Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Stuttgart 21: Winfried Hermann: Ein Grüner zwischen Heldenstatus und Lachnummern

Stuttgart 21

Winfried Hermann: Ein Grüner zwischen Heldenstatus und Lachnummern

    • |
    Verkehrsminister Winfried Hermann war der Held der Stuttgart-21-Gegner. Jetzt muss er umschwenken.
    Verkehrsminister Winfried Hermann war der Held der Stuttgart-21-Gegner. Jetzt muss er umschwenken. Foto: dpa

    Fast zwei Jahrzehnte hat Winfried Hermann das Milliardenprojekt Stuttgart 21 bekämpft. Aus seinem Amt als Grünen-Verkehrsminister heraus hat der wortgewandte 58-Jährige in den letzten Wochen den Konflikt noch einmal nach Kräften befeuert. Es drohe „eine verantwortungslose Fahrt ins Desaster“. Beim harten Kern der Protestler im Stuttgarter Schlossgarten genießt er Heldenstatus. Ausgerechnet dieser Hermann muss nun das heiß umstrittene Projekt managen und gegen seine eigenen Truppen durchsetzen. Wie, das ist einen Tag nach der Volksabstimmung völlig unklar.

    Große Fehler in der kurzen Regierungszeit

    Hermann weiß, was die Stunde geschlagen hat. „Die Volksabstimmung gibt keine Legitimation mehr, gegen das Projekt zu kämpfen“, räumt er ein. Sein Spielraum geht nach der krachenden Niederlage gegen null. Trotzdem lehnt der Frontkämpfer jetzt einen Rücktritt ab. Im Sommer, kurz nach seinem Einzug ins Ministerium, hatte er vorgeschlagen, im Fall des Weiterbaus die Zuständigkeit für das Projekt einem SPD-Kollegen zu übertragen. Die Vorstellung, dass der Verkehrsminister nicht für das wichtigste Verkehrsprojekt zuständig sein will, war eine Lachnummer und einer von Hermanns größten Fehlern in der noch kurzen Regierungszeit.

    Wie ein rotes Tuch

    „Ich bin ja nicht Minister geworden, um ein paar Monate Rabatz gegen den Bahnhof zu machen“, begründet er nun sein Festhalten am Amt. Seine neue Linie nennt Hermann „konstruktiv begleiten“. Eine Alternative hat er auch gar nicht. Schließlich schreiben die Verträge mit der Bahn dem Land eine „Projektförderpflicht“ vor.

    Der nächste Satz dürfte bei den Leuten von der Bahn als Drohung ankommen: „Was kann dem Projekt Besseres passieren, als ein kritischer Minister, der sich auskennt?“ Die Grauzone zwischen berechtigtem Einsatz für die Interessen des Landes und versteckter Behinderung ist breit. Bei vielen Sozialdemokraten wirkt Hermann schon nach sieben Monaten gemeinsamer Koalition wie ein rotes Tuch. Landtags-Fraktionschef Claus Schmiedel unterstellte dem Grünen schon einmal, mit falschen Zahlen die Realität zu manipulieren. Das Ergebnis sei kein Gutachten, sondern ein „Schlechtachten“. Sogar dem sonst so besonnenen Finanzstaatssekretär Ingo Rust, der zusammen mit Hermann das Land im Lenkungsausschuss vertritt, platzte kürzlich der Kragen. Seine intern vorgebrachte Klage: zu viele Tricks, zu viele Kehrtwenden, zu wenig eingehaltene Absprachen.

    Gelernter Sportlehrer mit Brilli im Ohr

    Eigentlich ist Hermann ein geborener Oppositionspolitiker. Der studierte Sportlehrer, der seit der Verbeamtung einen Brilli im linken Ohr trägt, gehört zum linken Flügel der Grünen. Mancher Parteifreund unterstellt, Hermann habe zu Zeiten der Großen Koalition erst gegen den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr opponiert, als die rot-grüne Mehrheit stand. Zuletzt war er Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag. Die Berufung in Stuttgart hat mit dem Gleichgewicht der Flügel bei den Grünen zu tun.

    "Er hat eine Chance verdient"

    Mehrfach hat CDU-Landtagsfraktionschef Peter Hauk Hermann schon zum Rücktritt aufgefordert. Sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke legt diese Forderung am Abend der Abstimmung neu auf. Dagegen meint der CDU-Abgeordnete Georg Wacker jetzt: „Er hat eine Chance verdient, wenn er eine 180-Grad-Wendung vollzieht.“ Allerdings glaubt er selbst nicht, dass Hermann sich ändert.

    Nicht einmal Grünen-Regierungschef Winfried Kretschmann scheint sich wirklich sicher, ob sein Minister die neue Linie glaubwürdig hinkriegt. Entsprechende Fragen umtrippelt der Ministerpräsident und versucht einen Entlastungsangriff. „Ich halte die gesamte Rücktrittsdebatte für abwegig“, sagt Kretschmann.

    In der Stunde der Niederlage hat er seinem Minister aber Rückendeckung versichert: „Dein Ministerpräsident steht voll und ganz hinter dir.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden