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Kommentar: Politische Diskussionen: Wir dürfen Hass nicht mit Hass bekämpfen

Kommentar

Politische Diskussionen: Wir dürfen Hass nicht mit Hass bekämpfen

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    Schauplatz vieler aufgeheizter politischer Diskussionen: die sozialen Netzwerke.
    Schauplatz vieler aufgeheizter politischer Diskussionen: die sozialen Netzwerke. Foto: Stephan Jansen (dpa-Symbolbild)

    Wie fängt man einen Leitartikel an, der sich um Hass dreht? Um das vergiftete politische Klima in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern. Mit welchen Worten beginnt man einen Text, der sich damit beschäftigt, dass immer mehr Menschen Worte zu Waffen machen? Dass es Politiker gibt, die Angst schüren, nur um Stimmen zu holen.

    Eigentlich möchte man den eigenen Frust und die Fassungslosigkeit über den enthemmten, manchmal unerträglichen Umgangston in Sätze fassen. Man möchte die Hetzer mit ihrem eigenen Hass konfrontieren. Man möchte voller Wut auf die Wut der anderen antworten. Aber das bringt nichts. Denn wer wütend ist, verlernt das Zuhören.

    Wir leben in einer Zeit der Polarisierung. Einer Zeit, in der Politik zur Frage von Gut und Böse, von Rettung und Untergang stilisiert wird. Besonders deutlich ist das in der Flüchtlingsfrage zu spüren: Wer davor warnt, Deutschland sei mit hunderttausenden Menschen aus fremden Kulturen überfordert, betont sicherheitshalber gleich mal, dass er nichts mit braunem Gedankengut zu tun hat. Wer Frauen, Männern und Kindern in Not helfen will, wird als „linksversiffter Gutmensch“ beschimpft. Beide Seiten stehen sich unversöhnlich und zunehmend aggressiv gegenüber.

    Heute ist "politisch korrekt" ein Schimpfwort

    Wo diese Polarisierung hinführen kann, erleben wir in Österreich. Dort wurde der Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten zu einer niveaulosen, von gegenseitiger Verachtung geprägten Schlammschlacht. Die Bewerber um den Platz im Weißen Haus in Washington gehen seit jeher nicht zimperlich miteinander um. Aber mit seiner Hetze gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen hat Donald Trump die Grenzen noch weiter verschoben. Und in Großbritannien ist die Debatte um den EU-Austritt komplett entgleist. Der Zorn wird zur politischen Botschaft. Der Zorn auf Ausländer, auf die Globalisierung, auf Europa, auf politische Eliten, auf die Medien. Hinter dieser Wut steckt oft Angst. Aufgabe der Politik ist es, diese Angst – sei sie objektiv auch noch so unbegründet – ernst zu nehmen und Antworten darauf zu finden.

    Wer Probleme verharmlost, nährt erst recht das Misstrauen. Das hat die Kölner Silvesternacht deutlich gezeigt. Zu lange neigte unser Land zur übertriebenen politischen Korrektheit. Das ist historisch leicht zu erklären. Trotzdem war es fatal. Das Ergebnis ist eine unterschwellige Aggression, die nun umso stärker ausbricht. Waren die Grenzen dessen, was man sagen durfte, vorher zu eng gesetzt, scheint es jetzt gar keine Grenzen mehr zu geben. Heute ist „politisch korrekt“ ein Schimpfwort und all jene, die außer Provokation wenig zu bieten haben, halten sich für wahnsinnig mutig.

    Die Angst ist das Lebenselixier populistischer Bewegungen

    Demokratie lebt vom zivilisierten Streit. Doch der Umgangston hat sich so verschärft, dass manche Politiker inzwischen sogar um ihr Leben fürchten. Das Attentat auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker und der Mord an der britischen Brexit-Gegnerin Jo Cox zeigen, dass nichts mehr undenkbar ist.

    „Menschen haben Ängste, aber es macht keinen Sinn, sie in ihren Ängsten zu stärken.“ Besser als der Historiker Fritz Stern kann man es kaum ausdrücken. Seine Worte entlarven die Methode populistischer Bewegungen. Diese säen Misstrauen, sie ermutigen die Bürger, ihre Wut offen auszuleben. Sie stärken das Volk in seinen Ängsten, denn die Angst ist ihr Lebenselixier.

    Darin liegt die Chance für alle politischen Kräfte, denen es wirklich darum geht, Probleme zu lösen. Sie dürfen den Stimmungsmachern nicht nachrennen. Sie müssen klare Kante zeigen. Es hilft aber auch wenig, Populisten und deren Anhänger zu beschimpfen. Wir dürfen Hass nicht mit Hass bekämpfen.

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