er wollte mich zurückhaben aus Wolfsburg. Die Aufstiegsspiele im ersten Jahr habe ich ja gemacht, das war schon ein Vertrauensbeweis. Und dann, warum auch immer, war ich nicht der Stammspieler in der Aufstiegssaison. Da hatte ich Höhen und Tiefen. Ich hab mal gespielt, mal nicht, dann kam eine Rote Karte dazu. In der ersten Bundesliga-Saison hat er mir das Vertrauen gegeben und ich habe jedes Spiel absolviert, allerdings auf verschiedenen Positionen. Aber erst Markus Weinzierl hat mich wirklich auf meine Wunschposition gestellt: die Sechs.
Warum passt diese Position wie maßgeschneidert zu Ihnen?
Baier: Ich habe viele Ballkontakte, ich kann das Spiel von hinten machen. Ich bin natürlich der torgefährliche Spieler (schmunzelt), darum ist es besser wenn ich ein wenig defensiver spiele. Ich habe viele Zweikämpfe. Ich hätte nie gedacht, dass ich so viele Kopfballduelle gewinne.
Sie spielen jetzt die dritte Bundesliga-Spielzeit beim FCA wieder überragend. Da muss es doch Anfragen von größeren Vereinen geben?
Baier: Sie werden von mir oder meinem Berater nie eine Äußerung dazu hören. Das wird es nie geben, weil ich das nicht gut finde. Ich bin beim FCA unter Vertrag. Unabhängig davon kann ich mir vorstellen, immer beim FCA zu spielen.
Für immer?
Baier: Ja, ich kann es mir zu 100 Prozent vorstellen, den Verein nicht mehr zu wechseln, dass ich immer für den FCA spielen werde.
Ihr Vertrag läuft bis 2016. Gibt es eine Ausstiegsklausel?
Baier: Es gibt keine, weil ich nicht darüber nachdenke, was anderes zu machen.
Bei anderen Spielern wie Matthias Ostrzolek oder Kevin Vogt sieht das aber anders aus?
Baier: Es sind alles verschiedene Ausgangssituationen, was den Vertrag, das Alter und die persönlichen Interessen betrifft. Mein persönliches Interesse ist es, beim FCA zu bleiben. Weil ich Familie habe, weil wir uns in Augsburg wohlfühlen und ich auch immer in Augsburg bleiben will. Was andere Spieler denken, da kann ich mich nicht reinversetzen. Aber ich persönlich bin überzeugt, dass André Hahn unser einziger Transfer bei laufendem Vertrag bleiben wird. Bei Matthias und Kevin, die noch ein Jahr Vertrag haben, muss man sehen: Wollen sie nach dieser Saison wechseln? Das liegt am Spieler, aber auch am Verein, der entscheidet, ob ein Spieler gehen darf oder nicht.
War es richtig, dass André Hahn geht?
Baier: Das muss er selbst wissen. Er weiß, was er in Augsburg hat, er weiß, was er in Gladbach hat. Da kann sich kein anderer ein Urteil erlauben. Es ist klar, wenn man in seinem Alter so eine Saison in Augsburg spielt und dann die Möglichkeit bekommt, zu einem möglichen Champions-League-Teilnehmer zu wechseln, dass man darüber nachdenkt. Und machen wir uns nichts vor: Er verdient in Gladbach ein Mehrfaches.
Unabhängig davon, ob der FCA in der nächsten Saison international spielt, wo braucht der FCA Verstärkungen?
Baier: Wenn man sieht, wer am Wochenende gespielt hat, fällt mir jetzt keiner ein, der nächstes Jahr nicht mehr da ist. Hahn wird gehen, dafür haben wir Esswein geholt. Vielleicht wird aber auf den Außenpositionen noch etwas passieren. Du verlierst mit Ji und Milik wahrscheinlich zwei Stürmer, vielleicht muss man sich da umsehen. Obwohl ich mit unseren Stürmern sehr zufrieden bin, auch wenn sie momentan vielleicht nicht die Tore schießen. Sie arbeiten sehr viel für die Mannschaft und ich bin von ihrer Qualität überzeugt.
Werden nächste Saison die Ansprüche an Ihre Mannschaft steigen?
