Erstmals in ihrer jungen Geschichte droht der Alternative für Deutschland (AfD) eine Spaltung. Im Streit zwischen Parteigründer Bernd Lucke und seinen Widersachern geht es neben persönlichen Differenzen um die politische Ausrichtung. Und vor allem stellt sich die Frage: Wie viel Pegida will oder darf die AfD sein?
Der Ökonom Lucke hatte die Partei als Sammelbecken der Euro-Skeptiker aufgestellt, war aber mit dem Einzug in den Bundestag 2013 knapp gescheitert. Erst als die ostdeutschen AfD-Leute das Programm mit gesellschaftspolitischen Themen wie der Furcht vor Überfremdung und der Angst vor Kriminalität aufluden, dankten dies die Wähler in den Ost-Bundesländern Sachsen, Brandenburg und Thüringen mit mächtigen Ergebnissen um die zehn Prozent.
AfD-Flügel, für den Lucke nicht stehen will, erstarkt
Seitdem erstarkt dieser AfD-Flügel, für den Lucke nicht wirklich stehen will. Auch weil er sich zu Recht sorgt, dass seine Partei ins fremdenfeindliche Lager abdriftet. Sosehr man diese Strategie begrüßen mag, so laienhaft ist die Umsetzung. Wer versucht, innerparteiliche Gegner kalt zu entmachten, ohne sicher sein zu können, über ausreichende Mehrheiten zu verfügen, riskiert den politischen Tod. Den eigenen oder den seiner Partei.
Dabei war das gesellschaftspolitische Klima selten so einladend für eine neue liberal-konservative Bewegung wie in den vergangenen Jahren. Erst ließ die Euro-Krise die Deutschen um ihr Geld fürchten. Nun sorgen sich die Menschen vor Überfremdung und um ihre Sicherheit. Dazu kommt eine veritable Beziehungskrise zwischen Regierenden und Regierten. Mit den typischen Zutaten wie Unverständnis und Sprachlosigkeit.
Im Parteienspektrum liegen der rechte und der liberale Flügel brach, seit die Union unter der Vorsitzenden Angela Merkel immer stärker in die Mitte tendiert, während sich die FDP nahezu atomisiert hat.
Im Klima der Zukunftsängste gedeiht neben der AfD auch die Pegida
Das ist Pegida
DER NAME: "Pegida" steht für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Im Kern handelt es sich um ein Demonstrationsbündnis, das sich gegen eine angeblich drohende Ausbreitung des Islamismus in Deutschland und Europa einsetzt.
DIE DEMOS: Das Bündnis führt an Montagen Proteste in Dresden durch. Zur ersten Demonstration im Oktober kamen etwa 500 Menschen. In Spitzenzeiten waren es 17.000. Inzwischen ist der Trend rückläufig.
DER ORGANISATOR: Initiator der Proteste ist Lutz Bachmann, Inhaber einer Werbeagentur. Bachmann ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung sowie Einbruch und Diebstahl. 1998 floh er nach Südafrika, um einer fast vierjährigen Haftstrafe in Deutschland zu entgehen.
DIE ZIELE: Die Teilnehmer des Bündnisses protestieren unter anderem für eine „Null Toleranz“-Politik gegenüber „straffällig gewordenen Zuwanderern", für den "Schutz der deutschen Identität“ und gegen "Asylmissbrauch".
DIE GRUPPEN: Mittlerweile gibt es nicht nur in Dresden ein solches Bündnis, sondern auch in Magdeburg, Rostock, Würzburg und München. Der bayerische Ableger nennt sich "Bagida" ("Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes").
DIE KRITIK: Experten sehen in Pegida eine Gruppierung mit rechtsextremistischen Tendenzen. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke beschreibt die Proteste als "rechtsextreme, rechtspopulistische und rechtsnational motivierte Massenbewegung".
