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Lehrstellenoffensive: Wie Eltern ihren Kindern den Berufsstart erleichtern können

Lehrstellenoffensive

Wie Eltern ihren Kindern den Berufsstart erleichtern können

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    In der Region sind noch reichlich Ausbildungsstellen offen.
    In der Region sind noch reichlich Ausbildungsstellen offen. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Verschiedene Studien zeigen: Eltern haben auf die Berufsorientierung ihres Kindes einen noch größeren Einfluss als deren Altersgenossen. Herr Prof. Sacher, Sie sind ein erfahrener Pädagoge und haben sich speziell mit der Elternarbeit beschäftigt. Welche Gefahren birgt dieser große Einfluss?

    Werner Sacher: Gefährlich ist zum Beispiel, dass der Einfluss von Eltern nicht immer nur positiv ist. Es gibt etwa eine ganze Reihe von Eltern, die veraltete Vorstellungen über Männer- und Frauenberufe haben und diese den Kindern nahelegen. Eine weitere Gefahr ist, dass Eltern die Stärken und Schwächen der Kinder falsch einschätzen. Manche Eltern sind sich ihres großen Einflusses bewusst und unsicher. Sie wollen sich deshalb bewusst aus der beruflichen Beratung ihrer Kinder heraushalten. Was sie dabei nicht realisieren, ist, dass sie auch unbewusst Einfluss ausüben.

    Inwiefern üben Eltern denn unbewusst einen Einfluss aus?

    Sacher: Zum Beispiel, durch die Art und Weise, wie sie über den Job und die beruflichen Möglichkeiten reden: Denn der Einfluss steckt auch in der ganzen Grundhaltung, die sie gegenüber Beruf und Arbeit ausdrücken. Auch in kleinen Nebenbemerkungen.

    Wie können Eltern ihr Kind bei der Berufswahl richtig unterstützen?

    Sacher: In keinem Fall sollten die Eltern unmittelbar Einfluss nehmen und dem Jugendlichen die Entscheidung abnehmen. Letztlich muss die erfolgreiche Berufswahl von dem Jugendlichen vollzogen werden. Dabei sind zwei Dinge notwendig: die innere und die äußere Orientierung.

    Was heißt das genau?

    Sacher: Bei der äußeren Orientierung, also dem Erkunden des Arbeits- und Stellenmarktes, haben Eltern die Funktion der Anregung. Sie können auf die Möglichkeiten hinweisen, die es gibt, um an Informationen zu kommen und Praktika zu machen. Eltern müssen aber nicht selbst umfassende Kenntnisse über Berufswege und Stellenmarkt haben – auch wenn ihnen manchmal der Eindruck vermittelt wird, sie müssten über Nacht kleine Berufswissenschaftler werden. Das kann nicht von ihnen erwartet werden.

    Und wie unterstütze ich bei der inneren Orientierung?

    Sacher: Mit der Unterstützung bei der inneren Orientierung – also der Beschäftigung mit den eigenen Interessen, Wünschen, Werten, Stärken und Schwächen – haben Eltern schon mehr zu tun. Sie können nämlich nicht nur dazu anregen, sich mit diesen auseinanderzusetzen. Sondern sie können das durchaus auch gemeinsam mit dem Jugendlichen tun. Es gibt dafür eine ganze Menge Materialien, zum Beispiel auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit: Stellenanzeigen, die zu einer fiktiven Person passen oder nicht, einen Berufseignungstest und Ähnliches.

    Was können Eltern noch tun?

    Sacher: Sie können sich auch mal ausführlich über die Informationen, die sich der Jugendliche eingeholt hat, berichten lassen. Oder sie arbeiten selbst ein paar der Tests durch und überlegen sich, wie sie ihr Kind einschätzen würden. Die eigenen Einschätzungen können sie mit denen des Jugendlichen vergleichen – und vielleicht feststellen, wo sie anderer Meinung sind, beispielsweise bei Stärken und Schwächen des Jugendlichen. Generell rate ich dazu, das Ganze spielerisch anzugehen.

    Was kann ich tun, wenn mein Kind überhaupt keine Motivation besitzt?

    Sacher: Wenn es irgendwie noch machbar ist, würde ich versuchen, ihm Praktika oder Schnuppertage nahe zu legen – es also mit der Praxis zu kriegen. Und sonst – den Weg gehen ja viele Eltern – doch noch ein Schuljahr an einer weiterführenden Schule einschieben.

