Olympia in Hamburg. Für Sie ist das als Aktivist von Nolympia ein Graus. Warum sind Sie so gegen die Spiele?
Kasiske: Ich habe nichts gegen sportliche Wettkämpfe an sich. Nur Hamburg kann sich Olympia einfach nicht leisten, und auch für die Bürger wird diese Veranstaltung nur Nachteile haben. Wir sprechen hier von steigenden Mieten, Schulden und einem sinkenden Lebensstandard für die, die eh schon wenig haben. Olympia in Hamburg mag ein sportliches Großereignis sein. Für die Bürger Hamburgs wäre es eine Katastrophe.
Hamburg rechnet mit Kosten von gut 11,2 Milliarden Euro, mit dem Bund streitet man sich noch immer, wer was übernehmen soll. Und eigentlich gibt es im Haushalt mit Biegen und Brechen gerade so 1,2 Milliarden für Olympia. Was halten Sie davon?
Kasiske: Das ist eine Farce. Die Zahlen des Organisationskomitees sind opportun und rein politisch motiviert. Sehen Sie sich London an. Da haben die Spiele deutlich mehr gekostet, als eingeplant war. Am Ende bezahlte die Stadt über 13 Milliarden Euro.
Viel Geld wurde jedoch für die Infrastruktur aufgewendet. Für die Stadt war das ein wichtiger Impuls, um Straßen und Brücken zu bauen. Hamburg will mit dem Grasbrook gleich ein ganz neues Wohnviertel erschließen und dort auch Sozialwohnungen bauen ...
Kasiske: Ja, Wohnungen, die nach 15 Jahren eh aus der Mietpreisbindung fallen und dann luxussaniert werden. Und die restlichen Wohnungen werden sofort im hochpreisigen Segment liegen. Das ist nur mit dem ersten Blick ein Geschenk für die Bürger Hamburgs. Am Ende profitieren davon die Investoren. 2024 bis 2028 laufen auf dem Grasbrook die Pachtverträge aus. Dann könnte man dort wirklich nachhaltig ein neues Viertel bauen. Zu normalen Preisen, die auch bezahlbar bleiben. Was jetzt gemacht wird, täuscht die Bürger, damit sie für Ja beim Referendum abstimmen. Mehr nicht.
Kasiske: die Anschläge von Paris haben mit Hamburg nichts zu tun
Nach Paris hat sich vieles verändert. Könnte es sein, dass nun Olympia wegen Sicherheitsbedenken scheitert?
Kasiske: Ich möchte dieses schreckliche Attentat gar nicht für meine Zwecke nutzen und es instrumentalisieren. Es ist schon schlimm genug, dass die Organisatoren von Olympia das tun, um eine „Jetzt erst recht!“-Stimmung zu erzeugen. Das gehört sich nicht. Meine Erfahrung ist, dass die Leute kritischer werden, desto besser sie informiert sind. Ein Großteil der Planung hält keiner genauen Prüfung stand. Und das werden wir weiter betonen. Das hat mit Terror nichts zu tun und gehört auch nicht in diese Diskussion.
Der organisierte Sport erlebt derzeit weltweit eine Krise. Russische Leichtathleten werden ausgeschlossen, die Fifa und der DFB von Korruptionsskandalen geschüttelt. Ist das nicht für Sie ein gefundenes Fressen?
Kasiske: Es wäre verlogen zu sagen, dass uns das nicht betrifft. Natürlich verschafft uns die aktuelle Lage Auftrieb, da die Leute einfach das Vertrauen verlieren, wenn sogar große Sportveranstaltungen in Deutschland nur durch Betrug zustande kommen. Auch das olympische Komitee ist ja bekanntlich nicht immer frei von Schuld gewesen, zumindest was Korruption angeht. Aber das müssen wir den Hamburgern nicht auf die Nase binden. Diese ganzen Geschichten sind auch so in den Köpfen, wir bitten nur darum, dass jeder nachdenkt, bevor er am Ende seine Stimme abgibt. Wir sind nicht gegen Hamburg. Wir sind gegen die drohenden Nachteile.
Mehr als 514000 von gut 1,3 Millionen wahlberechtigten Hamburgern haben bereits per Briefwahl abgestimmt. Umfragen sehen die Befürworter Olympias mit 53 Prozent in Führung. Was passiert, wenn Nolympia kein klares „Nein“ schafft?
Kasiske: Die Frage sollte eher sein, was der Senat macht, wenn er kein klares „Ja“ bekommt. Es sind Millionen in die Werbekampagne geflossen, überall waren die Logos in Hamburg zu sehen. Wir haben alles ehrenamtlich und auf kleiner Flamme organisiert. Wenn weniger als 60 Prozent der Bürger für die Bewerbung sind, ist das ein Schlag ins Gesicht für das Organisationskomitee. Sollten sich die Befürworter aber knapp durchsetzen, werden wir es in Zukunft wie jede gute Opposition tun: nervig sein und den Finger in die Wunde legen. Bei der Olympiabewerbung läuft vieles schief und es wird nicht alles erzählt. Das werden wir auch nach dem Referendum notfalls weiter ankreiden.