Baier: Ich denke schon. Wir sind dreimal in eine Bundesliga-Saison gegangen und dreimal waren wir für alle Abstiegskandidat Nummer eins. Heute noch habe ich in Erinnerung, wie Reiner Calmund in der Bild am Sonntag alle Spieltage getippt hat und wir mit 25 Punkten nur knapp vor Braunschweig standen. Das wird sich ändern. Ich denke nicht, dass wir wieder so weit hinten gehandelt werden.
Sie haben gerade gesagt, Sie würde gerne für immer beim FCA bleiben. Wo geht der Weg des FCA langfristig hin?
Baier: Das weiß ich nicht. Wir wollen ein etablierter Bundesligist werden, wir wollen die Infrastruktur verbessern. Man sieht in den fünf Jahren, in denen ich jetzt hier bin, was sich schon alles getan hat: Zum Beispiel an der Donauwörther Straße oder der Wechsel vom Rosenaustadion in die SGL-Arena. Da haben wir zwei super Trainingsplätze. Es kam das Nachwuchsleistungszentrum, der Nachwuchs spielt Bundesliga, unsere U23 in der Regionalliga. Es hat sich alles super entwickelt und das wollen wir nun konstant hoch halten.
Sie interessieren sich also auch für Dinge, die abseits des Profibereiches passieren. Warum?
Baier: Das ist mein Verein, für den ich spiele. Da interessiert mich alles. Ich schaue auch gerne die U23 an und freue mich, wenn die oben mitspielen und wenn von unten welche nachkommen. Das ist auch ein Ziel, dass wir eigene Nachwuchsspieler ausbilden, die dann vielleicht ihr Bundesligadebüt geben. Auch wenn es schwierig ist.
Sie haben gesagt, außer vor den defensiven Mittelfeldspielern des FC Bayern brauchen Sie sich vor niemanden verstecken.
Baier: Das sehe ich auch so. Für mich spielen bei Bayern die Besten der Welt, aber sonst brauche ich mich in der Bundesliga vor keinem verstecken. Sicher haben auch andere Super-Qualität, aber die habe ich auch.
Der FCA spielte eine überragende Saison. Gibt es noch Luft nach oben?
Baier: Die gibt es. Wir haben eine junge, entwicklungsfähige Mannschaft. Wir machen noch nicht alles perfekt. Jeder muss sich bewusst sein, nächste Saison geht es nicht mit 90 Prozent. Wir können uns für diese Saison nichts kaufen. Es fängt wieder bei Null an, wir müssen uns wieder alles erarbeiten, jedem muss klar sein, dass wir wieder 100 Prozent geben müssen.
Sie fühlen sich mit ihrer Familie hier in Augsburg sehr wohl. Was macht dieses Gefühl aus?
Baier: Kleinigkeiten. Wir sind eine normale Familie. Für uns ist es wichtig, mit welchen Leuten wir zusammen sind, wir haben uns hier einen Freundeskreis aufgebaut. Unsere Tochter kommt im August in die Schule. Wir fühlen uns in der Stadt wohl. Es war die beste Entscheidung, dass wir uns mitten in der Stadt eine Wohnung gesucht haben. Die kurzen Wege sind perfekt.
Ihre Frau ist gebürtige Münchnerin, da verwundert es schon, dass Sie so in Augsburg verliebt sind? Was macht dieses Gefühl aus?
Baier: Kleinigkeiten. Wir sind eine normale Familie. Für uns ist es wichtig, mit welchen Leuten wir zusammen sind, wir haben uns hier einen Freundeskreis aufgebaut. Unsere Tochter kommt im August in die Schule. Wir fühlen uns in der Stadt wohl. Es war die beste Entscheidung, dass wir uns mitten in der Stadt eine Wohnung gesucht haben. Die kurzen Wege sind perfekt.
Wie hoch beziffern Sie die Chancen, dass der FCA am Samstag um 17.15 Uhr auf Platz sieben steht?
Baier: Ich finde Mainz hat eine super Mannschaft, einen super Trainer, ein super Stadion. Ich sage aber auch, es geht doch nicht, dass man mit 27 Punkten in die Relegation geht. Von daher muss Hamburg was holen. Wir werden es sehen.
Wäre es eine Enttäuschung, wenn es mit der Europa League nicht klappt?
Baier: Wir wären vielleicht ein wenig enttäuscht, wenn Mainz patzt und wir patzen. Dann machst du dir vielleicht Vorwürfe. Aber wenn wir alles getan haben und es langt trotzdem nicht, ist es auch ok. Weil es eine großartige Saison von uns war.
Das Interview führte Robert Götz