    Und inwiefern sollte ich mich als Elternteil in den Bewerbungsprozess einmischen?

    Sacher: Entscheidend ist, ob der Jugendliche um Hilfe bittet oder nicht. Ansonsten können Eltern auch auf andere verweisen – Schulen bieten zum Teil Hilfestellungen an, die Agenturen für Arbeit ebenfalls und vielleicht gibt es erfahrene Personen im Bekanntenkreis. Wenn die Jugendlichen direkt auf die Eltern zukommen und fragen: Wie ist meine Bewerbung? Kannst du dir die bitte angucken? Dann sollten Eltern sich natürlich damit auseinandersetzen. Dafür können sie sich Hilfestellungen aus dem Internet holen.

    Sollte ich mit zur Berufsberatung gehen?

    Sacher: Das würde ich ebenfalls von der Entscheidung der Jugendlichen abhängig machen. Wenn es gewollt wird, dann ja. Aber ich würde mich nicht aufdrängen und nicht grundsätzlich bei allen Gesprächen mitgehen. Und schon gar nicht, wenn es später um das Bewerbungsgespräch geht. Dort macht das einen eher unguten Eindruck – auch wenn Eltern draußen vor der Tür warten. Die Arbeitgeber wollen schließlich selbstständige junge Leute haben. Ich habe das selbst während meiner Arbeit als Professor an der Uni miterlebt: Am Anfang des Semesters kam bei manchen Studierenden die Mutter mit und die Studierenden kamen eigentlich gar nicht zu Wort.

    Das hat auf Sie also einen negativen Eindruck gemacht?

    Sacher: Ja, da hat man schon ein bisschen Skepsis aufgebaut. Obwohl das häufig nicht einmal unselbstständige junge Menschen waren, sondern einfach nur eine überängstliche Mutter. Aber es erweckt schon einen Eindruck von Peinlichkeit. Die elterliche Unterstützung sollte im Vorfeld bleiben.

    Nehmen wir mal an, der Jugendliche hat schließlich eine Ausbildungsstelle gefunden. Aber er ist total unzufrieden mit seiner Ausbildung…

    Sacher: Die Arbeitswelt heutzutage ist komplex und unübersichtlich. Im ersten Wurf das zu finden, was einen lange Zeit zufriedenstellen wird, ist schwer. Umsatteln oder abbrechen sind keine Katastrophe. Aus sehr gut überlegten Gründen, die auch mit den Eltern und anderen Bekannten besprochen sein sollten, kann man guten Gewissens eine Ausbildung wechseln.

    Haben Sie noch einen generellen Tipp für die Erziehung, sodass mit ihr schon die richtigen Weichen gestellt werden für die spätere Berufswahl?

    Sacher: Ich habe drei Tipps. Zum einen zeigt die Forschung, dass es sich positiv auf den Schulerfolg und auch auf die Berufswahl auswirkt, wenn Eltern hohe Erwartungen an ihre Kinder herantragen. Natürlich sollen sie sie aber nicht überfordern. Ganz wichtig ist, dass die Erwartungen immer gepaart sind mit Optimismus und Vertrauen in das Kind beziehungsweise den Jugendlichen. Eltern sollten immer eine Zuversicht ausdrücken.

    Und der zweite und dritte Tipp?

    Sacher: Förderlich ist ein Erziehungsstil, der eine Mischung daraus ist, auf der einen Seite den Kindern Liebe und Wärme sowie Freiräume zu geben und zur Selbstständigkeit anzuhalten. Aber auf der anderen Seite auch auf Regeln zu bestehen, auf Disziplin. Und der dritte Tipp ist die Kommunikation mit den Kindern und Jugendlichen – also einfach im Gespräch zu bleiben. Das sind die elementaren Dinge. Interessant ist: Um diese zu realisieren, benötigt man keine höhere Schulbildung und es geht auch ohne die Beherrschung der deutschen Sprache. Es ist also für alle möglich.

    Werner Sacher, Jahrgang 1943, ist emeritierter Professor der Universität Erlangen-Nürnberg. Er lehrte im Fach Schulpädagogik und forschte unter anderem im Bereich der Elternarbeit.

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