Auch von CDU und SPD kam Kritik an den Protesten. Bernd Lucke, Vorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD), bezeichnete Pediga hingegen als "gut und richtig".
Im Klima der Zukunftsängste gedeiht neben der AfD auch die Bewegung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida). Doch deren Anführer stehen im Verdacht, die Sorgen der Menschen zu missbrauchen und Fremdenfeindlichkeit im Schilde zu führen.
In dieser Woche treffen sich sächsische AfD-Politiker mit den Pegida-Organisatoren. Dagegen ist eigentlich nichts einzuwenden. Miteinander reden hat sich häufig als klüger erwiesen als pauschal zu urteilen. Doch sollte dahinter tatsächlich das Kalkül stecken, die AfD als parlamentarischen Arm der Pegida zu platzieren, würde die Partei weiter nach rechts rücken, als es dem Lucke-Flügel – und vielen Wählern im Westen – lieb wäre.
Ein starker Parteichef, der das große Wählerpotenzial seiner liberal-konservativen Partei spürt, würde die Anliegen der Pegida-Bewegung behutsam aufnehmen, sich als politische Alternative für die besorgten Menschen präsentieren, aber Abstand zu den zwielichtigen Anführern halten.
Dieser Spagat könnte Bernd Lucke aber nur gelingen, wenn er allein die Richtung vorgeben kann. Doch dies verhindern seine Co-Vorsitzenden Frauke Petry und Konrad Adam, die für eine stärkere Nähe zur Pegida stehen.
Zurzeit sieht es so aus, als ob es zur Entscheidungsschlacht zwischen Lucke und seinen Widersachern auf dem Bremer Parteitag kommt. Die Partei wäre bei jedem Ausgang gespalten, der Siegeszug könnte bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Bremen enden.
Das sind die Ziele der AfD
Währung: Die Alternative für Deutschland fordert die Abschaffung des Euros. Stattdessen soll jedes Land wieder eine eigene Währung bekommen. Im Parteiprogramm heißt es: "Die Wiedereinführung der DM darf kein Tabu sein."
Europa: Die AfD setzt sich für eine Reform der EU ein. Sie fordert vor allem, dass weniger in Brüssel entschieden wird und mehr in Berlin.
Demokratie: Auch Volksabstimmungen gehören zu den Forderungen der AfD. Die Partei wünscht sich nach eigenen Angaben allgemein mehr direkte Demokratie.
Finanzen: Die AfD unterstützt den Kurs der Bundesregierung, Schulden abzubauen. Bei den Steuern fordert die Partei vor allem ein verständlicheres System. Sie schreibt in ihren Leitlinien: "Der Bürger muss verstehen können, warum er in welcher Höhe besteuert wird."
Rente: Die Höhe der Rente solle gesetzlich garantiert werden. Die AfD bezeichnet vor allem die Eurokrise als Gefahr für die Altersvorsorge.
Bildung: Die AfD wirbt beim Schulsystem für einheitliche Standards in ganz Deutschland. An den Universitäten solle die Rückkehr zu Staatsexamen und zum Diplom möglich sein.
Energie: Die Energiewende unterstützt die AfD zwar - aber nicht deren Finanzierung. Sie halte es für unfair, Sonnen- und Windenergie über die Strompreise zu fördern. Stattdessen solle das Geld dafür aus den allgemeinen Steuereinnahmen kommen.
Integration: Die AfD sieht nach eigenen Angaben die Zuwanderung in das deutsche Sozialsystem als Gefahr. Sie wolle das mit neuen Regeln unterbinden. Ernsthaft politisch verfolgte Menschen hätten aber ein Recht auf Asyl und sollten auch arbeiten dürfen.
Die Alternative zu Luckes Muskelspielen wäre ein kluger Kompromiss, der einem AfD-Chef stärkeren Einfluss zugesteht und den Co-Vorsitzenden Luft zum politischen Atmen lässt. Bis zum Parteitag sind noch gut drei Wochen Zeit.