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Zirkus: Wildtiere im Zirkus: Was ein Verbot bedeuten würde

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Wildtiere im Zirkus: Was ein Verbot bedeuten würde

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    Dompteur Martin Lacey und sein weißer Löwe Baluga. Insgesamt beheimatet der Circus Krone etwa 100 Tiere. Darunter Kamele, Zebras und Elefanten.
    Dompteur Martin Lacey und sein weißer Löwe Baluga. Insgesamt beheimatet der Circus Krone etwa 100 Tiere. Darunter Kamele, Zebras und Elefanten. Foto: Alexander Kaya

    Dompteur Martin Lacey vom Circus Krone steht mitten im Raubtierkäfig. Fünf Meter entfernt richtet sich ein ausgewachsener weißer Löwe auf. Langsam nähert sich das Tier. Vier Meter, drei Meter – Martin Lacey dreht sich zur Seite, nimmt Anlauf und springt auf ein Podest aus Holz. „Komm rauf, Baluga“, ruft er, während er mit einem Stück Fleisch winkt. Der Löwe katapultiert seinen Körper in die Luft – das Podest, auf dem sich nun Lacey und die Raubkatze befinden, fängt an, hin- und her zu schaukeln.

    Das Tier legt sich hin und frisst das Stück Fleisch aus der Hand seines Dompteurs. Lacey streichelt Baluga über das Fell und hält ihm seine Hand vor das Maul. Der Löwe schnuppert, dann legt er seinen Kopf auf Laceys Arm ab. Das Tier wirkt ruhig, zahm wie ein Hauskater. Dabei ist Baluga fast dreimal so schwer wie sein Dompteur und frisst pro Tag etwa zehn Kilo Fleisch.

    Wildtiere im Zirkus: Circus Krone tritt mit Elefanten, Zebras und Nashorn auf

    Der Löwe ist eine von über 30 Raubkatzen, mit denen der 38-Jährige im Circus Krone auftritt. Insgesamt beheimatet der Wanderzirkus etwa 100 Tiere. In der Manege treten Elefanten, Zebras und sogar ein Nashorn auf. Doch Kinder und andere Besucher müssen beim nächsten Zirkusaufenthalt vielleicht schon auf Baluga und seine exotischen Freunde verzichten. Der Bundesrat hatte sich im März für ein generelles Verbot von Wildtieren in Wanderzirkussen ausgesprochen, weil die Tiere dort zu sehr leiden würden.

    Frank Keller, Pressesprecher des Circus Krone, ärgert sich darüber: „Die Politiker sollten sich erst einmal informieren und dann entscheiden. Die können sehr gerne bei uns vorbeischauen und sich ein Bild vor Ort machen. Dann würden sie sehen, dass die Tiere keineswegs leiden.“

    Bereits 2003 und 2011 hatte der Bundesrat eine ähnliche Gesetzesinitiative gestartet. Beide scheiterten. Im Normalfall blieben die Tiere bis zu ihrem Tod in der Manege, sagt Keller. „Wenn ein Tier krank oder verletzt ist, nehmen wir es aus der Show. Alte Tiere, die nicht mehr in der Lage sind, die Anstrengungen mitzumachen, treten nicht mehr auf.“ Der Circus Krone arbeitet mit zwei Tierärzten zusammen, von denen sich einer auf exotische Tiere spezialisiert hat: „Tierpfleger und Ärzte entscheiden dann im Sinne des Tieres. Die spüren genau, wie es ihren Schützlingen geht.“

    Keine Wildtiere mehr? Zirkusse ärgern sich über Verbotspläne

    Die Debatte um ein Verbot von Wildtieren wurde in den vergangenen Jahren durch verschiedene Zwischenfälle immer wieder verschärft. Im Sommer 2015 tötete eine Elefantenkuh einen Spaziergänger, nachdem sie aus einem Zirkus ausgerissen war. Für Keller trotzdem kein Grund, alle Zirkusse zu bestrafen. Klar, gäbe es immer wieder schwarze Schafe, doch ein generelles Verbot hält er für ungerecht. Laut aktuellem Vorschlag des Bundesrates würden die Tiere noch bis zu ihrem Tod in den jeweiligen Zirkussen bleiben, neue Tiere dürften nicht mehr angeschafft werden. „Die vielen Tierpfleger hätten dann keine Arbeit mehr. Das wäre eine Einschränkung der Berufswahl und verstößt gegen das Gesetz“, ärgert sich Keller.

