Das Leben ist nicht leicht. Beziehungsweise es ordnungsgemäß zu leben. Deshalb ist es voll von Regeln, Anleitungen oder auch von in Ratgebern gegossenen Erfahrungen. Die Regulierungswut bietet genug Anlass, sich darüber aufzuregen. Gesellschaftliche Konventionen setzen manch Lebensführung einen zu engen Rahmen. Es ist aber auch der Rahmen, der das Miteinander organisiert.
Für das Gedenken gibt es keine Anleitung, keine allgemeingültige Regelung. Es ist schwer, richtig zu gedenken. Dafür umso leichter, Fehler zu begehen.
Das IOC tat sich schon vor 40 Jahren schwer. Nach der Hinrichtung elf israelischer Sportler entschied es sich, die Spiele fortzusetzen. Eine Entscheidung, die weder falsch noch richtig war. Selbst die Überlebenden des Anschlags sind nicht einer Meinung. Es gab genug Argumente, das zuvor friedliche Fest der Jugend abzubrechen. Man wählte einen anderen Weg. Wollte ein kraftvolles Zeichen gegen den Terrorismus setzen. Dass man sich nicht dessen Regeln unterwirft.
Eine Schweigeminute wäre das richtige Zeichen gewesen
Spätestens 1972 wurde der Sport politisiert. Seitdem mag er sich noch so dagegen wehren, er befindet sich in einer – mal mehr mal weniger kraftvollen – Umklammerung der Politik. 40 Jahre danach findet er sich damit immer noch nicht ab. Funktionäre sträubten sich mit aller Macht gegen das einzig richtige Zeichen bei den Olympischen Spielen in London: einer Gedenkminute für die getöteten Israelis während der Eröffnungsfeier. Gerade diejenigen, die gerne das Bild der „olympischen Familie“ stilisieren, verweigerten ihren ermordeten Kindern das Gedenken. Es war ein feiges Signal, das ausgesandt wurde. Die Angst, arabische Länder könnten die Gedenkminute zu politischen Aktionen nutzen, siegte über den Menschenverstand.
In Fürstenfeldbruck, dort, wo vor 40 Jahren die jüdischen Geiseln im Kugelhagel starben, wird heute der Opfer gedacht. Mit Überlebenden und den Familien der Opfer. Manchmal kann es leicht sein, zu gedenken. Wenn man die Gefühle der Angehörigen ernst nimmt. Dann braucht das Gedenken keine Anleitung. Nur normales Mitgefühl. Schwer vorzustellen, dass dieses Mindestmaß menschlicher Regungen ausgerechnet unter der olympischen Flagge falsch am Platz sein sollte.