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Vor 50 Jahren: Tod von Benno Ohnesorg auch nach 50 Jahren nicht komplett aufgeklärt

Vor 50 Jahren

Tod von Benno Ohnesorg auch nach 50 Jahren nicht komplett aufgeklärt

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    Friederike Hausmann beugt sich am 02. Juni 1967 in Berlin über den erschossenen Student Benno Ohnesorg.
    Friederike Hausmann beugt sich am 02. Juni 1967 in Berlin über den erschossenen Student Benno Ohnesorg. Foto: Henschel/akg-images/dpa

    Er war, so bitter es klingt, einfach nur im falschen Augenblick am falschen Ort. Benno Ohnesorg, 26-jähriger Student der Romanistik und Germanistik an der Freien Universität Berlin, der am Abend des 2. Juni 1967 mit seiner schwangeren Frau und Freunden vor der Deutschen Oper in der Berliner Bismarckstraße gegen den Schah von Persien, Mohammed Reza Pahlewi, und dessen Frau Farah Diba demonstriert hatte, sah, wie mehrere Polizisten in Zivil einen Studenten in einen Hinterhof in der Krummen Straße zerrten. Unauffällig folgte er ihnen in den Hof, wo etwa zehn Beamte auf ebenso viele Studenten einprügelten. Und auf einmal saß er in der Falle. Ein Weiterkommen war nicht mehr möglich.

    Tod von Benno Ohnesorg auch nach 50 Jahren nicht vollständig aufgeklärt

    Was dann geschah, wurde nie vollständig aufgeklärt und ist auch 50 Jahre nach den dramatischen Ereignissen Stoff für Spekulationen. Nach Angaben von Zeugen trieb die Polizei alle Studenten aus dem Hinterhof, mit einem Schlag stand der völlig unbeteiligte Ohnesorg den Polizisten alleine gegenüber. Der Student versuchte zu fliehen, wurde aber festgehalten, eine Frau gab an, dass drei Polizisten auf ihn einschlugen. Als Zeichen seiner Aufgabe hob er die Hände, ein Zeuge hörte den Ruf „Bitte, bitte, nicht schießen!“ Da fiel um 20.30 Uhr ein Schuss, abgegeben von dem als Waffennarr bekannten Polizisten Karl-Heinz Kurras. Ohnesorg, der aus etwa eineinhalb Metern am Hinterkopf getroffen wurde, fiel stark blutend auf den Boden.

    Benno Ohnesorg wird am 2. Juni 1967 ins Krankenhaus transportiert, wo er kurze Zeit später seinen Schussverletzungen erliegt.
    Benno Ohnesorg wird am 2. Juni 1967 ins Krankenhaus transportiert, wo er kurze Zeit später seinen Schussverletzungen erliegt. Foto: Joachim Barfknecht, dpa (Archiv)

    Unmittelbar darauf trafen Fotografen und Studenten, die den Schuss gehört hatten, am Tatort ein, ein berühmtes Foto, das um die Welt ging, zeigt die entsetzte Studentin Friederike Dollinger (damals 22), die den Kopf des leblosen Ohnesorgs mit ihren Händen hält. Erst gegen 20.50 Uhr kam ein Krankenwagen, auf dem Weg ins Krankenhaus starb Ohnesorg. Doch laut Krankenhausakte trat der Tod erst um 22.55 Uhr ein, zudem wurde als offizielle Todesursache „Schädelbasisbruch“ angegeben.

    Bei der Obduktion am nächsten Tag wurde festgestellt, dass ein Knochenstück der Schädeldecke mit dem Einschussloch herausgesägt und beseitigt worden war. Kurras selber rechtfertigte sich, der Schuss „ist mir losgegangen“, später machte er geltend, er habe in Notwehr gehandelt. Der Schuss habe sich im Handgemenge gelöst und Ohnesorg versehentlich getroffen. Obwohl Zeugen diese Version nicht bestätigten, wurde Kurras zwei Mal freigesprochen, 2009 stellte sich heraus, dass er nicht nur Mitglied der SED, sondern auch seit 1955 Inoffizieller Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit gewesen war. 2014 starb er, ohne sich nochmals zu den Umständen der Tat zu äußern.

    Pressevertreter fotografieren die Tumulte vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin am 02.06.1967.
    Pressevertreter fotografieren die Tumulte vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin am 02.06.1967. Foto: dpa

    Der Tod des Studenten Benno Ohnesorg vor 50 Jahren stellt eine tiefe und einschneidende Zäsur in der Nachkriegsgeschichte dar. Die Schüsse des Polizisten auf den jungen Studenten, der sich bislang weder auffällig politisch betätigt hatte noch zu den Anführern der Studentenproteste gehörte, trug maßgeblich zur Radikalisierung der Studentenbewegung und somit in seinen langfristigen Folgen auch zum Entstehen der Terrororganisation „Rote Armee Fraktion“ (RAF) zu Beginn der 70er Jahre bei.

    „Der 2. Juni 1967 wurde zum historischen Datum, zum Wendepunkt im Denken und Fühlen vieler, nicht nur der Studenten“, schrieb der spätere Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust 1985 in seinem Buch „Der Baader-Meinhof-Komplex“. Von Berlin aus breitete sich der Funke explosionsartig auf die gesamte Bundesrepublik aus. Überall revoltierten die Studenten gegen das erstarrte politische und gesellschaftliche System sowie gegen ehemalige NS-Mitglieder, die in der Bundesrepublik ungebrochen ihre Karriere fortgesetzt hatten, später auch gegen die Notstandsgesetze der Großen Koalition. Selbst bis dahin völlig unpolitische junge Menschen engagierten sich und verstanden sich als Teil der außerparlamentarischen Opposition.