    Nashörner, Elefanten, Bären, Affen, Giraffen und Nilpferde – diese Tiere sollen laut Bundesrat in Zukunft nicht mehr im Zirkus auftreten. In 17 europäischen Ländern ist ein generelles Wildtierverbot in Wanderzirkussen bereits eingeführt worden. Zuletzt verabschiedeten die Niederlande im Jahr 2015 ein derartiges Gesetz.

    Peter Höfgen, Fachreferent für Wildtiere im Zirkus bei der Tierrechtsorganisation Peta zweifelt: „Die Chancen, dass die Bundesregierung zustimmt, sind meiner Meinung nach sehr gering.“ Zudem geht Höfgen der Vorschlag des Bundesrates nicht weit genug: „Da müssten noch weitere Tierarten miteinbezogen werden. Vor allem auch Raubkatzen wie Löwen und Tiger.“

    Der Tierschützer sieht die Entwicklung kritisch: „Selbst wenn die Tiere in Gefangenschaft geboren werden, verlieren sie ihre Instinkte nicht. Da kann der Käfig noch so groß sein – das ist Tierquälerei.“ Deshalb fordert er ein sofortiges Verbot. „Für die meisten Zirkustiere wurden bereits spezielle Aufnahmeeinrichtungen gebaut.“ Für Bären beispielsweise gäbe es eigene Wälder, in denen die Tiere ein normales Leben führen könnten. Bei anderen Exoten ist die Lage schwieriger: „Elefanten müssten in Zoos untergebracht werden. Bei den Raubkatzen ist es noch komplizierter.“ Insgesamt treten in deutschen Zirkussen laut Höfgen etwa 200 Tiger und Löwen auf. In den meisten Zoos ist laut Höfgen kein Platz. „Für die Tiere müssten Aufnahmestationen gebaut werden, die ihren Ansprüchen gerecht werden. Ich würde hier die Zirkusse finanziell zur Kasse bitten.“

    Auf ein Verbot will Peta aber nicht warten. Die Tierrechtsorganisation versucht durch verschiedene Aktionen, auf das Thema aufmerksam zu machen. Unterstützung gibt es beispielsweise von Model Sarah Nowak aus Günzburg. Unter dem Motto „Artgerecht ist nur die Freiheit“ war die 24-Jährige auf Plakaten zu sehen. Sie zeigte dabei viel nackte Haut.

    Wie gestresst sind die Zirkustiere?

    Auch die Aktionsgemeinschaft Tierrechte, die sich für den Tierschutz vor allem auch in der Region Augsburg einsetzt, kämpft für ein Wildtierverbot in Zirkussen. Die Vorsitzende Carola Nowey sieht die Belastung der Tiere kritisch: „Der Transport, die Haltung und obendrein die Dressur. Die Tiere haben enormen Stress. Das kann nicht artgerecht sein. Mit unseren Aktionen wollen wir das Wildtierverbot in Zirkussen beschleunigen.“ Im vergangenen Jahr gab es Demonstrationen, als der Moskauer Weihnachtszirkus und der Circus Brand in Augsburg waren. Nowey begrüßt den Vorstoß des Bundesrates: „Die Zeit ist mehr als reif. Es gibt auch Zirkusse ohne Wildtiere.“

    Immanuel Birmelin, Tierverhaltensforscher an der Universität Freiburg, sieht das anders. Er spricht sich gegen ein Verbot aus: „Aus wissenschaftlicher Sicht leiden Wildtiere im Zirkus keineswegs.“ Der 73-Jährige hat erforscht, wie sehr Zirkustiere aufgrund ihrer Haltung und des ständigen Transportes gestresst sind. Dazu hat der Biologe bei mehreren Löwen Speichelproben nach einer langen Reise genommen. Das Ergebnis: Die Cortisolwerte, die ein Indikator für den Stresspegel sind, waren sehr niedrig.

    Birmelin versteht die Diskussion nicht: „Die Tiere sind das Kapital der Zirkusse. Sie können es sich nicht leisten, ihre Tiere schlecht zu behandeln.“ Er hält schon den Ausdruck Wildtiere für falsch: „Die Tiere sind das Leben im Zirkus von klein auf gewohnt. Der Transport und die Dressur sind Routine.“ Ein generelles Verbot würde den Tieren eher schaden: „Dann müssen die Zirkusse Elefanten und Löwen nach Russland oder in andere Länder verkaufen, in denen die Bedingungen viel schlechter sind. Das kann nicht im Sinne der Tiere sein.“ Nur wenige Arten sind laut Birmelin für den Zirkus ungeeignet: „Bären etwa. Auch Schimpansen gehören nicht in den Zirkus. Ein Gehege, das ihrem Spieltrieb gerecht wird, kann sich kein Zirkus der Welt leisten.“

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