Wer Mario Gomez verstehen will, muss nah an ihn herantreten. Dieser 1,90-Meter-Kerl spricht noch immer leise und verschämt wie ein Kind. Ein schräges Lächeln begleitet seine Sätze. Wer nicht weiß, ob der vorausgegangene Abend für den 29-Jährigen ein guter oder ein schlechter war, kann daraus nichts lesen. Der Mittwochabend war für Gomez gut und schlecht.
Herausragende Torquoten
Gut für ihn, dass er nach über einem Jahr mit vielen Verletzungspausen, die ihn am Ende auch die WM-Teilnahme gekostet haben, wieder die Rückkehr in Nationalelf gelungen ist. Schlecht, dass er die Chance nicht genutzt. Gomez hatte drei Gelegenheiten, die auch ein durchschnittlicher Angreifer zu wenigstens einem Treffer nutzen müsste. Gomez aber ist nicht durchschnittlich. Er hat 121 Bundesligaspielen für den VfB 63 Mal getroffen, worauf der FC Bayern 35 Millionen Euro Ablöse nach Stuttgart überwies. In München schraubte Gomez seine Torquote sogar weiter in die Höhe: 75 Treffer in 115 Partien.
Nur wenige Einsätze im letzten Jahr
Inzwischen spielt er in Florenz. Wegen seiner vielen Verletzungen aber eher selten. 15 Mal in der vergangenen Saison. Am Samstag, sein erstes Pflichtspiel in dieser Spielzeit. Gomez ist noch nicht auf jener Betriebstemperatur, die einer wie er, der oft schwer in die Gänge kommt, erreichen muss, um erfolgreich zu sein. Eine Entschuldigung für die vergebenen Großchancen aber ist das auch für ihn selbst nicht. "Das hätte ich besser machen können", räumt er ein und erklärt dann Punkt für Punkt, was schief gelaufen ist.
Die erste Gelegenheit zur Führung, die der Partie möglicherweise einen anderen Verlauf beschert hätte, habe er an den Torhüter verloren. "Romero hat das gut gemacht, er ist einfach lange oben geblieben." Die zweite hat er allein selbst vertan. Gomez: "Das lernt man schon in der F-Jugend, den Ball gegen die Laufrichtung des Torhüters zu spielen." F-Jugend, lange her. Und was war bei Nummer 3? "Ich fühlte mich im Abseits, war deshalb verunsichert."
"Das scheint inzwischen üblich zu sein"
Den Zuschauern war das inzwischen egal. Sie pfiffen auf Gomez, auch als er nach einer Stunde und 14 Ballkontakten das Feld räumen musste. Ob ihn die Pfiffe getroffen haben? Gomez lächelt die Frage zunächst weg. Sagt dann: "Das scheint inzwischen üblich zu sein. Aber ich habe so etwas schon öfter erlebt. Irgendwann treffe ich wieder. Deshalb mache ich weiter wie bisher."
Falsche Neun oder echter Stoßstürmer?
Die Frage wird sein, ob auch der Bundestrainer so weitermachen möchte. Zunächst einmal aber stellte sich Löw schützend vor Gomez: "Grundsätzlich geht es einfach nicht, dass ein Spieler der deutschen Nationalmannschaft ausgepfiffen wird, nur weil er die eine oder andere Chance liegengelassen hat." Abgesehen davon aber hängt an Gomez eine Systemfrage. Sie lautet: Variable, leichtfüssige, Offensivspieler, die "falsche Neun" also, mit der Deutschland Weltmeister geworden ist, oder Gomez, den klassischen, zentralen Stürmer? Ernsthafte Konkurrenz hat der 29-Jährige in dieser Rolle nicht. Wenn er sie allerdings langfristig besetzen will, muss schnellstens wieder auf Betriebstemperatur kommen. (AZ)