Wer kritisiert, macht sich glaubwürdiger, wenn er es besser macht. So gesehen hat Henning Lambertz seinem negativen Urteil über mangelnde Athletik vieler deutscher Spitzenschwimmer Nachdruck verliehen. Auf seiner Facebook-Seite ist der neue Chef-Bundestrainer unter dem Applaus der Sportler bei einer schwierigen Kraftübung am Reck zu sehen, welche so manchen Nationalschwimmer vor unlösbare Probleme stellen würde. "Es ist unfassbar wichtig, dass die Richtung, die ich möchte, auch bei den Athleten ankommt", sagt der 42-Jährige und geht dabei auch im Kraftraum gern mit gutem Beispiel voran.
Lambertz will überzeugen statt verordnen
Dieser Filmstreifen dient weniger der Selbstdarstellung, vielmehr will der Familienvater beim schwierigen Weg der deutschen Schwimmer zurück in die Weltspitze überzeugen statt nur verordnen. Lambertz führt am Rande der deutschen Meisterschaften in Berlin unzählige Gespräche, viele Athleten kommen auch von sich aus auf den Kumpeltyp zu und suchen eine Unterredung. "Er pflegt eine sehr offene Kommunikation", berichtet die Hamburger Stützpunkttrainerin Petra Wolfram.
Viel geredet hatte auch Lambertz Vorgänger Dirk Lange. Ihm fehlte aber das "Chef" vor dem Bundestrainer und entsprechende Kompetenzen. Dafür polarisierte Lange mehr und forderte den Athleten harte Normen ab, um bei Großereignissen dabei zu sein. Lambertz geht den entgegengesetzten Weg, nennt die entschärften Richtzeiten "modifizierte Normen", um auch der zweiten Reihe eine Perspektive zu bieten. Das allein macht bei Athleten und Trainern schon beliebt. Ob das auch für die gewünschte Zentralisierung der Spitzenschwimmer und die geforderte Athletik-Verbesserung gilt, bleibt abzuwarten.
Keine Medaillenziele für die WM
Ob dieser Weg erfolgversprechend ist, darüber wird die Weltmeisterschaft in Barcelona vom 19. Juli bis 4. August erste Fingerzeige geben. Für die WM nennt Lambertz bewusst keine Medaillenziele ("Wo sollen die auch auf einmal herkommen?"), sondern will, dass die Mehrzahl der Schwimmer bessere Leistungen zeigt als bei der DM. In der Vergangenheit war das oft umgekehrt der Fall. Immer wieder betont der Sportwissenschaftler mit Vertrag zunächst bis 2016, dass die Beckenschwimmer nicht von heute auf morgen aus dem Tal kommen. "Man muss ihm Zeit geben, alle Missstände kann auch er nicht sofort lösen", sagt ein anderer Stützpunkttrainer.
Die WM in Barcelona wird auch der erste Test für die Zusammenarbeit mit Lutz Buschkow. Zwischen dem machtbewussten Leistungssportdirektor und Lange passte es von Anfang an nicht, Lambertz hat deren Katz-und-Maus-Spiel als Essener Stützpunkttrainer jahrelang mitverfolgen können. Bei einer fruchtbaren Zusammenarbeit helfen könnte Gaby Dörries, die sich als neue Fachspartenvorsitzende engagiert einbringt. Abseits von Kompetenzen und Normen weiß auch Lambertz, dass er nur im Team, mit Geduld und harter Arbeit erfolgreich sein kann: "Für Wunder bin ich nicht zuständig." (dpa)