Nach der Erstürmung der Festung Betzenberg lagen sich die Profis der TSG 1899 Hoffenheim jubelnd in den Armen und feierten das Happy End einer Seuchensaison. Mit dem 2:1 (1:0) im Relegations-Rückspiel beim 1. FC Kaiserslautern machte der millionenschwere Dorfverein am Montagabend den Verbleib in der Fußball-Bundesliga perfekt und stürzte die Roten Teufel in tiefe Trauer.
Mit voller Power zum Klassenerhalt
"Wir waren sehr fokussiert und haben ganz wenig zugelassen. Wir waren über die zwei Spiele hinweg die bessere Mannschaft", sagte Trainer Markus Gisdol, der von den mitgereisten Fans frenetisch als Retter gefeiert wurde, in der ARD. Überglücklich war auch der Sportliche Leiter Alexander Rosen. "Ich bin einfach nur erleichtert. Die letzten acht Wochen waren unfassbar intensiv. Wir waren dreimal weg vom Fenster, auch heute war es kritisch, aber die Jungs haben immer weitergemacht", meinte er beim Pay-TV-Sender Sky.
Das ist der 1. FC Kaiserslautern
Der 1. FC Kaiserslautern wurde am 2. Juni 1900 gegründet. Spitzname der Mannschaft ist "Die Roten Teufel"-
Seine Heimspielstätte hat der FCK im Fritz-Walter-Stadion. Es wurde nach dem Fußballer Fritz Walter benannt und hieß zuvor Betzenbergstadion oder einfach "Betze". Es bietet Platz für rund 50.000 Zuschauer.
Die Roten Teufel wurden vier Mal Deutscher Meister: 1951, 1953, 1991 und 1998. 1990 und 1996 holten sie zudem den DFB-Pokal.
Gegen den Karlsruher SC gelang dem FCK der höchste Heimsieg am 26. März 1983 mit 6:0.
Die größte Niederlage im eigenen Stadion gab es am 5. Dezember 1970. Gegner beim 0:5 war der VfB Stuttgart.
Kaiserslautern spielte nur fünf Spielzeiten seit 1963 in der 2. Bundesliga. Zuletzt war der FCK von 2006 bis 2010 in Liga zwei, zum ersten Mal war er dort 1997.
Fritz Walter (384 Spiele, 327 Tore), Andreas Brehme (274 Spiele, 43 Tore), und Klaus Toppmöller (204 Spiele, 108 Tore) gehören zu den bekanntesten Spielern Kaiserslauterns.
Mario Basler bestritt sein erstes Bundesliga-Spiel für den 1. FCK.
Auf der Gegenseite weinte FCK-Vorstandschef Stefan Kuntz bittere Tränen. Der Schock saß tief bei den Pfälzern, da waren die minutenlangen Ovationen der eigenen Lauterer Anhänger nach Schlusspfiff nur ein schwacher Trost. "Die Mannschaft hat ein tolles Spiel abgeliefert. Hoffenheim hat mit ganz wenigen Situationen das Spiel für sich entschieden. Ich bin stolz auf meine Mannschaft", sagte FCK-Trainer Franco Foda und war beeindruckt vom eigenen Anhang: "Das macht Lust auf mehr. Das ist ganz großes Kino. Wir werden versuchen, in der nächsten Saison wieder aufzusteigen." Kuntz kündigte einen neuen Anlauf an: "Wir werden zwei, drei Tage brauchen, um das zu verpacken, um dann mit breiter Brust in die neue Saison gehen. Wir werden wiederkommen wie die Zecken."
Kaiserslautern kann Ankündigungen nicht umsetzen
Vor 49 780 Fans im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion erzielten David Abraham in der 44. Minute und Jannik Vestergaard (74.) die Tore für die Hoffenheimer, die bereits das Hinspiel mit 3:1 für sich entschieden hatten. Der zwischenzeitliche Ausgleich von Alexander Baumjohann (65.) mit einem direkt verwandelten Freistoß war für Kaiserslautern zu wenig, um den Traum von der sofortigen Rückkehr ins Oberhaus wahr werden zu lassen. Während sich die Fans im Kraichgau auch im sechsten Jahr nacheinander auf Bayern München oder Borussia Dortmund freuen dürfen, geht es für den FCK in der kommenden Saison erneut nach Aalen und Paderborn.
