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Politik: Warum junge Parteien oft scheitern

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Warum junge Parteien oft scheitern

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    Frauke Petry soll die AfD in die Zukunft führen. Viele junge Parteien sind mit diesem Ziel bereits gescheitert. Auch für AfD-Gründer Lucke wird ein Neuanfang schwer.
    Frauke Petry soll die AfD in die Zukunft führen. Viele junge Parteien sind mit diesem Ziel bereits gescheitert. Auch für AfD-Gründer Lucke wird ein Neuanfang schwer. Foto: Federico Gambarini (dpa)

    Kaum ein Politiker in Deutschland polarisiert so wie er. Als Euro-Kritiker wurde der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke mit seiner Alternative für Deutschland (AfD) bundesweit berühmt. Er war das Gesicht der jungen Partei. Nun ist Bernd Lucke weg, vertrieben von seinen eigenen Parteifreunden. Mit lauten Buhrufen verabschiedeten sie ihn Anfang des Monats bei ihrem Bundesparteitag aus dem Amt des Vorsitzenden. Lucke verließ die von ihm gegründete Partei. Ihm folgten tausende Anhänger und die AfD stürzte in den Umfragen ab. Damit folgt sie einem Muster, welches die Entwicklung von jungen Parteien in Deutschland vorzuzeichnen scheint. Vom schnellen Aufstieg bis zum tiefen Fall. Doch warum ist das eigentlich so? Immerhin gab es auch Zeiten, in denen die jungen Wilden die Politik veränderten

    Es ist inzwischen 32 Jahre her, dass die Grünen den Bundestag zum ersten Mal betraten. Und damit auch die politische Bühne. Viele Beobachter prophezeiten den alternativen Politikern ein schnelles Ende. Es ist eine Parallele zur heutigen Zeit. Doch anders als AfD, Piraten oder Republikaner sind die Bündnisgrünen trotz vieler Probleme und Wahlniederlagen eine politische Konstante in der Bundesrepublik geworden. Sie haben sich durchgesetzt in der harten Politik. Das macht sie zum Vorbild für diejenigen, die ihnen nachfolgen wollen.

    Wenn der Hype vergeht, scheitern junge Parteien

    Das sagt Professor Rainer-Olaf Schultze. Der Politikwissenschaften lehrte lange an der Universität Augsburg. In seiner Berufslaufbahn hat er viele Parteien begleitet und sie analysiert. Dabei ist er auf eine Regelmäßigkeit gestoßen: „Eine Partei zu gründen ist einfach. Eine sein, verdammt schwer.“ So brauche es zu Beginn nur ein Reizthema, das von den alteingesessenen Parteien nicht bedient wird, sagt Schultze. „Da entsteht ein Hype, der über die ersten Jahre hilft.“ Anschließend beginne die richtige Arbeit, erklärt der Politikwissenschaftler. Und an dieser würden viele scheitern.

    So ist es auch der Piratenpartei ergangen. 2006 gründeten Berliner Studenten die Partei, die es zwischen 2011 und 2012 sogar in vier Landtage schaffte. Das Versprechen von moderner Demokratie und Freiheit im Internet zog viele junge Wähler an. Am Ende wandten sie sich von den Piraten ab. Interne Machtkämpfe, Streiterein und Führungswechsel hatten die Partei unwählbar gemacht. Protestwähler setzten von da an lieber auf eine neue Formation: Luckes AfD.

    Auch diese hat inzwischen Sitze in vier Landtagen erobert. Hauptsächlich in den neuen Bundesländern, aber auch in Hamburg. Als Partei der Professoren und Euroskeptiker war sie für viele Wähler eine wirkliche Alternative, sagt Politikexperte Schultze. Nun erlebt die AfD erste Verfallserscheinungen. So verliert die Partei mit Bernd Lucke und seinen Anhängern im Verein „Weckruf 2015“ viel von ihrem wichtigen liberalen Anstrich.

    Es ist ein Prozess, den auch Schultze kritisiert: „Die haben ihren Parteitag am selben Wochenende abgehalten, als das Referendum in Griechenland war“, sagt er. Griechenland sei bei den angeblichen Euroskeptikern jedoch kein Thema gewesen. Das nennt der Politikwissenschaftler „bezeichnend für die veränderten Prioritäten“ der Partei.

    Die neue AfD-Chefin Frauke Petry konnte mit Parolen gegen den Islam punkten. Lucke wurde nach einem verhaltenen Aufruf zu mehr Toleranz regelrecht beschimpft. Und das vor laufenden Kameras der großen Nachrichtenportale. Für die junge AfD ist das ein gewaltiger Schaden am eigenen Image. Nach neuesten Umfragen des Emnid-Institutes würde die Partei den Einzug in den Bundestag inzwischen deutlich verpassen. Gerade einmal drei Prozent würden die AfD wählen. Es sind die schlechtesten Umfragewerte für die Eurokritiker seit zwei Jahren. Viele Wähler wenden sich ab. So wie sie es schon bei den Piraten oder, um ein weiteres Beispiel zu nennen, den rechtsextremen Republikanern taten.

    Die Ära von Bernd Lucke könnte zu Ende gehen

    Die kommenden Monate werden nun über das Schicksal der AfD entscheiden, sagt Politikexperte Schultze. Das habe mit einem Phänomen zu tun, welches Wissenschaftler „Fallbeil“ nennen. „Sobald Wähler merken, dass die von ihnen unterstützte Partei kaum Chancen hat die Sprerrklausel zu überspringen, wählen sie sie auch nicht“, erklärt Schultze. Die AfD ist also in der Bringschuld. 2016 werden fünf Landtage gewählt. Darunter in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Partei muss beweisen, dass sie konstant über die Fünf-Prozent-Hürde springen kann. Auch im Westen. Sonst droht ihr ein ähnlicher Absturz wie der Piratenpartei, welche nur noch unter „Sonstige“ zu finden ist.

    Eine von Bernd Lucke angekündigte zweite Parteigründung sieht Experte Schultze sehr kritisch. Der gefeuerte AfD-Gründer will am kommenden Wochenende eine wirtschaftsliberale Alternative zur AfD gründen. „Das Thema Euro und Griechenland verliert an Gewicht und als wirtschaftsliberale Partei ist die FDP glaubwürdiger.“ Zwar möchte der Politikwissenschaftler noch keine Prognosen abgeben, doch er schließt ein Ende der Ära Lucke nicht aus.

    Für die AfD ist dagegen die islamfeindliche Pegida-Bewegung eine Chance, sagt Schultze. „Hier gibt es ein beachtliches Potential, aus dem die Petry-AfD unter bestimmten politischen Bedingungen schöpfen kann.“ Sollte es so kommen, sagt Schultze, könnte diese neue AfD sogar den Einzug in den Bundestag schaffen.

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