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Interview: Wie weit rechts steht die AfD, Herr Meuthen?

Interview

Wie weit rechts steht die AfD, Herr Meuthen?

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    Herr Meuthen, auf dem Weg zu diesem Interview wurde ich viermal kontrolliert. Ist das normal?

    Jörg Meuthen: Hohe Sicherheitsvorkehrungen sind der Standard bei uns. Eigentlich erschreckend. Die Wut gegen die AfD basiert auf gezielter Desinformation. Viele Leute glauben, wir seien Nazis oder Rassisten. Glauben Sie mir, wenn es hier drinnen Nazis oder Rassisten gäbe, dann würde ich mich selbst draußen dazustellen und protestieren.

    Aber ist es nicht so, dass die Leute das glauben, weil sich eben regelmäßig AfD-Leute rassistisch äußern? Zuletzt war es der Bundestagsabgeordnete Jens Maier, der den Sohn von Boris Becker via Twitter „Halbneger“ nannte.

    Meuthen: Das hat ein Mitarbeiter getwittert.

    Auf dem offiziellen Profil von Maier.

    Meuthen: Natürlich war das ein Fehler. Ich halte diesen Tweet für rassistisch und wir dulden keinen Rassismus in unserer Partei. Da muss man klare Kante zeigen.

    Das haben Sie schon oft gesagt, doch dann werden solche Fehltritte eben doch immer wieder hingenommen.

    Meuthen: Wir haben ihn abgemahnt.

    Mal ehrlich, das beeindruckt doch niemanden.

    Meuthen: Eine Abmahnung ist wie eine Gelbe Karte im Fußball. Und wenn einer mit einer Gelben Karte spielt, weiß er, dass er verwarnt ist und sich nichts mehr leisten darf.

    Jens Maier wandelt also am Rande eines Platzverweises?

    Meuthen: Diese eher raubeinigen Typen gibt es aber in allen Parteien.

    Wie viele Gelbe Karten hat eigentlich Björn Höcke?

    Meuthen: Bei Björn Höcke ist man ja gleich in die Vollen gegangen und hat ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet.

    Das Sie für falsch halten und das wohl nicht zum Parteiausschluss führen wird.

    Meuthen: Das wird sich zeigen. Ende des Monats wissen wir mehr. Und ja, ich war gegen dieses Verfahren. Eine Abmahnung hätte ich sofort akzeptiert, aber hier ging es ja darum, ihn aus der Partei rauszuwerfen. Das halte ich für unangemessen.

    Mir fallen auf Anhieb mindestens zwei Gelbe Karten für Björn Höcke ein. Das bedeutet im Fußball Gelb-Rot. Er hat in Ihnen und Ihrem Co-Parteichef Alexander Gauland aber eben zwei mächtige Fürsprecher. Verhindern Sie einen Platzverweis, weil Sie den rechten Flügel nicht brüskieren wollen? Wie weit rechts steht die AfD?

    Meuthen: Erstens: Der rechte Flügel gehört als integraler Bestandteil zu unserer Partei. Zweitens: Björn Höcke ist nicht der Nazi-Hetzer, als der er immer wieder dargestellt wird. Trotzdem stört mich seine Lust an extrem zugespitzten Formulierungen. Wir hatten das gerade erst wieder mit dem Bosporus.

    Höcke sagt, wenn die AfD erst an der Macht sei, „ist am Bosporus Schluss mit Mohammed, Minarett und Muezzin“.

    Meuthen: Ja, und daraus wurde gleich geschlossen, er wolle womöglich in die Türkei einmarschieren. Dabei steht der Bosporus als Sprachbild für die Grenze Europas.

    Und Sie glauben ernsthaft, dass das jeder so verstanden hat?

    Meuthen: Höcke meinte, dass an der Grenze zwischen Asien und Europa Schluss sein muss mit Mohammed, Minarett und Muezzin. Aber natürlich nicht in der Türkei, die ja ein islamisches Land ist.

    Der europäische Teil der Türkei, jenseits des Bosporus, müsste sich aber dann schon nach der AfD richten?

    Meuthen: Auch weil man das so interpretieren könnte, halte ich den Satz für unglücklich.

    Sie beklagen fehlenden Respekt gegenüber der AfD im Bundestag. Warum?

    Meuthen: Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass die anderen Parteien vor lauter Tabuisierung unseren Kandidaten für den Posten des Bundestags-Vizepräsidenten, Albrecht Glaser, verhindert haben.

    Mit „verhindern“ meinen Sie, dass er nicht gewählt wurde. Die AfD hat aber doch die Kandidaten der anderen Parteien auch nicht gewählt. Wo ist da der Unterschied?

    Meuthen: Wir hätten an der Stelle sicher kooperiert, wenn die anderen kooperiert hätten.

    Nun hat die AfD drei Ausschussvorsitzende. Ist das ein Signal dafür, dass die anderen Parteien an einem pragmatischen Umgang mit der AfD interessiert sind?

    Meuthen: Die machen das ja nicht, weil sie uns akzeptieren. Sie haben gemerkt, dass sie sich durch die bisherige Art der Stigmatisierung permanent Eigentore schießen. Ich bin froh, wenn die Konfrontation inhaltlich gesucht wird und nicht in irgendwelchen Sandkastenspielen.

    Fraktionschef Alexander Gauland sagte, wenn die anderen Krieg haben wollten, könnten sie Krieg haben. Klingt nicht gerade so, als wollte er damit das Eis brechen, oder?

    Meuthen: Manchmal muss man verbal mit dem Säbel rasseln, damit ein Krieg eben nicht zustande kommt.

    Was bedeutet denn überhaupt ein „Krieg“ im Bundestag?

    Meuthen: Das bedeutet, dass diese Sandkastenspiele ewig weitergehen.

    Als die AfD ihren Kandidaten für das Parlamentarische Kontrollgremium zunächst nicht durchsetzen konnte, ließ sie zu später Stunde im Bundestag nachzählen, wie viele Abgeordnete noch anwesend waren. Man wollte damit bewusst die anderen Parteien blamieren und sprach offen von Rache. Ist das nicht auch ein bisschen Kindergarten?

    Meuthen: Das war genau richtig so. Man muss auch mal zeigen, wie Parlamentarismus geht. Ich erwarte einen respektvollen Umgang miteinander – auf beiden Seiten.

    Damit können Sie nicht den neuen Chef des Rechtsausschusses meinen. Ihr Parteifreund Stephan Brandner bezeichnete SPD-Vize Ralf Stegner als „Hackfresse“ und kündigte an, „die alte Fuchtel ins Gefängnis zu schicken“. Gemeint war die Kanzlerin.

    Meuthen: Das war eher Degen als Florett, ja. Und es ist sicher nicht meine Sprache. Man kann aber auch sagen, die AfD passt sich damit dem Umgangston der anderen an. Da haben einige Vertreter der anderen Parteien AfD-Abgeordnete noch ganz anders verunglimpft. Trotzdem darf es – von allen Seiten – nicht ins persönlich Beleidigende gehen.

    Zur Person: Jörg Meuthen arbeitete vor seinem Einstieg in die Politik als Professor für Volkswirtschaft an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. 2015 wurde er erstmals zum Co-Vorsitzenden der AfD gewählt. Der 56-Jährige wechselte im Dezember als Abgeordneter vom baden-württembergischen Landtag ins EU-Parlament.

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