    Tod von Benno Ohnesorg legt Grundstein für RAF-Terror

    Unmittelbaren Bezug auf den Tod Ohnesorgs nahm dabei die im Januar 1972 in West-Berlin gegründete linksextremistische terroristische Vereinigung „Bewegung 2. Juni“, die eine Reihe von Bombenattentaten und Banküberfällen verübte, den Präsidenten des Berliner Kammergerichts, Günter von Drenkmann, 1974 bei einem fehlgeschlagenen Entführungsversuch erschoss und 1975 den damaligen Berliner CDU-Spitzenkandidaten, Peter Lorenz, entführte und im Gegenzug für sein Leben die Freilassung mehrerer Gesinnungsgenossen erpresste.

    Das SED-Mitgliedsbuch des West-Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras, der während des Schah-Besuchs am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss
    Das SED-Mitgliedsbuch des West-Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras, der während des Schah-Besuchs am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss Foto: Hannibal Hanschke, dpa

    Diese Entwicklung schien undenkbar, als Benno Ohnesorg und andere Studenten am 2. Juni 1967 auf die Straßen gingen, um gegen den Schah von Persien zu demonstrieren, dem sie schwere Menschenrechtsverletzungen, Folter und die Etablierung eines Terrorregimes vorwarfen. Vor der Deutschen Oper, wo der Herrscher eine Vorstellung von Mozarts „Zauberflöte“ besuchte, flogen Steine, Eier, Rauchbomben und Farbbeutel.

    Kaum hatten der Schah, seine Frau und Berlins Regierender Bürgermeister Heinrich Albertz (SPD) die Oper betreten, ging die Berliner Polizei mit äußerster Brutalität gegen die Protestierenden vor. „Es setzte ein die brutalste Knüppelei, die man bis dahin im Nachkriegs-Berlin erlebt hatte“, schrieb Aust im Rückblick. Noch in der Nacht schob Bürgermeister Albertz, ohne von den Umständen des Todes Ohnesorgs zu wissen, die alleinige Schuld für die Eskalation den Studenten zu: „Die Geduld der Stadt ist am Ende. (…) Die Polizei, durch Rowdies provoziert, war gezwungen, scharf vorzugehen...“

    In die gleiche Kerbe schlugen auch die Zeitungen des „Springer“-Verlags, die über die Studenten herfielen: „Ihnen genügte der Krach nicht mehr. Sie müssen Blut sehen“, schrieb die Bild-Zeitung. Und im Boulevardblatt B.Z. hieß es: „Wer Terror produziert, muß Härte in Kauf nehmen.“

    Staat und Medien kriminalisieren Studenten

    RAF - Die Rote Armee Fraktion

    Mehr als zwei Jahrzehnte lang war die Rote Armee Fraktion (RAF) in Deutschland der Inbegriff von Terror, Gewalt und Mord.

    Ihrem «bewaffneten Kampf» gegen das «imperialistische System» fielen mehr als 30 Menschen zum Opfer - darunter hohe Repräsentanten von Wirtschaft und Politik.

    Die RAF löste sich 1998 auf, viele ihrer Verbrechen wurden nie aufgeklärt. Vorläufer der RAF war die nach dem Kaufhaus-Brandstifter Andreas Baader und der Journalistin Ulrike Meinhof benannte Baader-Meinhof-Gruppe.

    Zu den Opfern der Linksterroristen gehörten unter anderen Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer (1977), MTU-Vorstandschef Ernst Zimmermann, (1985), Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts (1986), der Diplomat Gerold von Braunmühl (1986), Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991).

    Während weltweit nach RAF-Terroristen gefahndet wurde, ermöglichte die Stasi zehn von ihnen ein bürgerliches Leben mit falschen Identitäten in der DDR. Zu den erst nach der Wende Enttarnten gehörten Susanne Albrecht, Silke Maier-Witt und Inge Viett. dpa

    Die Studenten waren entsetzt, derart kriminalisiert zu werden. An der FU Berlin brodelte es, man sah in der Polizei und im Staat einen Gegner, mit dem ein Dialog nicht mehr möglich war. Eine junge Studentin brachte es auf den Punkt: „Mit denen kann man nicht diskutieren, sie werden uns alle umbringen. Das ist die Generation von Auschwitz!“ Ihr Name: Gudrun Ensslin – spätere Mitbegründerin der RAF.

    Heinrich Albertz, Politiker und Pfarrer, hingegen erkannte, dass sein bedingungsloser Rückhalt für die Polizei ein Fehler war, da dies einen Flächenbrand ausgelöst hatte, der nicht mehr zu löschen war. „Ich war am schwächsten, als ich am härtesten war, in jener Nacht des 2. Juni, weil ich dort objektiv das Falsche tat“, sagte er im September 1967 vor dem Berliner Abgeordnetenhaus. Und in seinen Erinnerungen schrieb er über jene Nacht, die eine Zäsur in der Nachkriegsgeschichte darstellte: „Ich war todmüde, angeekelt von allem, was geschehen war. Aber ich werde die Schuld für dieses persönliche Versagen tragen müssen, bis ich vor meinem ewigen Richter stehe…“

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