Das ist die TSG Hoffenheim
Die TSG 1899 Hoffenheim heißt mit vollem Namen Turn- und Sportgemeinschaft 1899 Hoffenheim e. V. und wurde am 1. Juli 1899 gegründet.
Hoffenheim ist ein Stadtteil von Sinsheim und zählt nur rund 3300 Einwohner.
Heimstätte der TSG Hoffenheim ist seit 2009 die Rhein-Neckar-Arena, deren Eigentümer Dietmar Hopp ist. Das Stadion liegt direkt an der Autobahn 6 bei Sinsheim und bietet 30.150 Zuschauern Platz.
Dietmar Hopp, Mitbegründer des Softwareherstellers SAP, ist nicht nur Mäzen der TSG Hoffenheim. Im Eishockey engagiert er sich auch bei den Adlern Mannheim aus der Deutschen Eishockey Liga.
Größter Bundesliga-Erfolg der Hoffenheimer war der 9. Platz in der Saison 2008/2009. Dies war gleichzeitig die erste Spielzeit in der obersten deutschen Spielklasse für den Verein.
In der Saison 2008/2009 war Hoffenheim zwischen dem 7. und 1.. Spieltag fünf Partien in Folge Sieger.
Die beiden höchsten Heimsiege - jeweils 5:1 - gelangen in der Saison 2009/2010. Gegner waren Berlin und Hamburg.
Ein Jahr zuvor gab es die höchste Heimniederlage für Hoffenheim. Leverkusen schoss das Hopp-Team am 13.2. mit 4:1 ab.
Gegen den Bundesligisten erwiesen sich die Pfälzer, die auch im achten Duell mit dem Südwest-Rivalen sieglos blieben, als zu harmlos und konnten ihre vollmundigen Ankündigungen auf dem Rasen nicht in Taten umsetzen. Zwar machten die von ihren Fans frenetisch nach vorne gepeitschten Hausherren vom Anpfiff weg Dampf, in große Verlegenheit vermochten sie die Hoffenheimer aber nicht stürzen.
Betzenberg wird zum Tollhaus
Zwar erarbeiteten sich die Pfälzer Feldvorteile, zu Chancen kamen sie jedoch kaum. TSG-Torwart Koen Casteels, der trotz einer im Hinspiel erlittenen Risswunde im Gesicht spielen konnte, verlebte eine insgesamt geruhsame Partie.
Dennoch verwandelte sich der Betzenberg nach einer halben Stunde erstmals in ein Tollhaus, als FCK-Keeper Tobias Sippel einen Foulelfmeter von Sejad Salihovic in großem Stil parierte. Es war erst der dritte verschossene Strafstoß des Bosniers in seiner Bundesliga-Karriere. Sippel hatte zuvor Kevin Volland von den Beinen geholt und dafür Gelb gesehen.
Es war der erste Aufreger in der Partie, die ansonsten wenig Strafraumszenen zu bieten hatte. Den Lauterern fehlte es an Esprit, um die sattelfeste TSG-Abwehr auszuhebeln. Auch Standards brachten keine Gefahr, weil es an der nötigen Präzision mangelte. Die Gäste beschränkten sich ihrerseits auf Ballkontrolle im Mittelfeld und wagten sich nur sporadisch nach vorne.
Schock bei den Pfälzern saß tief
Wenn doch, brannte es lichterloh vor dem FCK-Tor. Nach einem Freistoß des schon in der 29. Minute für den früh verwarnten Stefan Thesker eingewechselten Sebastian Rudy bot sich erneut Salihovic die Chance zur Führung, doch Sippel parierte den Kopfball des Bosniers glänzend. Kurz vor der Pause durften die Gäste dann aber doch jubeln. Wieder kam Salihovic zum Kopfball, den Sippel an die Latte lenkte. Den Abpraller drückte Innenverteidiger Abraham über die Linie.
Der Schock des Gegentores zum psychologisch ungünstigsten Zeitpunkt saß bei den Pfälzern tief. Hoffenheim kontrollierte das Geschehen nach dem Wechsel und hätte durch Volland auf 2:0 erhöhen können, doch erneut zeigte Sippel seine Klasse. Baumjohann sorgte noch einmal für Hoffnung, die Vestergaard eine Viertelstunde vor Schluss mit seinem Kopfball ins lange Eck endgültig zunichte machte. dpa