Trotz der Ermittlungen im Fußball-Wettskandal will sich Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli nicht beirren lassen. Der Coach der geschockten Squadra Azzurra berief für die EM in Polen und der Ukraine Leonardo Bonucci von Juventus Turin in sein Aufgebot. Die Staatsanwaltschaft Cremona ermittelt auch gegen den Verteidiger wegen des Verdachts von Spielmanipulationen.
Azzurri-Regisseur Daniele De Rossi fürchtet schon jetzt die Ausmaße des Wettskandals. "Das ist schlimmer als 2006", sagte der Mittelfeldspieler. Vor der WM 2006 waren nur Funktionäre in den Liga-Manipulationsskandal verstrickt gewesen. "Diesmal sind es Freunde und Teamkollegen der Nationalelf", klagte De Rossi.
Nach Domenico Criscito hat die Staatsanwaltschaft in Bonucci gegen einen weiteren aktuellen Nationalspieler ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der nicht nominierte Lazio-Rom-Star Stefano Mauri sitzt seit Pfingstmontag hinter Gittern.
Polizisten durchsuchten Zimmer von Criscito
Der gesetzte Criscito war nach den Ermittlungen aus dem EM-Team geflogen. Polizisten durchsuchten das Zimmer des Verteidigers im Trainingslager der Azzurri sowie dessen Haus in Genua. Italienische Medien berichteten am Dienstag, dass die Vorwürfe gegen Bonucci nicht so schwerwiegend sein sollen wie gegen den Abwehrspieler von Zenit St. Petersburg. Bonucci fühlt sich indes für die EM stark genug. "Alles okay", versicherte der 25-Jährige.
"Das ist traurig und bitter. Jetzt muss gut und schnell aufgeklärt werden", forderte Italiens Fußballverbandspräsident Giancarlo Abete. "Schnell" heißt für ihn aber nach der EM. "Die Staatsanwaltschaft hat danach alle Zeit", sagte Abete. Der Verbandsboss fürchtet, dass die immer größer werdende Unruhe dem Team in den Gruppenspielen gegen Spanien, Kroatien und Irland zum Verhängnis werden könnte.
Der Zeitpunkt für die landesweite Razzia mit 19 Festnahmen und dem spektakulären Polizeieinsatz im Morgengrauen im Trainingszentrum Coverciano ist Gift für die Nationalelf. Prandelli und De Rossi machten der Justiz dennoch keine Vorwürfe. "Sie haben es gemacht, wann es gemacht werden musste. Solche Ermittlungen sind wichtiger als eine EM", erklärte De Rossi.
Hoffen auf positive Reaktion
Der Mittelfeldspieler des AS Rom stand 2006 in der WM-Mannschaft, die dem Liga-Skandal trotzte. Irlands Coach Giovanni Trapattoni will seine Landsleute deshalb auch noch nicht abschreiben. "Die WM 2006 hat gezeigt, dass Skandale eine positive Reaktion zur Folge haben können", meinte Trapattoni.
Prandelli dagegen lässt sich auf eine positive Umdeutung des Wettskandals nicht ein. Skandale seien "keine Glücksbringer" für die Azzurri. "Schlechtes bringt immer nur Schlechtes", betonte er.
Neben den Nationalspielern sind schließlich auch frühere Stars wie Juventus Turins aktueller Trainer Antonio Conte im Visier. "Ich habe absolut nichts damit zu tun", beteuerte Conte unter Tränen. Ihm wird vorgeworfen, als Trainer des AC Siena in der vergangenen Zweitliga-Saison an Manipulationen beteiligt gewesen zu sein. "Er hat sicher nichts damit zu tun und bleibt unser Trainer", betonte Juve-Präsident Andrea Agnelli.
Wegen der neuerlichen Erdbeben in der Emilia Romagna sagte der italienische Verband indes sein für Dienstagabend angesetztes EM-Testspiel in Parma gegen Luxemburg ab. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa traf der FIGC die Entscheidung in Absprache mit der Stadt, der Provinzregierung und der örtlichen Polizei. (dpa)