Mit dem Fußballspielen klappt es nicht, aber im taktvollen Verlieren ist Großbritannien Weltmeister. Statt vor dem deutschen Champions-League-Finale über Blitzkrieg und Panzer zu fabulieren, blicken Engländer mit überraschend viel Respekt über den Ärmelkanal. Das Prinzip Bundesliga, glauben sie, könnte auch der Insel gut tun – und das nicht nur im Fußball.
"German Model" wird gepriesen
Da ziehen zum 150. Jubeltag des Britischen Fußballverbandes ausgerechnet die Deutschen in Wembley ein – und der britischen Presse fehlt die Munition. Keine Anspielung auf Hitler, Krieg und Einmarsch. Stattdessen säuseln Titelseiten zahme Überschriften wie „Leidenschaft statt Geld: Was wir vom deutschen Fußball lernen können“ (The Sun) oder „Warum können wir nicht auch so sein wie Deutschland?“ (The New Statesman).
Auch Jonathan Wilson, Fußball-Experte und Journalist, gehört zu denen, die „The German Model“ laut preisen. Er lobt die systematische Jugendförderung der Bundesliga-Vereine. Außerdem helfe die florierende Wirtschaft: „Es ist genug Geld da, um Talente länger zu binden und bei Zukäufen wählerischer zu sein.“ Für das Intellektuellen-Journal The New Statesman verkörpert die Bundesliga den „Mikrokosmos deutscher Wirtschaftsprinzipien“. Selbst für britische Politiker ist es mittlerweile schick, teutonische Tugenden als Patentrezept gegen die heimische Wirtschaftsmisere einzusetzen: Sie predigen mehr Mittelstand, mehr Fertigungsjobs, mehr Sparsamkeit.
Investiert, hart gearbeitet, ehrgeizig geträumt – all das wird auf der Insel natürlich auch. Und doch hakt das „Britische System“ auf allen Ebenen – im Schulwesen, in der Krankenversorgung, der Infrastruktur.
Winterreifen gelten als exzentrisches Accessoire
Nur Deutsche wundern sich, dass in London, der Heimat des Regens, die U-Bahn-Stationen selbst im Jahr 2013 regelmäßig vor einem kräftigen Schauer in die Knie gehen. Dass ein bisschen Schnee jedes Jahr aufs Neue eine ganze Insel stillstehen lässt. Weil Winterreifen, genau wie Doppelverglasung, Wasserspartasten an der Toilette oder die Mischbatterie als exzentrische Accessoires vom Festland gelten. Perfektion hat für Engländer keinen Reiz – sie sind Könige des Durchwurschtelns, lieben es zu improvisieren und sind daher auch so gut darin, die Nerven noch im Angesicht größter Katastrophen zu behalten. Das kann man frustrierend oder charmant finden.
Auf dem Platz aber funktioniert das Prinzip schon lange nicht mehr. „Englische Spieler denken noch immer, sie müssten nur härter und noch schneller laufen, um zu gewinnen“, sagt Jonathan Wilson.