Merkel sieht keinen Grund für Wulff-Rücktritt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht trotz anhaltender Vorwürfe gegen Bundespräsident Christian Wulff keine Gründe für dessen Rücktritt. Wulff werde "sein Amt als Bundespräsident zum Wohl unseres Landes weiter so ausfüllen, wie er es in den ersten eineinhalb Jahren seiner Amtszeit schon getan hat", sagte sie den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" vom Freitag. Sie habe weiterhin volles Vertrauen in Wulff.
Merkel: Wulff kann Vertrauen zurückgewinnen
Wulff könne verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen, meinte Merkel: "Der Bundespräsident hat Transparenz geschaffen, er hat Hunderte von Fragen beantwortet und auch zu sehr privaten Vorgängen Auskunft gegeben." Diese Offenheit könne ihrer Ansicht nach "Vertrauen zurückgewinnen helfen."
Die Staatsanwaltschaft Berlin kündigte an, sich mit der Überlassung von Luxuskleidung an Wulffs Ehefrau Bettina zu befassen. "Die Prüfung eines Anfangsverdachts der Vorteilsannahme ist auf diesen Vorgang ausgeweitet worden", sagte Justizsprecher Martin Steltner dem Berliner "Tagespiegel" laut Internetbericht vom Freitag. Hintergrund sei eine Strafanzeige.
Wulff-Affäre: Kein förmliches Ermittlungsverfahren
Bislang hätten sich die Ermittler nur mit Berichten zur zeitweisen Nutzung eines Audi durch das Präsidentenpaar befasst, sagte Steltner weiter. Ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Wulff gebe es weiterhin nicht. Auch die Staatsanwaltschaft Hannover befasst sich derzeit mit Wulff: Es geht dabei um die mögliche Einladung des mit Wulff befreundeten Unternehmers David Groenewold an die Wulffs in ein Sylter Hotel.
Chronologie der Affäre Wulff
25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.
18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.
12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.
13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.
14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.
15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.
19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.
20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.
22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.
2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.
4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.
19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.
16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.
17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.
18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.
29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.
9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.
9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.
9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.
12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.
14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.
9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.
19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.
27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)
Wulff steht seit Ende vergangenen Jahres wegen der Affären um den Privatkredit für sein Haus und kostenlose Urlaubsaufenthalte unter Druck. Zudem laufen Ermittlungen wegen Bestechlichkeit gegen seinen früheren Sprecher Olaf Glaeseker.
"Welt": Wulff nutzte monatelang Firmen-Handy
Wie die Zeitung "Die Welt" (Samstagsausgabe) berichtete, nutzte Wulff in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident über Monate ein Handy, das einer Firma von Groenewold gehörte. Das habe Groenewolds Anwalt der Zeitung bestätigt. Dem Anwalt zufolge gibt es einen Überlassungsvertrag vom 26. Januar 2005 für ein Nokia-Mobiltelefon. Dieser Vertrag sei von Wulff unterschrieben. Wulff habe aber wie vereinbart für die Nutzung gezahlt, es sei "keiner Seite ein Vorteil erwachsen", betonte der Anwalt gegenüber der "Welt". (afp, AZ)