Ernst Köpf aus Eschach bei Füssen ist am liebsten daheim, kümmert sich um seine Ferienwohnungen und spielt Golf. „Mich bringt so leicht nichts aus dem Haus.“ Doch als vergangenes Jahr die Herren vom Bayerischen Fernsehen bei ihm vorstellig wurden, ließ sich der 76-jährige zu einer Reise in die Vergangenheit überreden. Der 154-fache Eishockey-Nationalspieler fuhr noch einmal mit ehemaligen Kollegen nach Innsbruck, in die Stadt seines größten Triumphs.
Auf einmal waren sie wieder präsent – die Tage im Jahr 1976, als die Nationalmannschaft innerhalb kürzester Zeit von der Lachnummer zur Sensation wurde. Köpf und Co. gewannen die olympische Bronzemedaille. Es ist eine verrückte Geschichte voller Emotionen und einem Ende, wie sie Hollywood kaum besser inszenieren hätte können. 0,041 war am 14. Februar 1976 die Glückszahl für Deutschland. Der Torquotient entschied.
Ein Wiedersehen in der Tiroler Olympiastadt
Am Donnerstag steht Ernst Köpf im roten Pullover im Münchner Filmtheater am Sendlinger Tor und lässt sich nach der Vorpremiere der eindrucksvollen TV-Dokumentation beglückwünschen. Die Rolle eines Hauptdarstellers ist nicht seine Sache, aber er genießt es, wie die Fernsehmacher die Erlebnisse von Innsbruck wieder zum Leben erweckten.
Als sich die Spieler 2015 in der Tiroler Olympiastadt trafen, war auch Lorenz Funk dabei. Der Bad Tölzer ist an Krebs erkrankt, ließ es sich aber nicht nehmen, zusammen mit dem Freunden noch einmal gedanklich ins Olympiajahr einzutauchen. Beim Wiedersehen mit Funk ist Kapitän Alois Schloder den Tränen nahe. Das gehört zu den bewegendsten Momenten des Films. Die Eishockey-Cracks im Ruhestand besuchten das Berg-Isel-Stadion und gingen in der früheren Eishalle auf Spurensuche.
Noch einmal sprechen die Besucher über die Tage vor 40 Jahren: Nach einer missglückten Vorbereitung war sich die deutsche Presse einig: Das Team von Xaver Unsinn wird zum Prügelknaben werden, so der Tenor. Aber dem Berliner Meistertrainer Xaver Unsinn aus Füssen gelang es, seine „Bayern-Auswahl“ rechtzeitig in Form zu bringen, auch wenn Stefan Metz Defizite einräumt. „Teilweise haben wir vogelwild gespielt“, sagt der Kaufbeurer, der damals für Berlin spielte und inzwischen von Ingolstadt aus als Berater tätig ist. „Unsinn hatte die Taktik, uns Freiraum zu lassen“, so Franz Reindl, der es vom Nationalspieler zum Präsidenten des Deutschen Eishockey-Bundes gebracht hat. Alois Schloder, Erich Kühnhackl und Lorenz Funk waren die treibenden Kräfte innerhalb der Mannschaft.
Der Weg zu Olympia-Bronze
Nach Siegen gegen die Schweiz und Polen sowie Niederlagen gegen die UdSSR, die CSSR und Finnland war plötzlich sogar eine Medaille in Reichweite. Da Finnland gegen die USA verloren hatte, müsste das BRD-Team „mit vier Toren Unterschied gegen die Amerikaner gewinnen“, so die damalige Hochrechnung von Kapitän Schloder.
Nach 20 Minuten stand es 0:0. „Aber wenn einer die Nudel reinbringt, platzt der Knoten“, war Franz Reindl überzeugt. Erich Kühnhackl und Rainer Philipp brachten das Team mit 2:0 in Führung. Nach dem 1:2 erhöhten Alois Schloder und Ernst Köpf auf 4:1. Im Film zeigt der Allgäuer an alter Stätte noch einmal, wie er die Scheibe dem US-Torhüter durch die Beinschoner geschoben hat.
Die Spieler sind 1976 der Meinung, dass noch ein Treffer zu Bronze fehlt. Sie forderten Bundestrainer Unsinn auf, den Torhüter vom Eis zu nehmen. Aber dieser ließ sich nicht darauf ein. „Alle waren sauer auf der Bank“, erinnert sich Lorenz Funk. „Schade, schade, schade“, so der Originalton von Kommentator Kurt Lavall im ZDF nach der Partie. Lorenz Funk: „In der Kabine herrschte zunächst Totenstimmung. Doch einige Minuten später kam unser Sportdirektor Roman Neumayer und sagte: Wir haben Bronze.“ Dann gab es kein Halten mehr. „Die Spieler stürmten raus aus der Dusche, andere hatten noch ihre Schlittschuhe an, es war ein Wunder, dass keiner die Zehen ab hatte“, blickt Kapitän Schloder zurück.
„Das Wort Torquotient kannte bis dahin keiner von uns.“ Drei Mannschaften waren punktgleich im direkten Vergleich. Deutschland hatte eine Tordifferenz von 7:6 (Quotient 1,166), Finnland 9:8 (1,125). Die Zahl 0,041 machte den Unterschied. „Das muss man sich mal vorstellen. Wir standen neben den Stars aus der Sowjetunion und der Tschechoslowakei auf dem Siegerpodest“, hebt Kapitän Schloder hervor. „Das sind Gefühle, die kann man nicht beschreiben. So was hat man ein Leben lang“, betont Ernst Köpf. Es war ein historischer Moment – und kann auch eine Anregung für die aktuelle Generation sein, glaubt Bundestrainer Marco Sturm. „Ein wunderschöner Film. Ich kann es kaum erwarten, meinen Spielern einige Szenen zu zeigen.“
Hier läuft der Eishockey-Film
0,041 – das Eishockey-Wunder von Innsbruck, Samstag 17 Uhr, BR, 3. Programm