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Evangelischer Kirchentag: Wulff: Integration ist möglich und auch erwünscht

Evangelischer Kirchentag

Wulff: Integration ist möglich und auch erwünscht

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    Dresden hat sich geschmückt, überall ist das in Pink gehaltene Logo des Evangelischen Kirchentages ein Blickfang. dpa
    Dresden hat sich geschmückt, überall ist das in Pink gehaltene Logo des Evangelischen Kirchentages ein Blickfang. dpa

    Dresden Bundespräsident Christian Wulff bleibt dabei: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Allerdings fügte er auf dem Evangelischen Kirchentag in Dresden bei einem Podium über Integration hinzu: „Die Leitkultur ist das Grundgesetz.“ Und damit die Gleichberechtigung der Frau, die Religionsfreiheit, die Demokratie. Für seine Feststellung in seiner Rede zum 3. Oktober 2010 habe er nämlich viel Kritik einstecken müssen, berichtete Wulff. 4200 Briefe habe er dazu erhalten, davon nur 200 zustimmende, aber 4000 von Bürgern, „die sehr sorgenvoll, sehr ängstlich, sehr kritisch fragen: Ändert sich damit nicht unser Deutschland, unsere Werte?“

    Er bleibt dabei: „Der Islam gehört zu Deutschland“

    Darauf antwortet der Bundespräsident: „Unsere Aufgabe ist es, für Differenzierung zu sorgen. Es gibt den Islam in ganz vielen Strömungen.“ Zum Beispiel die „DeuKische Generation“ von Aylin Selcuk. Die 21-jährige Deutschtürkin ist in Berlin geboren, hatte exzellente Schulnoten und studiert Zahnmedizin. Aktiv kämpft sie mit ihrem Verein an gegen das Gefühl, „immer nicht dazuzugehören“.

    Aylin Selcuk ist davon überzeugt, für die deutsche Gesellschaft sehr viel leisten zu können. „Wenn man ausgegrenzt wird, versucht man nur, eine eigene Nische zu finden“, beklagte sie.

    Etwa das Machogehabe der kleinen Muslime in der Förderschule bei Betül Durmaz in Gelsenkirchen. „Integration findet hier nicht statt“, urteilte die Lehrerin knapp. In ihrer Klasse sammeln sich die Kinder von Verlierern, die lange keine Arbeit mehr haben, wo zuhause ständig der Fernseher läuft. Ihren Selbstwert beziehen diese Familien aus der Religion. „Ich bin Muslim und damit ein besserer Mensch“, heiße es. Die Folge: Mädchen dürfen nicht zum Schwimmen, die Buben bedrängen Betül Durmaz, warum sie kein Kopftuch trägt und im Ramadan nicht fastet. „Das macht uns Lehrer in der Klasse unglaubwürdig.“

    Der Bundespräsident stritt die Probleme gar nicht ab. „Es gibt viele Versäumnisse in unserem Land“, räumte er ein. Vor allem, dass es keine Ganztagsschule gibt, wo die Kinder die Förderung erhalten, zu der ihre Eltern nicht fähig sind. Das gelte nicht nur für Migranten, sondern auch für die bildungsferne Unterschicht.

    Trotzdem bilanzierte Christian Wulff die Integration positiv: „Wir kommen voran, nicht schnell genug, aber wir kommen voran. Die Richtung stimmt.“ Die Arbeitslosigkeit unter jungen Migranten sei immer noch höher und in der Kriminalitätsstatistik seien sie auffälliger. Doch es gebe „ganz viele Erfolgsgeschichten“, so Wulff.

    Nach Einschätzung des Bundespräsidenten kann jeder in Deutschland etwas für Integration tun. „Jeder von uns kann in der Nachbarschaft die Augen offen halten“, sagte das Staatsoberhaupt. Bürger könnten sich beispielsweise als Integrationslotsen engagieren oder Kinder aus ausländischen Familien als Lesepaten oder beim Deutschlernen unterstützen.

    Der Münchner Soziologe Armin Nassehi glaubt, die Integration in Deutschland laufe sogar „ganz gut“ dafür, dass sie im Grunde niemand gewollt habe. Allerdings habe genau dies zugleich zur Unsichtbarkeit bestimmter problematischer Milieus geführt, wie sie Betül Durmaz in Gelsenkirchen so krass erlebt. Eine intakte plurale Gesellschaft könne bisweilen sogar auf Integration verzichten im Sinne des bayerischen Leitsatzes vom leben und leben lassen. „Wenn es niemand bedrohlich findet, dass ich fremd bin, werden wir uns wechselseitig in Ruhe lassen“, sagte Professor Nassehi. Um die Probleme zu überwinden, setzt der Soziologe auf Eigenverantwortung: „Es muss sich schlicht lohnen, etwas bei mir zu verändern.“

    Integration als persönliche Erfolgsgeschichte

    Grigori Lagodinsky, der Vizepräsident der Jüdischen Gemeinde Kassel, konnte davon erzählen. Mit elf Jahren emigrierte er mit seiner Familie aus Russland. Er sprach kein Wort Deutsch, das ihm jetzt fließend über die Lippen kommt. „Unsere Familien sind meist Akademiker“, erklärte der 29-Jährige, der Jura studiert hat, seine reibungslose Integration. Bei anderer sozialer Herkunft müsse man den Migranten unter die Arme greifen. „Wir sollten diesen Jugendlichen sagen: Ihr könnt etwas, ihr seid Deutschland!“ Seine neue Heimat sei für ihn „das Land der Toleranz“, bekannte Grigori Lagodinsky.

    Gerade deswegen macht sich Sineb El Masrar, Chefredakteurin des Berliner Frauenmagazins Gazelle, für die „Muslim Girls“ stark. Mitten in der deutschen Gesellschaft seien sie angekommen, auch wenn diese das noch nicht recht wahrnehme. „Unter den muslimischen Frauen entsteht ein neues Selbstbewusstsein – obwohl die Zeiten schwierig sind“, erklärte die Journalistin. Allerdings: „Die muslimische Frau gibt es nicht. Sie ist genauso individuell wie andere Frauen auch.“ Der Evangelische Kirchentag bestätige sie darin, dass Religion und Jugend durchaus zusammengehören.

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