Morgens, 6.30 Uhr, ein verschlafener Sportredakteur schreitet gemächlichen Schrittes durch das die Außenwelt vom Arbeitsleben trennende Drehkreuz. Kurz bevor er den Fuß in die Redaktionsstube setzen willen, hört er leise, nichtsdestotrotz energische Schimpftiraden. "Mist verdammter. Brat mir doch nen Regenwurm. So schaff ich es nie rechtzeitig nach Kiew." Journalist verortet auf der Grünfläche vor dem Bürokomplex einen kleinen schwarzen Haufen. Bei genauerem Hinsehen, fällt ihm auf: ein Maulwurf.
Hallo Herr Maulwurf, kann ich Ihnen irgendwie helfen?
Maulwurf: Jetzt geben Sie mir erst mal ihre Sonnenbrille, Herr Diekmann. Blendet ja wie Sau hier.
Pardon, da muss ein Irrtum vorliegen. Ich bin nicht Herr Diekmann, sondern ...
Maulwurf: Wie, Sie sind nicht Diekmann? Dann bin ich auch gar nicht bei der Bild in Berlin.
Maulwurf lässt sich bestechen
Ne, Sie sind hier in Augsburg.
Maulwurf: Mist, wieder vergraben. (Maulwurf faltet einen plakatwandgroßen Zettel auseinander, zu sehen ist ein komplex wirkendes Kanalsystem). Möcht mal wissen, wo ich falsch abgebogen bin.
Na, aber wenn Sie schon mal da sind: Vielleicht wollen Sie mir ja sagen, was Sie Herrn Diekmann mitteilen wollten ...
Maulwurf: Hm. Das wird den Kai nicht freuen. Aber ich sag mal so: Gegen einen Becher feinster Käfer-Remoulade ließe sich mein Schnäuzchen vielleicht das ein oder andere Wort entlocken.
(Reporter gräbt, wird vom Mann an der Pforte mehrmals verscheucht und serviert nach einer Stunde und hier nicht näher genannten Tätigkeiten die gewünschte Delikatesse.)
Bevor wir anfangen, könnten Sie sich bitte einmal über die Nase fahren, die schimmert so weiß. Eins sag ich Ihnen gleich. Mit Abhängigen mache ich keine Geschäfte.
Maulwurf: Abhängig? Unfug. Ich war nur kurz beim Jogi im Zimmer. Bisschen schnüffeln. Bin wohl am Sechs-Liter-Nivea-Vorratseimer kurz hängen geblieben.
Na gut, also dann: Wie wird die deutsche Mannschaft heute gegen Italien auflaufen. Gomez oder Klose, Reus oder Müller?
Maulwurf (holt einen Zettel aus dem Maulwurfshügel): Ich diktiere: Kinderriegel für Mario, Sitzkissen für Benedikt und Ilkay, Baldrian für Tim, Maulkorb für Toni, Hotelführer "luderfreie Absteigen" für Jerome, Wendebettdecke für Mario ...
Äh, tschuldigung, das ist jetzt aber nicht die Aufstellung.
Maulwurf: Heiliger Storch, stimmt. Das war ja der Einkaufszettel vom Hansi.
Kann es sein, dass wegen derartiger Indiskretionen ihr Image arg ramponiert ist.
Maulwurf: Ach was, ich hab mich darüber lange mit dem Mario unterhalten. Der sagt auch, er hat lange versucht, es allen recht zu machen. Das geht einfach nicht. Seitdem er sein Ding durchzieht, läuft's. Und so mach ich das auch. Is mir egal, was die anderen von mir halten.
Na, wenn das so ist, dann verraten Sie mir doch bitte mal, wie ich mir die Arbeit eines professionellen Maulwufs so vorstellen darf.
Maulwurf: Das ist weniger spektakulär, als man es sich gemeinhin vorstellt. Über einen Mittelsmann werde ich von Medienhäusern angesprochen. Wenn es mein Terminplan zulässt und ich nicht gerade Abenteuerurlaub auf einer Großbaustelle mache, hör ich mir alles an. Und dann geht`s los. Ich komme überall rein. Vorgärten, Grillfeste - und natürlich auch Hotelzimmer. Da muss man halt ein wenig geschickt sein. Pelzmäntel der Spielerfrauen nutzen, die Frisur von Puyol war mal legendär oder einfach in den Hosentaschen der Spieler. Ja und dann wird alles was von Belang sein könnte an den Auftraggeber gekabelt.
Dann mal raus mit der Sprache: Was gibt es für Geheimnisse aus dem deutschen Mannschaftshotel?
Maulwurf: Seitdem Poldi mehr liest, hat seine Perfomance an der Playstation extrem nachgelassen.
Schalke 04 ist die Lieblingsmannschaft
Wie, Poldi liest?
Maulwurf: Ja ja, schon seit zwei Jahren. Hat zusammen mit Jerome und Miro einen Buchclub gegründet. Am Anfang haben sie eher mit leichter Kost vorlieb genommen. "Die wilden Kerle", "Grüffelo", "Mio mein Mio". Aber jetzt: "Krieg und Frieden", "Faust II", "Die Räuber".
Aha, und wie sind Sie mit Ihrem Arbeitsumfeld zufrieden?
Maulwurf: Die Infrastruktur vor allem in der Ukraine ist einfach traumhaft. Ich sag nur: KGB. Davon profitieren wir Maulwürfe heute noch.
Dann wollen wir mal langsam zum Schluss kommen, Sie wollen ja rechtzeitig zum Finale in Kiew sein. Eine persönliche Frage: Wer ist eigentlich Ihre Lieblingsmannschaft?
Maulwurf: Schalke 04.
Liegt ja auf der Hand. Auch Grubenarbeiter und so.
Maulwurf: Ne ne, die sind nur genauso blind wie ich.
Letzte Frage: Wie spielt denn nun Deutschland heute?
Doch da ist der Maulwurf bereits wieder ins Erdreich entschwunden.