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Schach-WM: Tod auf dem Schachfeld

Schach-WM

Tod auf dem Schachfeld

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    Magnus Carlsen und Viswanathan Anand kämpfen um die Krone im Schach.
    Magnus Carlsen und Viswanathan Anand kämpfen um die Krone im Schach. Foto: Kent Skibstad (dpa)

    Früher, als die Welt noch in Ost und West eingeteilt war und jeder wusste, wo der Feind stand, besaß das Schachspiel eine überragende Bedeutung. Auf 64 Feldern fanden Stellvertreterkriege statt, ohne dass ein Tropfen Blut floss. Schon zuvor war das Schachbrett Aufmarschfläche kompletter Armeen gewesen. Napoleon, Lenin und Che Guevara haben darauf geprobt. Das Schöne: Am Ende verließen die Kombattanten das Schlachtfeld aufrecht und versehrt. Nur ein paar Holzfiguren lagen im Staub.

    Im Kalten Krieg war das Schachspiel die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. So, wie sie sich Väter und Mütter, die ihre Söhne an sinnlose Kriege verloren hatten, gewünscht haben. Sollen diejenigen, die den Krieg für unvermeidbar halten, ihn doch selbst führen. General gegen General. Die Milliarden anderer bleiben zu Hause.

    Jüngling Carlsen gegen Inder Anand

    Es waren dann natürlich doch wieder nicht die Staatsmänner, die ins Feld zogen. Ihre Vertreter hießen Bobby Fischer und Boris Spasski. Getriebene in einem Leben zwischen Genie und Wahnsinn. Duellanten im Kalten Krieg zwischen West gegen Ost. Später, bei Karpow gegen Kasparow, waren es Duelle des alten gegen das neue Russland. Am Brett hat das neue gewonnen. Putin war’s egal.

    Und heute? Die alte Ordnung ist dahin. Auch die im Schach. Ein norwegischer Jüngling, der aussieht, als sei er noch ohne Führerschein. Um Bill Gates zu besiegen, benötigte er zwölf Sekunden. Carlsen spielt in Sotschi gegen einen Inder, der auch Wissenschaftsredakteur beim ZDF sein könnte. Zwei, die für sich selbst stehen. Als Nächstes kämpft ein mongolischer Ziegenhirte gegen einen hawaiianischen Windsurfer. Wäre auch egal. Friedensbewegung, Ostermärsche, Mauerfall, Videogames – Schach hat alles überlebt und ist doch ganz bei sich geblieben. Strategisches Meucheln auf engem Raum.

    Am Ende steht beim Schach der Königsmord

    Wie im richtigen Leben auch, fallen ihm zuerst die Kleinen zum Opfer, die Bauern. Und wer dachte, auf den Feldern werde irgendwann humaner gestorben, den lehrt die Sprache des Spiels und seiner Interpreten eines Besseren.

    Noch immer hält sich die sizilianische Eröffnung, die den Laien bis in die Nacht verfolgt. Als Albtraum, in dem dunkle Gestalten mit schwarzen Sonnenbrillen in einer Schlachterei in Palermo eine armselige Kreatur filetieren.

    Ganz selbstverständlich werden auf den Brettern Damen bedrängt und Bauern geopfert. Am Ende steht der Königsmord. Das alles muss man aushalten können. Kein Wunder, dass viele Großmeister irgendwann dem Wahnsinn näher waren als dem Genie.

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