Wenn die deutsche Mannschaft am Mittwoch auf die Niederlande trifft, bekommt sie es mit jeder Menge Offensiv-Power zu tun. Die Schwächen der Elftal liegen in der Defensive. Ein Vergleich.
Im Tor steht bei den Niederlanden Maarten Stekelenburg. Bei der WM vor zwei Jahren, als erst die Spanier im Finale Endstation waren, spielte der Mann vom AS Rom überragend. Aufgrund einer Verletzung fehlt ihm nun aber diese Sicherheit, bei der 0:1-Pleite gegen Dänemark sah er beim Gegentreffer nicht gut aus. Sein Gegenüber heißt Manuel Neuer, spielt beim FC Bayern und wird von vielen Experten als bester Torwart der Welt bezeichnet. Das mag sein, noch aber fehlt ihm ein großer Titel.
Fazit: Vorteil Deutschland.
Die Abwehr gilt als Schwachstelle der Orangen. John Heitinga und der wiedergenesene Joris Mathijsen bilden die niederländische Innenverteidigung. Ihr Nachteil: Beide sind nicht die schnellsten und auch Wendigkeit ist nicht die größte Tugend der beiden kantigen Abwehrrecken. Gregory van der Wiel (rechts) und Jetro Willems (links) besetzen die Außenpositionen der Viererkette. Im Gegensatz zum Innenverteidiger-Duo sind beide schnell, allerdings könnte ihnen ihr Offensivdrang zum Verhängnis werden.
Die deutsche Abwehr wird von Holger Badstuber dirigiert. Der Bayern-Profi ist abgezockt und kampfstark. Er kann auch den schnellen Pass nach vorne spielen. Vor allem letzteres macht ihn zu Löws Liebling. Mats Hummels als zweiter Innenverteidiger hat sich mit einer starken Leistung gegen Portugal seinen Einsatz auch gegen die Niederlande gesichert. Philipp Lahm und Jerome Boateng sind auf den Außenpositionen gesetzt.
Die deutsch-holländischen Duelle
7. Juli 1974, München, WM-Finale: Die Elf von Rinus Michels stürmt erstmals bei einer WM ins Endspiel. Doch dort endet für Johan Cruyff und Co. der Siegeszug, obwohl Johan Neeskens in der ersten Minute per Strafstoß das 1:0 gelingt. Paul Breitner und Gerd Müller drehen die Partie zum 2:1. Von diesem Trauma erholt sich die niederländische Fußball-Seele lange nicht.
18. Juni 1978, Cordoba, WM-Zwischenrunde: Diesmal erweisen sich die Oranjes für die deutsche Elf als Spielverderber. Rene van de Kerkhof trifft in der 84. Minute zum 2:2-Endstand, nachdem Helmut Schöns Team durch Rüdiger Abramczik und Dieter Müller zweimal geführt hat.
14. Juni 1980, Neapel, EM-Vorrunde: Und wieder triumphieren die Deutschen. Drei Tore des überragenden Klaus Allofs zum 3:2 ebnen der Mannschaft von Jupp Derwall den Weg ins Finale von Rom, wo mit dem 2:1 gegen Belgien der zweite EM-Triumph gelingt.
21. Juni 1988, Hamburg, EM-Halbfinale: Auf diesen Moment haben die Nachbarn seit 14 Jahren gewartet: Dank Marco van Bastens Siegtor in der 89. Minute zum 2:1 gelingt die Revanche für die «Schmach» von München. Nach dem Schlusspfiff putzt sich Ronald Koeman mit dem Trikot von Olaf Thon symbolisch den Hintern ab.
19. Oktober 1988, München, WM-Qualifikation: Schon vier Monate später treffen die Erzrivalen im Endspielstadion von 1974 erneut aufeinander. Diesmal überragen die Defensivreihen, es fallen keine Tore.
26. April 1989, Rotterdam, WM-Qualifikation: In aufgeheizter Atmosphäre findet das Rückspiel im Stadion De Kuip statt. Van Basten gleicht drei Minuten vor Schluss die deutsche Führung von Karl-Heinz Riedle zum 1:1-Endstand aus - beide fahren zur WM.
24. Juni 1990, Mailand, WM-Achtelfinale: Die Spuckattacke von Frank Rijkaard gegen Rudi Völler bringt die Gemüter in San Siro zum Kochen. Beide Spieler werden vom Platz gestellt. Der herausragende Jürgen Klinsmann und Andreas Brehme schießen beim 2:1 den wohl wichtigsten Sieg für die DFB-Elf auf dem Weg zum dritten WM-Triumph heraus.
18. Juni 1992, Göteborg, EM-Vorrunde: Im letzten EM-Gruppenspiel ist die deutsche Elf im Ullevi-Stadion gegen die Oranjes chancenlos. Rijkaard, Rob Witschge und Dennis Bergkamp machen bei einem Gegentor von Klinsmann das 3:1 perfekt. Trotzdem kommt die Elf von Berti Vogts ins Finale, die Niederländer scheitern in der Vorschlussrunde am späteren Überraschungssieger Dänemark.
15. Juni 2004, Porto, EM-Vorrunde: Ganze neun Minuten fehlen der deutschen Mannschaft zum Auftaktsieg beim Turnier in Portugal. Dann macht Ruud van Nistelrooy mit dem 1:1 die Hoffnung zunichte. Torsten Frings hat die als Außenseiter gestartete DFB-Elf in Führung gebracht.
Fazit: Vorteil Deutschland
Im Mittelfeld der Niederlande räumt der knochenharte Mark van Bommel ab. Er ist Kapitän und praktischerweise auch Schwiegersohn des Trainers. Die Position vor der Abwehr teilt er sich mit Nigel de Jong, der ebenfalls kein Kind von Traurigkeit ist - legendär sein seine Kung-Fu-Einlage im WM-Finale. Hochqualitativ wird es im offensiven Mittelfeld. Arjen Robben über rechts, Ibrahim Afellay über links und Wesley Sneijder zentral sind höchstes Niveau, können sich aber auch im selbstverliebten Sturmwirbel verlieren.
Im deutschen Mittelfeld tummeln sich ebenfalls die Hochkaräter. Bastian Schweinsteiger gilt als Denker und Lenker, ist derzeit aber noch auf der Suche nach seiner Topform. Ihm zur Seite stehen die beiden Madrilenen Mesut Özil und Sami Khedira. Auf den Flanken wirbelten zuletzt Thomas Müller und Lukas Podolski. Noch fehlt die Harmonie und spielerische Leichtigkeit der WM 2010, erste Ansätze waren gegen Portugal aber schon zu erahnen.
Fazit: Unentschieden
Die Sturmspitzen sind auf beiden Seiten umstritten. Bei den Niederlanden stand gegen Dänemark Robin van Persie in der Startelf. Der Torschützenkönig der englischen Premier League blieb aber blass, der Bundesliga-Torschützenkönig Klaas-Jan Huntelaar (Schalke 04) macht Druck und brennt gegen Deutschland auf einen Einsatz. In der deutschen Mannschaft könnte Mario Gomez, trotz seines Treffers gegen Portugal, seinen Platz an Miroslav Klose abtreten müssen.
Fazit: Unentschieden (ako)